Über eine Reise, die in keinem Buch steht
28.01.2023 ElggVon nicht allzu weit entfernten Schlössern und märchenhaften Burgen berichtete Rosmarie Hirt in der Gemeinde- und Schulbibliothek. Die schönsten Momente während ihrer Reise durch das Loiretal hielt die Elgger Bibliothekarin auf Kamera fest − und zeigte dem ...
Von nicht allzu weit entfernten Schlössern und märchenhaften Burgen berichtete Rosmarie Hirt in der Gemeinde- und Schulbibliothek. Die schönsten Momente während ihrer Reise durch das Loiretal hielt die Elgger Bibliothekarin auf Kamera fest − und zeigte dem Publikum, wie wunderbar Fernweh sein kann.
In der Primarschule Im See findet zu dieser Stunde zwar kein regulärer Unterricht mehr statt, doch ab und an brennt dennoch Licht in einer ihrer Räumlichkeiten. Seit 23 Jahren betreut die Bibliothekarin Rosmarie Hirt die mit ausreichend Lesestoff versorgte Einrichtung. Am Mittwochabend erzählte sie jedoch nicht aus einem Buch, sondern von ihrer eigenen, ganz persönlichen Reise. Fast 30 Zuschauerinnen und Zuschauer versammelten sich deswegen in der Bibliothek. Die Idee, beschrittene Touren als Dokumentation vorzustellen, entstand aus purer Freude. Seit 2010 gehören ihre Reisen hier zum festen Programm und treffen stets auf viele gespitzte Ohren.
Eine ungefähre Route hatten sie und ihr Mann Roland Hirt durch das französische Loiretal, ein Gebiet geprägt mit über 400 majestätischen Schlössern, herrlichen Natur- und Kulturlandschaften, im Sinn. Raum für spontane Aktivitäten durfte auf der zweieinhalbwöchigen Reise letzten Juni nebst den Fahrrädern im Gepäck jedoch nicht fehlen. Mit dem Camper fand man sich im ersten Ziel, in Dommartin, wieder. Als fast einzige Gäste übernachteten sie dort auf einem Campingplatz. Am darauffolgenden Tag ging es weiter bis Saint-Satur an der Loire – der grösste, in den Atlantik mündende Strom, mit einer Länge von über 1000 Kilometern. Weiter ging es zu Fuss nach Sancerre, ins Weinbaugebiet im Herzen Frankreichs, berühmt für den Sauvignon blanc aus dem Sancerrois. Nicht weit entfernt liegt der weitgehend berühmte Pont-Canal de Briare aus dem Jahre 1897. Mit 662 Metern Länge stellt er den längsten Brückenkanal Europas dar. Von Lastschiffen wird er zwar nicht mehr befahren, nur noch Hausboote schippern heute friedlich von A nach B.
Nicht nur Flussverkehr, auch das erste Schloss der Reise war bereits in Sicht. Nahe gelegen befindet sich das Chateau Sully, ein Wasserschloss, dass bis ins 20. Jahrhundert in den Händen nordfranzösischen Adels war. Die Herzöge empfingen zahlreich bekannte Gäste, darunter auch den französischen Philosophen und Schriftsteller Voltaire, der aufgrund obszöner Gedichte 1716 aus Paris verbannt wurde. Für 85 Millionen Ancien Francs wurde das Schloss 1962 an das Département Loiret verkauft.
Das nächste Schloss lag nicht weit entfernt
Auf dem Weg zum nächsten Stopp waren Nutrias und ihre Spuren zu finden. Die kleinen Nagetiere, auch Biberratten genannt, stammen aus Südamerika und sind Verwandte des Meerschweinchens. Die in Europa vorkommenden Nager sind Nachkommen entlaufender Tiere aus Pelzfarmen. Oft richten sie erhebliche Schäden an der Ufervegetation und den Dämmen an.
