Nicht einverstanden mit Regierungsrat Neukom
18.07.2023 OberschneitDie letzte Gemeindeversammlung Hagenbuchs im Mai verlangte einen Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Wohngebäuden und Windkraftanlagen, was nun in der revidierten Bau- und Zonenordnung (BZO) festgehalten wird. Dies, nachdem SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer mit einer ...
Die letzte Gemeindeversammlung Hagenbuchs im Mai verlangte einen Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Wohngebäuden und Windkraftanlagen, was nun in der revidierten Bau- und Zonenordnung (BZO) festgehalten wird. Dies, nachdem SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer mit einer Einzelinitiative an den Gemeinderat gelangte. In einem Tamedia-Interview sagte Regierungsrat Martin Neukom von den Grünen, dass Hagenbuch damit seine Kompetenzen überschreitet. Nachdem sich in den letzten beiden Ausgaben Ruth Büchi-Vögeli und Rolf Sturzenegger zu den Bedenken der Gemeinden äusserten, nimmt heute die ehemalige Gemeindepräsidentin Hagenbuchs im Interview Stellung zum Thema:
REGIERUNGSRAT NEUKOM VERTRITT DIE ANSICHT, DASS HAGENBUCH MIT DER ABSTANDSREGELUNG (1000M) SEINE KOMPETENZEN ÜBERSCHREITET. ABSTANDSREGELN ZU BAUTEN AUSSERHALB DER BAUZONE SEIEN NICHT BESTANDTEIL DES KANTONALEN PLANUNGS- UND BAUGESETZES (PGB), UND SOMIT NICHT ZULÄSSIG. WAS SAGEN DAZU?
Die Abstandsregelung ist keine Kompetenzüberschreitung, denn im Bundesgerichtsurteil zum Fall Tramelan steht Folgendes in der Begründung: «Soweit die Errichtung solcher Anlagen jedoch keiner bundesrechtlichen Verpflichtung entspricht, kann die Anwendung kommunaler Planungsvorschriften, die insbesondere dem Schutz der Einwohner dienen, nicht von vornherein abgelehnt werden.» Es geht dem Bundesgericht um den Schutz der Einwohner, also ist das auch im Kanton Zürich gültig.
Zudem gab es zum Zeitpunkt, als das PBG geschrieben wurde – falls damals überhaupt industrielle Windkraftanlagen existierten – sicher keine so hohen (bis 280m), die Sicherheit der Einwohner gefährdenden Anlagen wie heute. Nur in wenigen kantonalen Gesetzen findet man das Wort Windkraft. Wenn Neukom eine Deponie mit solchen Windkraftanlagen vergleicht, liegt er gleich mehrfach falsch:
• Eine Deponie wird geplant und ist untermauert mit scharfen Vorschriften.
Vor allem bergen diese keine gefährlichen Risiken mit plötzlicher Todesgefahr.
• Für Deponien müssen in aller Regel keine Bäume gefällt werden.
Zur Anwendung kommen könnte auch Paragraf 75 des kantonalen PBG: «Die Bau- und Zonenordnung kann für im Zonenplan bezeichnete Lagen Anordnungen treffen, welche die Aussicht oder die Sicht auf besondere Geländeformen sichern.» Auch die Kantonsverfassung hält den Kanton an, den Gemeinden grösstmögliche Autonomie zu gewähren:
• Artikel 1, Absatz 4: Der Kanton anerkennt die Selbstständigkeit der Gemeinden.
• Artikel 85, Absatz 1: Die Gemeinden regeln ihre Angelegenheiten selbstständig. Das kantonale Recht gewährt ihnen möglichst weiten Handlungsspielraum.
• Artikel 85, Absatz 2: Der Kanton berücksichtigt die möglichen Auswirkungen seines Handelns auf die Gemeinden, die Städte und auf die Agglomerationen.
Dies ist eine erste Einschätzung meinerseits. Ich werde in den nächsten Wochen mit dem Verein «Freie Landschaft Zürich» juristische Abklärungen vornehmen.
Beunruhigt über das Vorgehen
IMMER HÄUFIGER ARGUMENTIEREN BUND UND KANTONE MIT ÜBERGEORDNETEM RECHT/INTERESSE, UM GEMEINDEN UND VOLK AUSZUHEBELN. WIE PROBLEMATISCH SEHEN SIE DAS UND WIE KÖNNTE DEM EINHALT GEBOTEN WERDEN?
Hier sprechen Sie einen ganz wichtigen Punkt an, welchen ich ebenfalls mit zunehmender Beunruhigung feststelle. Seit ich im Gemeinderat war, ist die Tendenz gross, den Gemeinden mit unterschiedlichen Vorgehensweisen einen Entscheidungsspielraum wegzunehmen. Am liebsten hätten einige Regierungsräte die Entscheidungsgewalt bei sich. Vor allem kleine Gemeinden werden als «hinterwäldlerisch» und «dumm» dargestellt. Folgendes wäre auf kantonaler Ebene zu tun, um Abhilfe zu schaffen:
• Die Beamtenzahl ist zu reduzieren, dann gibt es weniger solcher Erlasse.
• Es dürfen nur neue Gesetze erlassen werden, wenn die Kostenfolgen (Regulierungsfolgenabschätzung) feststehen.
Ab gewissen Kosten muss das Gesetz zwingend dem Volk vorgelegt werden.
• Ein Bezirks- mehr im Kanton könnte in Betracht gezogen werden.
Auch auf Bundesebene stelle ich solches Vorgehen immer wieder fest. Das Parlament und die Bürger sollen umgangen werden. Beispiele dafür sind der UNO-Migrationspakt, WHO-Pandemievertrag und als neustes Beispiel der «Sky Shield» von Bundesrätin Viola Amherd. Seit Corona und der Anwendung des Notrechts hat solches Vorgehen zugenommen.
Abschliessend teilt Therese Schläpfer noch mit: «Dass Regierungsrat Martin Neukom jetzt behauptet, die Festlegung von Mindestabständen durch die Gemeinden seien gemäss zürcherischer Gesetzgebung gar nicht zulässig, war zu erwarten. Jeder bringt sich jetzt in Position.» Gerade darum seien Einzelinitiativen jetzt wichtig. Entschieden werde viel später im Kampf um die Öffentlichkeit und in den Gerichtssälen. Eine weitere Frage in diesem Zusammenhang sei zudem, wie weit der windkraftbegeisterte Neukom gehen könne, denn ein Entscheid des Gesamtregierungsrates liege noch nicht vor.
Sie freue sich hingegen, dass der Gemeinderat Hagenbuch, gemäss Interview mit Rolf Sturzenegger in der letzten Ausgabe dieser Zeitung, den Volksentscheid akzeptiere und umsetze. Es sei ihr wichtig, dass in dieser Gelegenheit vorwärts gemacht wird. Wie sie informiert worden sei, könne die überarbeitete BZO bestenfalls an der Gemeindeversammlung vom 22. November zur Abstimmung vorgelegt werden.
TEXT UND INTERVIEW: RENÉ FISCHER
Die andere Sicht
Die Gemeinden Elgg und Hagenbuch sowie die Initiantin der Einzelinitiative konnten in den letzten drei Ausgaben Stellung beziehen und ihre Sicht der Dinge darlegen. Die «Elgger/Aadorfer Zeitung» möchte diese Gelegenheit auch den Befürwortern von Windkraftanlagen auf Gemeindegebiet Elgg und/oder Hagenbuch geben. Wer also bereit ist, der Redaktion ein paar Fragen zum Thema zu beantworten, darf sich gerne melden unter:
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