Vanessa Sacchet im Gespräch mit Barbara Rossi
18.10.2025 Leute aus der Region, HagenbuchBarbara Rossi wurde am 28. August 2006 in Venedig geboren und lebt seit 2013 in der Schweiz. Sie wuchs zusammen mit ihrem jüngeren Bruder auf. Die gelernte Kauffrau EFZ arbeitet bei der Gemeinde Elgg. Schon seit ihrer Kindheit galt ihre grosse Leidenschaft dem Fussballspielen. Heute steht ...
Barbara Rossi wurde am 28. August 2006 in Venedig geboren und lebt seit 2013 in der Schweiz. Sie wuchs zusammen mit ihrem jüngeren Bruder auf. Die gelernte Kauffrau EFZ arbeitet bei der Gemeinde Elgg. Schon seit ihrer Kindheit galt ihre grosse Leidenschaft dem Fussballspielen. Heute steht sie als engagierte Spielerin regelmässig für eine Frauenmannschaft auf dem Platz.
«Ich bin in einer Fussballfamilie aufgewachsen. Mein Vater spielte in Italien bis zu meiner Geburt in einer der höheren Ligen. Auch mein Bruder ist dem Fussball seit jeher treu, er trat dem FC bei, als er eingeschult wurde. Ich selbst hatte schon früh eine grosse Begeisterung fürs Fussballspielen. Bereits mit sieben Jahren wollte ich unbedingt in einen Verein eintreten. Doch in Elgg gab es damals leider keine Mädchenmannschaft. Zwar hätte ich die Möglichkeit gehabt, in Wiesendangen zu spielen, doch das wäre organisatorisch sehr umständlich gewesen. Man hätte mich zum Training fahren müssen und meine Mutter hatte noch keinen Führerschein. So musste ich meinen Wunsch vorerst auf Eis legen und ging anderen Hobbys nach. Trotzdem blieb ich dem Fussball immer verbunden und begleitete meinen Bruder zu seinen Matches. Während meiner Zeit an der Primarschule nahmen wir mit einer Mädchenmannschaft regelmässig am Grümpelturnier teil. Dort lernte ich auch einige fussballbegeisterte Mädchen aus Elgg kennen. Eine von ihnen erinnerte sich an mich, als wir gemeinsam in die Sekundarschule kamen, und sie lud mich zu einem Probetraining ein. Zu diesem Zeitpunkt befand sich gerade eine Mädchenmannschaft im Aufbau. Ich zögerte nicht lange und so begann mein Weg zurück aufs Fussballfeld. Die Mannschaft war damals sehr durchmischt. Mädchen zwischen acht und sechzehn Jahren trainierten gemeinsam. Es war zwar eine bunte Altersmischung, aber es war ein wichtiger Schritt, um das Interesse am Mädchenfussball in Elgg zu fördern.»
Die aktuelle Begeisterung rund um den Frauenfussball
«Angefangen hat alles mit einem wöchentlichen Training. Doch nicht alle blieben dabei, einige verloren das Interesse und hörten auf. Auf den Winter hin schrumpfte die Gruppe auf eine kleinere, aber motivierte Mannschaft zusammen. Die Spielerinnen waren nun alle etwa im selben Alter, und das Training fand regelmässig ein- bis zweimal pro Woche statt. So begann sich die Mädchenmannschaft in Elgg langsam zu etablieren. Ich selbst habe beim FC Elgg angefangen, aber bald zeigte sich, dass es für eine eigene Mannschaft nicht genügend Spielerinnen gab. Daraufhin entschied man sich für eine Zusammenarbeit mit dem FC Wiesendangen. Heute spiele ich beim FC Elgg-Wiesendangen, einem Zusammenschluss, der uns Mädchen das Weiterspielen ermöglicht hat. Wir trainieren zweimal wöchentlich, jeweils abends, abwechslungsweise in Elgg und Wiesendangen. Die Spiele am Wochenende finden in Elgg statt. Für mich ist es ein echter Traum, Teil dieses Teams zu sein. Früher war ich oft enttäuscht, dass es in meiner Kindheit keine Mädchenmannschaft in der Region gab. Das Interesse an Mädchenfussball war schlicht zu gering. Umso schöner ist es zu sehen, wie stark sich der Frauenfussball heute entwickelt. Gerade nach der Fussball-Europameisterschaft der Frauen in diesem Jahr hat ein regelrechter Boom begonnen. Viele Mädchen und Frauen möchten nun selbst Fussball spielen. Bereits im Vorfeld der EM war die Vorfreude spürbar und man konnte beobachten, wie sehr der Frauenfussball gewachsen ist. Jetzt erleben wir hierzulande einen Aufschwung, wie es ihn so noch nie gab. Besonders schön ist für mich, dass selbst Menschen, die vorher kaum Interesse gezeigt haben, nun begeistert sind. Auch in meinem Umfeld hat sich viel verändert. Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit sprechen mich plötzlich auf Spiele an, die sie gesehen haben. Sogar meine Grosseltern verfolgen die Spiele mit grossem Interesse. Für mich ist das alles unglaublich schön zu erleben. Ich wusste schon lange, dass Frauen grossartigen Fussball spielen können. Jetzt wird es endlich von der breiten Öffentlichkeit gesehen. Ich hoffe sehr, dass dieser Aufschwung auch langfristige Auswirkungen auf die Mädchenförderung in der Schweiz hat. Vor allem in lokalen Vereinen wie dem FC Elgg-Wiesendangen oder anderen Vereinen in der Umgebung sollte gezielt in Infrastruktur und Angebote investiert werden. Damit Mädchen, die heute Fussball spielen möchten, nicht dieselben Hürden erleben müssen wie ich damals.»
