Vanessa Sacchet im Gespräch mit Andreas Utzinger
17.06.2023 Wittenwil, Leute aus der RegionAndreas Utzinger, geboren am 20. Juni 1971 in Zürich, wuchs mit zwei Geschwistern auf. Er bEgann ein Studium an der ACM (Academy of Contemporary Music) und finanzierte dieses mit Hilfe seiner Eltern und Auftritten in Pianobars der ganzen Schweiz. Der bald 52-Jährige lebt in einer ...
Andreas Utzinger, geboren am 20. Juni 1971 in Zürich, wuchs mit zwei Geschwistern auf. Er bEgann ein Studium an der ACM (Academy of Contemporary Music) und finanzierte dieses mit Hilfe seiner Eltern und Auftritten in Pianobars der ganzen Schweiz. Der bald 52-Jährige lebt in einer Partnerschaft, hat eine Tochter und erzählt mir, was ihm die Musik bedeutet und wie er dazu kam, seine eigene Band zu gründen. «Ich bin schon früh mit Musik in Kontakt gekommen, da meine Eltern selbst welche machten – nicht professionell, sondern einfach für sich. Ich durfte so die Freude zur Musik bereits im Elternhaus erfahren und fing an, ein wenig auf den Klaviertasten herumzuklimpern. Im Kindergartenalter begann ich Flöte zu spielen, da die Lehrerin einen Blockflötenchor leitete. Spielte man allein auf der Flöte klang es nach nichts, im Chor aber richtig toll. Das motivierte mich damals, das Instrument zu lernen. Mit sieben Jahren begann ich, Klavier zu spielen, besuchte Stunden und hatte Freude am Instrument. Grossgeworden bin ich über das Notenspielen, mit einem Lehrer, der eher darauf bestand, dass man die Lieder nach Noten spielt.
Mit zwölf Jahren geriet ich an Nikolaus Bertsch, ein Schulfreund von mir. Er war es, der mir aufzeigte, dass auch Improvisation möglich ist. Ich merkte relativ schnell, dass es mir eher zusagte, meine eigenen Töne auf dem Tasteninstrument zu suchen. Im Klavierunterricht spielte ich weiterhin nach Noten, um die Technik zu lernen, und entwickelte nebenbei einen ganz eigenen Improvisationsstil.
Als ich 20 Jahre alt war fuhr ich gemeinsam mit meinen Eltern ins Tessin in die Ferien. Wir machten einen Ausflug nach Ascona, wo in einem Innenhof ein Flügel stand, auf dem gerade niemand spielte. Er wurde für Konzerte an den Abenden genutzt. Immer wenn irgendwo ein Flügel stand, setzte ich mich hin und spielte darauf, weil es für mich einfach unglaublich faszinierend ist. So wurden von diesem Innenhof die wunderbaren Klänge durch die Gassen getragen, die Leute blieben stehen und hörten zu. Es ergab sich eine Art Konzertatmosphäre, die ich gar nicht beabsichtigte. Die Besitzerin des Restaurants nebenan beobachtete das und meinte: ‹Wow, das ist mal etwas ganz anderes.› Sie fragte mich, ob ich Lust hätte, für einen Monat hier zu spielen. Da während meines Studiums gerade Semesterferien waren, passte das perfekt und ich sagte zu.»
Einen Monat für Kost und Logis gespielt
«Die Restaurantbesitzerin organisierte mir ein kleines, bescheidenes Zimmer mit Bett und Dusche, was vollkommen ausreichte. Das Wetter war schön und das Leben spielt sich im Tessin ja bekanntlich draussen ab. Ich konnte jeweils drei Mal am Tag im RestauRant essen. Nach diesem monat wurde mir klar, dass ich mein Chemiestudium nicht weiterführen möchte. Ich wollte Musik machen, weil ich ganz tief in meinem Herzen spürte, dass das schon immer mein Wunsch war. Es folgten intensive Gespräche mit meinen Eltern, weil sie meinten, dass es wichtig sei, zuerst eine richtige Ausbildung zu absolvieren. Meine Argumente waren, dass meine Matura bereits der Weg gewesen sei, den sie für mich vorgesehen hatten und ich jetzt meinen eigenen gehen möchte.