Im nahegelegenen Blois befindet sich das Zaubermuseum, das dem Uhrmacher und Zauberer Jean Eugène Robert-Houdin gewidmet ist. Stündlich öffnen sich seine Fenster, aus denen motorisierte Drachenköpfe kunstvoll ihre vollautomatische Show vorführen. Das Königsschloss der Stadt stellte in Zeiten der Monarchie das Zentrum der Macht und den Wohnsitz von sieben Königen und zehn Königinnen dar. Im Innern bietet es Einblicke in mehrere Jahrhunderte Kunst und Geschichte – die Leinwand der abendlichen Licht- und Tonshow war auf die Fassade des imposanten Schlosses projiziert. Eindrücklich wurden dabei Geschichten vieler Intrigen und Machtspiele der Adligen erzählt.
15 Kilometer weiter befand sich das nächste historische Kulturgut; das Schloss Chambord, eines der wenigen in Staatsbesitz und wohl das berühmteste der Loire-Schlösser. Der umliegende Park und die dazugehörenden Wälder besitzen fast dieselbe Fläche wie Paris. Das Anwesen wurde ursprünglich als Prunk- und Jagdschloss vorgesehen. Das ab 1519 erbaute Werk ist das einzige Königsschloss, das fast unverändert seine eigentliche Form beibehielt. Aufgrund seiner riesigen Grösse war es praktisch unbeheizbar, obwohl 400 Kamine, verteilt auf über 400 Zimmer, zu finden sind. Ausserhalb der Jagdsaison blieben die vielen Räumlichkeiten demzufolge leer.
Das Meer in Sicht
An diesem Punkt waren die beiden bereits über eine Woche unterwegs. Der Weg entlang der Loire bis ans Meer war nun das Ziel. Bei der Hafenstadt Saint-Nazaire überquerten sie den Fluss auf der 3356 Meter langen Schrägseilbrücke. Und zu Feiern gab es auch: Bei einer Velotour um die Halbinsel Le Croisic genoss Rosmarie Hirt ihren Geburtstag. Sie befanden sich nun nahe des Flussbeckens an der Brivet. Das Sumpfgebiet setzt sich aus mehr als 20 selbstständigen Wasserbecken zusammen. Eigentlich wollten die zwei wieder zurück ins Loiretal, doch die heissen Temperaturen der nächsten Tage zwangen sie dazu, ein wenig länger in Piriac-sur-Mer zu verweilen.
Auf dem Weg zurück durch Anjou, konnte die unterirdische Welt der sogenannten «Troglodytes» entdeckt werden. Was früher als Wohnraum für den ärmeren Teil der Bevölkerung gedacht war, wurde heute zum beliebten Feriendomizil. In dieser Region befinden sich etwa 1000 Kilometer Stollen. Um das Jahr 1000 begann man damit, für den Bau von Kirchen und Burgen Kalkstein abzutragen. Unbeabsichtigt entstand dabei ein Höhlensystem, das als Wohnraum genutzt wurde. Immer mehr Menschen zogen ein und bald entstand sogar eine Einkaufsstrasse: die Rue de Commerce, ein unterirdischer Markt, der bis ins 19. Jahrhundert betrieben wurde.
Die Reise ging weiter über Strassen, immer wieder waren Höhleneingänge zu sehen. Es folgten noch mehr Schlösser wie das Chateau Villandry, mit seinen detailliert angelegten Gärten, oder das Château de Langeais, das zwischen Tours und Saumur liegt, bis man sich auf den Weg nach Bourges machte. Die schöne Altstadt liegt fast in der geografischen Mitte Frankreichs. Während des «Fête de la Musique» brach plötzlich starkes Gewitter aus; klatschnass mussten die beiden in eine Bar flüchten. Auf der Weiterfahrt am nächsten Tag regnete es immer wieder, bis sich die Hirts schliesslich am 23. Juni wieder auf den Weg nach Hause machten.
Auf die Frage, wo es als nächstes hingeht, antwortete die Bibliothekarin: «Heute habe ich das Ticket für die Fähre in Norwegen gebucht.» Ob dabei ein neuer Reisefilm entsteht, ist sehr wahrscheinlich.
JULIA MANTEL