Premiere von Rossinis Messe begeistert das Publikum
06.11.2025 ElggDie ersten beiden Vorstellungen von Simon Bergers szenischem Musiktheater begeisterten: Rossinis «Petite Messe Solennelle», interpretiert vom ökumenischen Kirchenchor Elgg und zwölf Profisolisten, fesselte mit intensiver Musik, stimmungsvollen Szenen und subtilen ...
Die ersten beiden Vorstellungen von Simon Bergers szenischem Musiktheater begeisterten: Rossinis «Petite Messe Solennelle», interpretiert vom ökumenischen Kirchenchor Elgg und zwölf Profisolisten, fesselte mit intensiver Musik, stimmungsvollen Szenen und subtilen Metaphern.
Die Kirchenbänke füllten sich am Premierenabend bereits zur Werkeinführung, in der Regisseur Simon Berger in vier Schritten an seine Interpretation heranführte. Dass er die Umsetzung realisieren konnte, war dem Zufall moderner Algorithmen geschuldet: «Während ich am Arbeiten war, hörte ich Musik über Spotify. Am Ende meiner Auswahl schlug mir der Dienst etwas vor, das mir auch gefallen könnte. Ich liess mich darauf ein und hörte zum ersten Mal die ‹Petite Messe Solennelle› von Gioachino Rossini.»
Im nächsten Punkt erzählte er aus dem Leben Rossinis. Als Kind musikalischer Eltern lag die Gabe dem kleinen Gioachino im Blut: Er hatte eine ausserordentliche Stimme und war als Knabensopran sehr gefragt. Als er zwölf Jahre alt war, forderte man die Eltern auf, den Jungen zu kastrieren, um seinen Sopran zu bewahren – doch die Mutter wehrte sich erfolgreich. Fortan widmete sich Rossini ganz dem Komponieren von Opern, studierte Musik und gehörte bereits mit 20 Jahren zu den gefragtesten Komponisten weit über Italien hinaus. Mit 35 hatte er sein Hauptwerk vollendet. Er genoss sein Leben in Saus und Braus und mit ausschweifenden gesellschaftlichen Anlässen – ein Lebensstil, der seiner Gesundheit zunehmend zusetzte. Für lange Zeit schuf er keine Werke mehr. Nach dem Umzug 1857 nach Paris ging es gesundheitlich wieder aufwärts und er begann wieder zu arbeiten.
Die «Petite Messe Solennelle» entstand 1863 für seine Nachbarn und Freunde Comte Alexis Pillet-Will und dessen Frau Louise, der das Werk gewidmet ist. Die Uraufführung fand am 14. März 1864 zur Einweihung der Privatkapelle des gräflichen Paares in Paris statt. Weil der Platz in der Kapelle beschränkt war, schrieb Rossini die Messe für einen Chor mit zwölf Sängerinnen und Sängern, ein Harmonium und zwei Flügel und nicht wie üblich für ein grosses Orchester.
Bei alledem den Mut nicht verlieren
Den Weg, den das Projekt bis zur Premiere als szenisches Musiktheater hinter sich hatte, beschrieb Berger als Letztes, bevor sich Sängerinnen, Sänger und die mitwirkenden Jugendlichen auf der Bühne einfanden. Treibende Kraft sei die Musik gewesen: «Dieser eigene Charme – mal ernsthaft, verspielt, opulent, aber auch sehr nüchtern, tragisch und traurig. Sie versprüht trotzdem viel Freude. Es ist diese Ambivalenz, die mich an die derzeitige Weltlage erinnert.» Ein Blick auf das Geschehen genüge, und man frage sich, wie bei alledem der Mut nicht verloren gehen solle – damit sei der Projektname «bei alledem...» geboren gewesen. «Wie kann es uns gemeinsam gelingen, den Mut zu behalten, die Herausforderungen der jetzigen Zeit anzugehen?»
Dass er keine Geschichte mit einer konkreten Handlung zeigen wolle, sei ihm bald klar geworden. Es gebe jedoch einzelne Elemente, die sich wie ein roter Faden durch die Vorstellung ziehen – etwa die zahllosen Bauklötze, die immer wieder die Szenerie prägen und als verbindendes Element durch den Abend führen – stets ihre Bedeutung ändernd. «Wer was sieht, ist jedem selbst überlassen. Gestartet wird ziemlich konkret in einer heruntergekommenen, schäbigen Hotellobby, betrieben durch Kinder und Jugendliche.» Schon daraus lasse sich eine in die Schieflage geratene Welt lesen. «Aber in jedem und jeder werden eigene Bilder entstehen. Ich mache kein flaches Theater, ich mache Theater, das aneckt.» Der erste Teil befasse sich mit der Suche, der zweite, widme sich dem Finden.
Nahrung für Geist und Seele vom Feinsten
Unter der musikalischen Leitung von Maxime Thély, begleitet von Ariel Lima am Klavier und Florian Pezzatti am Akkordeon, entfaltete sich die Petite Messe Solennelle zu einem Klangereignis von grosser Intensität. Der ökumenische Kirchenchor Elgg und die zwölf hochkarätigen Profisängerinnen und -sänger harmonierten eindrücklich und verzauberten die Zuschauenden vom ersten bis zum letzten Ton.
Leise Zwischentöne und Sequenzen – etwa, als die Kinder Ballons aufbliesen, aus denen sie kurze Zeit später die Luft entweichen liessen, oder kurze Einspieler des Volkslieds «Mein Hut, der hat drei Ecken» – erinnerten an die herrschende Unordnung «da draussen». Am Ende umarmten die Grossen die Kleinen und überreichten ihnen Geschenke, die diese, ohne mit der Wimper zu zucken, entgegennahmen; einmal mehr eine starke Metapher: Mit der aus den Fugen geratenen Welt erhalten sie wahrlich ein schönes Geschenk ...
Trotzdem herrschte am Ende grosse Freude. Auf der Bühne, vor allem aber auch im Publikum. Der Abend war ein Geschenk für die Sinne, das mit stehendem, nicht enden wollendem Applaus quittiert wurde. Ein überglücklicher, sichtlich ergriffener Simon Berger dankte allen, die mitgewirkt hatten. Er lud zum Anstossen an der Bar unter der Kanzel, um sowohl die hochstehende musikalische Qualität, aber auch das wunderbare Miteinander zu feiern.
Zur Samstagsvorstellung fanden sogar noch mehr Leute den Weg in die Kirche. Wer sich nun angesprochen fühlt, hat am kommenden Wochenende noch zweimal die Gelegenheit, diese aussergewöhnliche Umsetzung zu erleben.
MARIANNE BURGENER
Informationen zu den zwei letzten Vorstellungen unter: www.theaterzurwaage.ch


