Politik für Einsteiger als Schulprojekt

  28.05.2022 Guntershausen

In seinem Blog, den er im Rahmen eines Schulprojekts ins Leben gerufen hat, versucht der Guntershausener Odin Altwegg, der die 3. Sekundarschule in Aadorf besucht, politische Anliegen einfach und verständlich zu vermitteln. Sein Ziel ist es, mehr Einsteiger, vor allem Jugendliche, für Politik zu begeistern.

In Odin Altweggs Blog «Next Level Politik. Für Einsteiger und solche, die es werden wollen» erklärt der Schüler zuerst, wer er ist und wo sein Interesse am politischen Geschehen seinen Ursprung hat. Es war eine simple Geschichte um einen Fussgängerstreifen, den er sich damals von der Gemeinde zu seiner Sicherheit gewünscht hätte. Seine Mutter riet ihm, den offiziellen Weg über die Behörden zu gehen und stattdessen die Idee, mit gelber Farbe die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen, fallenzulassen. Die Erkenntnis aus der Geschichte ist zwar nicht, dass man immer bekommt, was sinnvoll und nötig erscheint. Aber immerhin die, dass man seine Anliegen auch wirksam deponieren kann, wenn man zur Wahrnehmung der politischen Rechte noch zu jung ist. Dazu sein Statement an die heutigen Amtsinhaber: «Nehmt auch Anliegen von Kindern ernst; die heute Zehnjährigen sind die Wähler von morgen.»
Odin ist überzeugt, dass politische Entscheidungen Auswirkungen auf uns alle haben und wir in der Schweiz privilegiert sind, mitbestimmen zu können. Allerdings ein wenig geschätztes Privileg, wie die Stimmbeteiligungen immer wieder zeigen würden. Diese Zeitung hat den engagierten Jugendlichen zu einem Interview getroffen.

Leider kam keine Diskussion zustande

FRAGE: HAST DU REAKTIONEN AUF DEINEN BLOG BEKOMMEN?
Antwort: In den Kommentaren gab es ab und zu ein Lob. Viele Kolleginnen und Kollegen haben mich auf die Texte angesprochen. Diese seien gut geschrieben und sie würden meinen Ausführungen folgen, obwohl sie sonst politisch nicht interessiert seien. Das hat mich ganz besonders gefreut. Aber allgemein gab es weniger Feedback, wie ich mir das eigentlich gewünscht hätte. Das Ziel wäre eine Diskussion gewesen, die aber leider nicht zustande kam. Die Leserzahlen an und für sich sind gut: Gemäss Klickrate wurde der Blog doch 700-mal aufgerufen, was mich positiv überrascht hat.

WAR DEIN SCHREIBEN AN DIE BEHÖRDE EINE EINMALIGE SACHE, ODER WARST DU SEITHER NOCHMAL IN KONTAKT BEZÜGLICH EINES ANLIEGENS?
Das war eine einmalige Angelegenheit. Es hat mich nichts mehr so gestört, dass ich das Bedürfnis hatte, mich erneut bei der Gemeinde direkt zu melden.

DIE VERGANGENE VOLKSABSTIMMUNG IST FÜR DICH NICHT NACH DEINEN WÜNSCHEN VERLAUFEN. SO WURDE DAS FILMGESETZ VON DEN STIMMBERECHTIGTEN ANGENOMMEN UND DEIN WUNSCHKANDIDAT, ENRIQUE CASTELAR, WURDE NICHT IN DIE SCHULBEHÖRDE GEWÄHLT – HIER IST EIN ZWEITER WAHLGANG NÖTIG. WIE ES DIR DAMIT?
Ja, ich habe mir andere Resultate erhofft. So habe ich mir das nicht gewünscht, es war aber zu erwarten.

SICHER HAST DU AUCH MITBEKOMMEN, DASS DAS ZÜRCHER STIMMVOLK DAS STIMMRECHT FÜR 16-JÄHRIGE AUF KOMMUNALER UND KANTONALER EBENE ABGELEHNT HAT, WAS SAGST DU DAZU?
Das habe ich natürlich verfolgt, sehr schade! Wäre es angenommen worden, hätte es ein Ansporn sein können, die Herabsetzung auch auf eidgenössischer Ebene in Angriff zu nehmen. Nun empfinde ich die Chance als sehr gering; bis heute dürfen Jugendliche lediglich im Kanton Glarus wenigstens auf kantonaler Ebene abstimmen.
Bei der «Lex Netflix» haben die Stimmen der jungen Leute gefehlt. Diese Resultate und die Erkenntnis daraus sind für mich Ansporn, weiter zu bloggen, zu informieren.

