Ich war damals Schülerin in der Klasse von Jakob Heldstab, und wie die meisten von uns erinnere ich mich noch genau an die Aufregung, die uns vor dieser Reise erfasste. Nicht viele Schulreisen führen über Landesgrenzen hinweg, schon gar nicht bis tief in den Süden Italiens. ...
Ich war damals Schülerin in der Klasse von Jakob Heldstab, und wie die meisten von uns erinnere ich mich noch genau an die Aufregung, die uns vor dieser Reise erfasste. Nicht viele Schulreisen führen über Landesgrenzen hinweg, schon gar nicht bis tief in den Süden Italiens. Doch genau das geschah im Juni 1987, als wir zusammen mit unserem Lehrer Jakob Heldstab und zwei Begleiterinnen aufbrachen. Ivano war mit seiner Familie kurz zuvor für immer nach Italien zurückgekehrt. Der Abschied hatte in der Klasse Spuren hinterlassen und der Wunsch nach einem Wiedersehen war gross. Zuerst wollten wir den ehemaligen Mitschüler in die Schweiz einladen, um uns auf der Schulreise zu begleiten. Je länger wir darüber sprachen, kamen wir auf die Idee, das Ganze umzukehren, und dass wir ihn in Italien besuchen könnten. Was am Anfang eine Spinnerei war, entwickelte sich weiter und als wir schlussendlich die Einladung der Familie Signorella in Cutrofiano erhielten, wurde dies zum Auslöser für eine Schulreise, die alle bisherigen Dimensionen sprengte.
Aus Heimweh wurde Hoffnung
Nachdem die Schulpflege ihre Zustimmung gegeben hatte, wurde aus dem Wunsch ein konkretes Projekt. Einige schulfreie Tage, darunter der Kapitelsamstag und der Synodenmontag, wurden geschickt mit den offiziellen Schulreisetagen kombiniert, sodass eine fünftägige Reise möglich wurde. Ein Teil der Kosten wurde durch die Klassenkasse sowie einen Beitrag der Schulpflege gedeckt. Unsere Eltern zahlten 60 Franken für die Verpflegung, hinzu kam ein empfohlenes Taschengeld von 40 bis 60 Franken. Kein Vergleich zu heutigen Reisebudgets, aber genug, um Pizza, Gelato und ein paar Souvenirs zu geniessen. Die Identitätskarte musste mitgeführt werden, Mobiltelefone hingegen gab es damals noch keine. Die Unterkunft war ebenfalls aussergewöhnlich. Wir Mädchen der Klasse waren im Haus der Familie Signorella untergebracht, während die Knaben und das Leitungsteam in einer Wohnung wohnten. Am 19. Juni 1987, einem Freitagabend, startete die Reise im Zug von Elgg nach Zürich und von dort mit dem Nachtzug direkt nach Lecce.
Ein Wiedersehen, das Herzen berührte
Was die Reise so intensiv machte: Wir waren wirklich gemeinsam unterwegs. Spiele im Zug, Gespräche bis spät in die Nacht, das gemeinsame Staunen über die Landschaft Apuliens, das alles hat uns auf eine ganz eigene Weise verbunden. Die Gastfreundschaft, die neue Umgebung, das Wiedersehen mit Ivano, das alles war unvergesslich. Die Reise nach Cutrofiano war nicht nur ein Abenteuer, sondern auch ein frühes Beispiel für gelebte interkulturelle Begegnung im Schulalltag. In einer Zeit ohne Internet und ständige Erreichbarkeit war sie ein mutiger Schritt über Grenzen hinweg, geografisch wie menschlich. Fast vier Jahrzehnte später ist sie für viele ein leuchtendes Beispiel dafür, was entstehen kann, wenn pädagogisches Engagement, Offenheit und Herzlichkeit zusammenkommen. Heute, fast 40 Jahre später, denke ich oft mit einem Lächeln zurück an diese Tage. Es war eine Reise, die mehr war als ein Schulprojekt, sie war ein Stück gelebte Freundschaft, Mut zur Begegnung und ein kleines Abenteuer in einer Welt, die damals noch grösser und ferner erschien als heute. Für mich und viele meiner damaligen Mitschülerinnen und Mitschüler war es der Höhepunkt unseres letzten Schuljahres. Und ja, wir haben Ivano wiedergetroffen. Wir haben gelacht, erzählt, gemeinsam gegessen, und wir haben erlebt, was es heisst, über Grenzen hinweg verbunden zu bleiben.
VANESSA SACCHET