Seit Sommer 2023 agiere ich auch als Trainerin
«Ich trainiere beim FC Elgg eine Jungenmannschaft. In den vergangenen zwei Jahren betreute ich die E-Junioren, sie sind zwischen acht und zehn Jahre alt. Ab diesem Sommer habe ich die D-Junioren übernommen, die im Alter von elf und dreizehn sind. Die Jungs selbst haben mir von Anfang an keine Mühe bereitet, im Gegenteil. Was ich allerdings bemerkt habe, war eine gewisse Skepsis vonseiten einiger Väter. Bei Turnieren erhielt ich oft verwunderte Blicke. Viele Eltern wandten sich zuerst an meinen Co-Trainer, weil sie automatisch annahmen, er sei der Haupttrainer. Mit solchen Reaktionen habe ich gerechnet, als ich mich dazu entschied, eine Jungenmannschaft zu übernehmen. Traurig, aber wahr: als Frau muss man im Fussball leider immer noch mit solchen Vorurteilen rechnen. Umso schöner war es, mit der Zeit positive Rückmeldungen von Eltern zu erhalten. Viele waren überrascht und gleichzeitig sehr anerkennend. Das Schönste an der Trainertätigkeit ist für mich aber die Entwicklung der Kinder mitzuverfolgen. Ich begleite sie über ein oder zwei Jahre hinweg und sehe, wie sie wachsen, sowohl sportlich als auch persönlich. Die grösste Bestätigung für mich ist, wenn sie mit Freude ins Training kommen.»
Immer wieder gefragt: Warum kein Mädchenteam
«Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, bei den Jungs zu bleiben. Gerade in diesem Alter kann ich ihnen etwas mit auf den Weg geben, nicht nur fussballerisch, sondern auch gesellschaftlich. Wenn sie später sagen können: «Klar gehören Frauen in den Fussball, ich hatte selbst eine Trainerin», dann habe ich etwas bewegt. Ich möchte mit meinem Beispiel zeigen, dass Frauen selbstverständlich im Fussball dazugehören, auch an der Seitenlinie. Mir ist wichtig, dass der Fokus bei einem Amateurverein wie Elgg auf dem Teamgeist liegt. Die Kinder sollen mit Freude kommen, Spass am Spiel haben und lernen, was es bedeutet, Teil eines Teams zu sein. Sie sollen erleben, dass man sich gegenseitig unterstützt, wenn jemand nicht mehr rennen mag, springt ein anderer für ihn. Wenn einer Hilfe braucht, wird er nicht ausgelacht, sondern aufgefangen. Niemand soll deswegen angeschrien oder ausgegrenzt werden. Wenn ich den Kindern genau das mitgeben kann, dann habe ich als Trainerin schon viel erreicht. Und wenn sie nebenbei auch noch besser Fussball spielen lernen, umso besser. Insgesamt habe ich von den Kindern viel positives Feedback erhalten. Sie begegnen mir mit Respekt und wenn das einmal nicht der Fall ist, spreche ich es direkt an. Alles in allem kann ich sagen: Sie behandeln mich nicht anders als jeden anderen Trainer. Und genau das ist das grösste Lob.»
Meine Inspiration: Spielerinnen, die mich begeistern
«Es gibt so viele, die unglaubliche Qualitäten mitbringen. Für mich ist es wichtig, mir von allen das Beste mitzunehmen und daraus meine eigene Mischung zu formen. Ein grosses Vorbild für mich ist Leah Williamson, Captain der englischen Nationalmannschaft. Ich bin ein grosser Fan von ihr. Was sie für ihren Verein leistet, ist beeindruckend. Ihr Kampfgeist, ihre positive Ausstrahlung, ihre Führungsstärke auf und neben dem Platz. Auch in Lucy Bronze, ebenfalls aus dem englischen Team, erkenne ich mich selbst wieder. Ihr Kampfgeist ist enorm. In der letzten Zeit hat sie Schlagzeilen gemacht, weil sie trotz eines gebrochenen Schienbeins die gesamte EM gespielt hat. Ich finde das bewundernswert. Meine absolute Lieblingsspielerin ist aber Alexia Putellas aus Spanien, sie ist einfach der Wahnsinn. Ihre Spielintelligenz, ihre Technik, ihr Auftreten. Sie ist für mich eine Ausnahmespielerin. Diese drei Spielerinnen inspirieren mich besonders, nicht nur in ihrem Spielstil, sondern auch in ihrer Haltung. Genau deshalb sehe ich mich auch in Zukunft ganz klar auf dem Platz. Solange mein Körper mitmacht, und das tut er zum Glück in meinem Alter noch, will ich aktiv Fussball spielen. Wenn ich mich irgendwann entscheiden müsste, würde ich schweren Herzens das Traineramt aufgeben. Aber bis dahin gilt: Solange es geht, mache ich beides und wenn nicht, bleibe ich definitiv dem Spiel als Spielerin treu. Ich spiele einfach zu gerne. Die Leidenschaft, die ich dabei empfinde, ist durch nichts zu ersetzen.»
VANESSA SACCHET