Zur Beruhigung meiner Eltern suchte ich mir etwas Handfestes, sprich ein Studium an der ACM in Zürich. Das war damals die beste Option für mich nebst der Jazz-Schule und dem Konservatorium. Die ACM hat die Tore für populäre Musik, in der ich mich daheim fühlte, geöffnet. Noch während der Ausbildung war ich als Barpianist unterwegs und fing an, kleine Inserate zu schalten und an Hochzeiten, Privat- sowie Firmenfesten zu spielen. Am Anfang war ich allein unterwegs, freundete mich aber schnell mit anderen Musikern an. Es dauerte lange bis ich meine eigene Band mit Schlagzeug, Bass und Gitarre beisammenhatte. Mein Künstlername ist Deean und unsere Band heisst Liveband Deean. Wir spielen zu 90 Prozent Coversongs. Das ist das, was die Leute hören wollen. Zwischendurch schreibe ich meine eigenen Sachen. Zeitlich jedoch bin ich ziemlich eingeschränkt durch die Familie und das Standbein mit meinem eigenen Tonstudio in Dübendorf, wo ich für andere Künstler schreibe und produziere. Ich bin gern im Hintergrund tätig und muss nicht zwingend im Rampenlicht stehen. Ich machte die Musik zum Beruf und kann gut davon leben, auch wenn es früher ein Auf und Ab war. Über all die Jahre pendelte es sich ein und ich etablierte mich – nicht zuletzt dadurch, dass ich für diverse Musikstilrichtungen offen bin. In meinem Studio unterrichte ich und biete unter anderem auch mein Wissen über Tontechnik an. Ich komme mit ganz vielen verschiedenen Anfragen und Bedürfnissen von Leuten in Kontakt und bin flexibel.»
Musik bedeutet Inspiration für ihn
«Meine Partnerin Sarah lernte ich bei einem gemeinsamen Singprojekt kennen. Unsere Stimmen passen wunderbar zusammen. So führten wir die Zusammenarbeit weiter und stellten fest, dass wir auch menschlich sehr gut harmonieren. Mit der Band treten wir gemeinsam an verschiedenen Anlässen auf. Bei einem Fasnachtsball spielen wir eher Partymusik – eine ganz andere Stilrichtung als an einem Tanzball, wo die Leute Standardtänze tanzen, oder an einem Apéro, wo dezente Jazz- oder Loungemusik erwünscht ist.
Wir sind sehr vielseitig und haben über 300 Stücke in unserem Repertoire. So können wir zu jedem Event etwas Passendes zusammenstellen. Dadurch erhalten wir die Möglichkeit, an verschiedenen Orten zu spielen. Wir hatten schon riesige Anlässe bei Lidl vor 2000 Leuten und wiederum spielen wir an einer Geburtstagsparty mit 30 Personen, wo alles viel intimer und familiärer ist. Wir singen in Schweizerdeutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch. Immer mal wieder diskutieren wir darüber, in Französisch zu singen. Ich mag die Sprache, finde sie jedoch sehr schwierig wegen des Akzents und weil ich ein Perfektionist bin. Das Hauptgewicht liegt jedoch bei den englischen Songs, weil wir als Schweizer eher international orientiert sind, in der Musik, die wir hören.»
Ich frage Andreas Utzinger, ob er mit seinen Worten beschreiben könne, was ihm die Musik bedeute. Er erklärt: «In all den Jahren entwickelte ich zur Musik eine tiefe Liebe und schöpfe daraus viel Kraft. Ich kann mich spontan ans Klavier setzen und all meine Emotionen ausleben, diese in die Töne geben, die entstehen. Das änderte sich bis heute nicht. Ich fand meine Berufung in der Musik. Klar gibt es immer wieder Dinge, die nicht so toll sind. Wenn wir zum Beispiel um 2 Uhr nachts nach einem Konzert die Instrumente zusammenräumen müssen, nach Hause fahren und erst um 4 uhr dort ankommen.
Dann ist da die innere Stimme, die einem sagt, Musik ist das, was ich beruflich machen möchte und was ich gerne tue. Viel zu kurz kommt der reine Musikgenuss. Letztens sass ich mit einem Freund hin und wir hörten Musik, da er sich neue Lautsprecher angeschafft hatte. Das mache ich viel zu selten, da ich den ganzen Tag mit Musik zu tun habe. Da komme ich gar nicht auf die Idee, am Abend Musik zu hören. Das Grundgefühl, diese tiefe Zuneigung zur Musik und die Faszination, was sie in einem oder in anderen Menschen auslösen kann, ist nach wie vor das, was mich motiviert und vorwärtstreibt.»
VANESSA SACCHET