Selber drucken mit historischen Model
01.07.2025 AadorfSich mit eigenen Händen an die Welt des Stoffdrucks im 19. Jahrhundert heran - tasten konnte man letzte Woche im Hänkiturm Aadorf im Rahmen der Ausstellung zur Geschichte der Rotfärbereien und Druckereien. Textilexpertin Christine Kolitzus zeigte das alte Handwerk in einem ...
Sich mit eigenen Händen an die Welt des Stoffdrucks im 19. Jahrhundert heran - tasten konnte man letzte Woche im Hänkiturm Aadorf im Rahmen der Ausstellung zur Geschichte der Rotfärbereien und Druckereien. Textilexpertin Christine Kolitzus zeigte das alte Handwerk in einem Workshop.
Ein spezieller Workshop an einem besonderen Ort. Im Hänkiturm Aadorf konnte man unter Anleitung von Christine Kolitzus-Hanhart das Stoffdrucken mit historischen Druckmodel ausprobieren. «Ich habe nicht gedacht, dass so viele Leute teilnehmen würden», sagte die ehemalige Druckdesignerin, die auch in Diessenhofen im ehemaligen Stoffdruckereimuseum «kunst + wissen» mit ihrem enormen Erfahrungsschatz in Rotfärberei aktiv ist. 2017 hat sie zusammen mit Fritz Franz Vogel das Buch «Rotfarb und Zeugdruck in Diessenhofen» herausgegeben.
15 Interessierte kamen am Samstag vergangener Woche im Hänkiturm Aadorf zum «Stoffdrucken mit historischen Druckmodeln». Im luftigen Turm, der einst zum Trocknen der Stoffe verwendet wurde, war es an diesem heissen Tag angenehm kühl. Für die Druckversuche im Workshop im Rahmen der Ausstellung zur Geschichte der Rotfärbereien und Druckereien im Thurgau wurde moderne Acrylfarbe benutzt und kein Ätzverfahren, was im Gegensatz zu den Anfängen des Rotdrucks die Arbeit stark vereinfachte und angenehmer gestaltete.
Früher harte Arbeit
Wie es gewesen sein musste, unter den damals harten und gesundheitlich bedenklichen Bedingungen – auch Kinderarbeit gehörte dazu – von anno dazumal zu arbeiten, kann man nur erahnen. Nur schon das ständige Klopfen des Model auf den Stoff mit dem schweren Klopfer habe einen Mann zur damaligen Zeit körperlich ganz schön herausgefordert. Den Filz, auf dem das Model eingefärbt wurde, immer wieder neu mit Farbe zu tränken, sei die Aufgabe von Buben gewesen. «Unglaublich, was die Leute früher geleistet haben, auch sehr genau wurde gearbeitet», erklärte Kolitzus. Den Rapport, das Muster, ohne Unterbruch schön gleichmässig aneinanderzureihen sei sehr anspruchsvoll. Im Workshop gab die Textilexpertin Tipps, welche Model geeigneter und welche schwierig zu handhaben sind und wie man sie am besten auf den Stoff presst.
Die einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren motiviert bei der Arbeit und tauschten sich rege aus. Christine Kolitzus bewegte sich von einem zur anderen, erklärte, zeigte Handgriffe, gab Ratschläge und beantwortete Fragen.
Die nassen Stoffballen, die in den Türmen zum Trocknen aufgehängt wurden, waren sehr schwer. Daher sei die Druckerpresse nicht nur zum Drucken, sondern auch dazu benutzt worden, das Wasser auszupressen. Der Druckvorgang habe sehr viel Wasser gebraucht, wie die Expertin erläuterte. Daher standen die Färbereien und Druckereien, wie auch die Gerbereien am Wasser. «Waschen, auspressen, drucken: Insgesamt hatte man den Stoff beim Druckvorgang 22 Male in der Hand», so Kolitzus.
Weiter erfuhr man im Workshop, dass auf den rot gefärbten Tüchern die Muster zunächst nur weiss, später auch gelb oder blau herausgeätzt und nicht aufgedruckt wurden. Wie die Farbmöglichkeiten seien auch die Stoffmuster immer vielfältiger geworden. Die dazu benötigten Druckmodel hätten zunächst nur aus hartem Holz bestanden.
Schliesslich erfuhr man von der Textilexpertin auch einige Hintergrundinformationen zur Rotfärberei. Diese stammt ursprünglich aus Indien und kam über Frankreich in die Schweiz. Das Rot entstammt der Pflanze Krapp. Rotfärbereien und Druckereien waren ein prägender und wichtiger Teil der Textilindustrie des 19. Jahrhunderts in der Schweiz. Der Tröckneturm Diessenhofen, der Greuterhof Islikon, das Industrieareal Schlossmühle Frauenfeld und der Hänkiturm Aadorf erinnern an die einstmals blühende Färberund Druckerei-Industrie im Thurgau.
BETTINA STICHER
Der Hänkiturm
Die Rotfärberei Aadorf wurde 1833 von Johann Heinrich Sulzer-Steiner gegründet. Bereits im 18. Jahrhundert wurde auf den synthetisch hergestellten Farbstoff Alizarin umgestellt. Später wurde in Aadorf nicht nur gefärbt, sondern auch gedruckt.
Der Hänkiturm entstand 1847, um die gefärbten Tücher zu trocknen. Nach dem Abbruch der Fabrikgelände Ende der Dreissigerjahre erhielt der Turm eine neue Bestimmung als Ökonomiegebäude für die Landwirtschaft.
2010/11 wurde der Hänkiturm komplett saniert und einer neuen Bestimmung zugeführt: Sieben Ateliers bieten Kunstschaffenden einen Arbeitsplatz. Der Saal unter dem Dachgebälk lädt zu Veranstaltungen ein.
2024 wurde die Stiftung Hänkiturm Aadorf gegründet mit dem Zweck, die historischen Bausubstanz und das Wissen über die Geschichte des Gebäudes zu erhalten und Ateliers zu vermieten. Der Saal wird für Veranstaltungen vermietet. Zudem wird die Biodiversität auf den land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften der Stiftung gefördert. Katharina Sulzer vom Stiftungsrat war am Anlass anwesend und informierte zu Beginn kurz über die Stiftung.