EIN BLICK IN DIE STATISTIK ZEIGT, DASS DAS DURCHSCHNITTSALTER IN DEN EIDGENÖSSISCHEN RÄTEN SEIT LÄNGERER ZEIT WEITGEHEND STABIL IST: 51 JAHRE IM NATIONALRAT, 56 JAHRE IM STÄNDERAT (2016). DARAN DÜRFTE SICH AUCH IN DEN LETZTEN SECHS JAHREN NICHT VIEL GEÄNDERT HABEN. WAS MÜSSTE PASSIEREN, DASS SICH MEHR JÜNGERE MENSCHEN AUFSTELLASSEN – UND VOR ALLEM, DASS SIE GEWÄHLT WÜRDEN?
In erster Linie müssten die Jungen ab 18 motiviert werden, abzustimmen. Dadurch hätten jüngere Kandidierende eine Chance, überhaupt gewählt zu werden. Sein Alter war sicher ein Grund, dass Enrique nicht in die Schulbehörde gewählt wurde – viele Wahlberechtigte hatten wahrscheinlich Bedenken, einem 22-Jährigen ihre Stimme zu geben. Ich werde auf jeden Fall meine Arbeit fortsetzen und versuchen, möglichst viele meiner Kollegen zu motivieren, ihre politischen Chancen – sobald möglich – wahrzunehmen.

Ein politisches Amt wäre vorstellbar

WAS MÜSSTE PASSIEREN, DASS GENERELL MEHR STIMMBERECHTIGTE AN DIE URNEN GEHEN, SOWOHL AUF EIDGENÖSSISCHER ALS AUCH AUF KANTONALER ODER GEMEINDEEBENE?
Sie müssten sich besser informieren. Die Informationen der Behörden zu anstehenden Wahlen und Abstimmungen – oder generell über politische Anliegen – müssten weniger hochgestochen formuliert sein. Einfacher und spannender aufbereitet. Versteht man nicht, was geschrieben steht, befasst man sich nicht damit. Auch die Schule könnte mehr unternehmen. Politische Bildung in der Oberstufe wäre wichtig. Ausgewogen und neutral – nicht nur ein Auswendiglernen der einzelnen Bundesräte – und auch nicht ein Übernehmen der politischen Ansichten der jeweiligen Lehrperson, sondern eine ausgewogene Information über die Prozesse einer direkten Demokratie mit praktischen Beispielen. Da besteht Handlungsbedarf.

BIST DU BEREITS IN EINER JUNGPARTEI ENGAGIERT?
Ich durfte Enrique Castelar an die Parteiversammlung der Jungfreisinnigen Thurgau begleiten, was sehr spannend war. Aber beitreten möchte ich im Moment aus zeitlichen Gründen nicht, weil ich demnächst in die informatikmittelschule eintrete. Sehe ich dann, dass es von der Zeit her möglich ist, kann ich mir durchaus vorstellen, mich politisch zu engagieren.

KANNST DU DIR VORSTELLEN, SELBER FÜR EIN POLITISCHES AMT ZU KANDIDIEREN?
Ja, das könnte ich mir sehr gut vorstellen. Vielleicht dereinst sogar für die Schulbehörde, da sehe ich doch das eine oder andere, das ich gerne ändern würde.

WAS HAST DU SONST FÜR PLÄNE IM LEBEN – BERUFLICH UND POLITISCH?
Nach den Sommerferien trete ich in die Informatikmittelschule der Kantonsschule in Frauenfeld ein. Danach möchte ich Wirtschaftsinformatik studieren; und dann natürlich eine gute Stelle finden und arbeiten. Politisches Engagement würde nebenher laufen, vielleicht auch eine Kandidatur für ein Amt. Aber konkrete Pläne habe ich da noch keine. Vorerst schreibe ich noch meinen Politblog weiter.

Die «Elgger/Aadorfer Zeitung » bedankt sich für das Interview und wünscht Odin Altwegg alles Gute für seine Zukunft und würde sich freuen, ihn zu einem späteren Zeitpunkt auf der einen oder anderen politischen Bühne erneut zu befragen.

MARIANNE BURGENER


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