Mitreden, mittragen, mitentscheiden – wer macht mit?
31.05.2025 ElggIn weniger als einem Jahr wählt Elgg neu. Gemeinderat, Schulpflege, Sportkommission, Sozialbehörde – um nur einige aufzuzählen. Doch wer tut sich das heute noch freiwillig an? Ein Ehrenamt oder doch eher ein vierjähriger Albtraum?
Am 8. März ...
In weniger als einem Jahr wählt Elgg neu. Gemeinderat, Schulpflege, Sportkommission, Sozialbehörde – um nur einige aufzuzählen. Doch wer tut sich das heute noch freiwillig an? Ein Ehrenamt oder doch eher ein vierjähriger Albtraum?
Am 8. März 2026 stehen in Elgg die nächsten kommunalen Behördenwahlen an. Bereits heute zeigt sich: Es wird zunehmend schwieriger, Menschen für eine Kandidatur zu begeistern. Wie können mehr Elggerinnen und Elgger motiviert werden, sich zu engagieren? Dies war das Thema des jüngsten Dorfpalavers im Kultursaal Bärenhof, organisiert vom Dorfverein. «Was braucht es für ein Behördenamt und wer stellt sich heute noch zur Verfügung?» Mit dieser Frage eröffnete Gesprächsmoderatorin, Ex-Gemeinderätin und Mitglied der Interparteilichen Konferenz (IPK) Barbara Fehr die Diskussion. Zuvor hatte sie aufgezählt, welche kommunalen Gremien besetzt werden müssen: Gemeinderat, Energiekommission, Grundstückgewinnsteuer-, Jugend-, Naturschutz-, Forst- und Landwirtschaftskommission bis hin zum Wahlbüro mit 20 Personen sowie Kirchen- und Schulpflege. Insgesamt seien rund 70 Freiwillige nötig, einige würden vom Volk, andere vom Gemeinderat gewählt.
Gefragt sei in erster Linie nicht Fachwissen, sondern: «Liebe zum Dorf», wie es eine Teilnehmerin formulierte. Hinzu kommen Teamfähigkeit, die Bereitschaft zu lernen und die Fähigkeit, Kompromisse einzugehen. Wichtig sei aber auch eine realistische Einschätzung: «Das ist Arbeit, kein Plausch», wurde mehrfach betont. Ehrlichkeit, Konsensfähigkeit und ein konstruktiver Umgang mit unterschiedlichen Interessen seien im politischen Alltag entscheidend; Brückenbauer seien gesucht.
Ein Behördenmandat ist kein Hort für Reichtum
«Ist so ein Amt überhaupt attraktiv, warum tut man sich das an?», fragte die Moderatorin leicht provozierend ins Rund. Gemeinderätin Stephanie Hugentoblers Antwort liess keinen Zweifel: «Für mich ist das Amt attraktiv. Ich stelle mich nächstes Jahr gerne der Wiederwahl.» Auch andere Behördenmitglieder betonten, wie viel sie in ihrer Amtszeit gelernt und wie stark sie sich persönlich weiterentwickelt hätten. Gleichzeitig ist allen bewusst: Zeit ist der entscheidende Faktor und oft die grösste Hürde. «Der Aufwand ist höher als das Pensum, für das man entschädigt wird», sagte Bettina Brennwald aus der Sekundarschulpflege und «die Sitzungen finden teils tagsüber statt, da braucht es Arbeitgeber, die mitziehen.» Gemeindepräsidentin Ruth Büchi-Vögeli rechtfertigte die Höhe der Entschädigung; die sei gut und biete die Möglichkeit, das Berufspensum etwas zu reduzieren. «Wir werden für ein 25 Prozent Pensum entschädigt und je nach Position fällt der Betrag in die Pensionskassenpflicht.» Dass ein Mandat in einer Behörde nicht reich macht, darüber war man sich einig. «Der Wunsch, mitzugestalten, muss grösser sein als das Interesse am Geldverdienen», das einhellige Fazit.
Ein Faktor, der vor einer Bewerbung abhalten könne, sei die Problematik, dass man heutzutage schneller angefeindet werde, gab Martin Gisler von der Kirchenpflege der reformierten Kirche Eulachtal zu bedenken. Thomas Heierli ergänzte, dass auch das schlechte Image, das Politiker oft hätten, abschrecken könnte.
Reizvolle Aufgaben aber wenig Interesse
Attraktiv sei die Mitbestimmung, wofür das Budget eingesetzt wird auch wenn oft kritisiert werde, dass man nur gerade über 10 Prozent verfügen könne, der Rest seien gebundene Ausgaben. «Also ich bin froh, habe ich mich um den kleineren Ausgabenteil zu kümmern und der erhebliche Rest ist geregelt, andersrum wäre nicht zu bewältigen», sagte Hugentobler und erntete dafür einige Schmunzler. Die Wünsche für Projekte in ihrem Ressort Forst, Freizeit und Natur, oder wie sie sagt «Spiel und Spass» seien ohnehin endlos. «Eine Amtsausübung ist ein grosser Lernprozess», blickte Barbara Fehr auf die eigene politische Karriere zurück, eine Aussage, die Gemeindepräsidentin Büchi-Vögeli und weitere Behördenmitglieder teilten und bestätigten: «Man taucht in Themengebiete ein, die einem sonst verschlossen bleiben, lernt stets dazu und macht Bekanntschaft mit interessanten Leuten.» Trotzdem, die Gründe dafür, dass es immer schwieriger wird, Menschen für ein Amt zu gewinnen, seien vielfältig. Viele potenzielle Kandidaten hätten Vorbehalte: zu wenig Zeit, Angst vor öffentlicher Kritik, Sorge vor Überforderung oder schlicht kein Interesse. Besonders junge Erwachsene sind kaum zu erreichen, ihnen fehle oft schlicht der Bezug zu den Prozessen in einer Gemeinde und zur Politik, so Roman Rütsche, Vorstandsmitglied der SP Elgg. «Unter 30 fehlt sowieso oft die Führungserfahrung und das Durchsetzungsvermögen», relativierte Hugentobler fehlende Jungmitglieder. Ältere hingegen würden sich ein Amt vielleicht nicht mehr zutrauen oder wollten einem Jüngeren den Platz nicht streitig machen.
Auch das politische Umfeld habe sich verändert. Parteien, die früher Mitglieder rekrutierten und unterstützten, verlören an Bedeutung. «Wer parteilos ist, bleibt oft unter dem Radar», wurde festgestellt. Gleichzeitig sei die Komplexität der Arbeit in den letzten Jahrzehnten massiv gestiegen. «Früher reichte ein A4-Blatt für ein Protokoll», erzählte Bernhard Egg, dessen Grossvater während 20 Jahren Gemeinderat in Hofstetten war.
Die 4000 Unsichtbaren müssen erreicht werden
Als möglicher Einstieg in die Behördenarbeit bieten sich die Kommissionen an. Dort bringen sich Fachpersonen und Vereinsmitglieder mit ihrem Wissen aus den verschiedensten Bereichen der Gemeinde ein. Diese Strukturen hätten sich bewährt, waren sich viele einig. «Man lernt zuerst mit, bevor man ganz vorne steht», erklärte die Gemeindepräsidentin, die ebenfalls diesen Weg gewählt hatte. Und: Die Kommissionen würden gehört, ihre Vorschläge seien bedeutend für die Entscheidungsfindung. In diesem Zusammenhang wurde die Notwendigkeit der grossen Fülle an Kommissionen diskutiert – etwas, worüber im Gemeindehaus aktuell tatsächlich beraten werde.
Trotz dieser guten Einstiegsmöglichkeiten müssten neue Wege gefunden werden, um mehr Menschen für Mandate zu gewinnen. Im Zentrum stand dabei die Frage, wie man die bereits früher thematisierten «4000 unsichtbaren Elggerinnen und Elgger» erreichen kann. Jene also, die man kaum oder nie an Veranstaltungen antrifft. Neben Flyer-Aktionen oder Videos auf Social Media wurde die Idee einer Tischmesse als besonders vielversprechend bewertet: Jede Behörde hätte dabei einen Tisch mit Unterlagen und Ansprechpersonen, ähnlich wie an einer Berufswahlmesse. «Viele wissen gar nicht, was ein Amt bedeutet und was nicht», sagte dazu Barbara Fehr. Eine öffentliche Vorstellung könnte hier Abhilfe schaffen. Wichtig sei, ehrlich über Aufwand und Aufgaben zu informieren – ohne zu beschönigen, aber auch ohne zu erschrecken.
Trotz aller Herausforderungen war beim Dorfgespräch eines spürbar: In Elgg gibt es nach wie vor Menschen, die bereit sind, sich zu engagieren; für die Gemeinde, für ihre Mitmenschen, für die Zukunft. «Wir stellen super Feste auf die Beine und finden immer Helfer, das ist nicht selbstverständlich», betonte Bernhard Egg. Auch wenn ein Amt über vier Jahre dauert und nicht mit einem Fest vergleichbar ist: Die Bereitschaft, mitzugestalten sei da. Jetzt gelte es, Wege zu finden, um neue Gesichter für die Mitwirkung in einer Behörde zu begeistern. Sabine Stindt Rhiner ergänzte: «Ein Amt innezuhaben, bereitet schliesslich auch grossen Spass!»
MARIANNE BURGENER