Mit Kunst für den Frieden
14.06.2022 AadorfUnter diesem Titel stellt die Aadorfer Künstlerin Galya Stauffacher eine Ausstellung mit Werken von sich und anderen Kunstschaffenden auf die Beine. Der Erlös soll der unter dem Krieg notleidenden Bevölkerung in der Ukraine zukommen; der einen Heimat der Veranstalterin.
Galya Stauffacher engagiert sich nicht nur als Künstlerin für das Heimatland ihres Vaters. Zu Beginn des Konflikts fuhr sie fast täglich nach Zürich, um bei der Koordination mit den Spenden zu helfen und sammelte selbst aktiv Güter. Aktuell unterstützt sie die Gemeinde Aadorf als Übersetzerin, um die Kommunikation zwischen Behörden und Geflüchteten zu erleichtern. In den ersten Kriegstagen war sie wie in einer Schockstarre gefangen, gelähmt von der Angst und Sorge um ihre Angehörigen. Dann packte sie der Wille, etwas zu tun, sagt eine sichtlich mitgenommene Stauffacher.
Als Initialzündung für die geplante Ausstellung nennt sie die Begegnung mit Beata Schmid, der Organisatorin des Ukraine-Benefizkonzerts im Mai. Im Gespräch fand Stauffacher den Mut und vor allem die Kraft, wieder zu malen und zudem den Anlass auf die Beine zu stellen. Zu sehen werden nicht nur ihre Werke sein, sondern solche von mehreren lokalen Künstlern, wie etwa dem Aadorfer Bildhauer Armin Meier, Ester Toedtli, die gebürtige Französin Colette Prautois, die ihr Atelier ebenfalls in Aadorf hat, sowie Fabian Zwicker und Björn Bless. Als perfekter Ort hat sich der Hänkiturm angeboten, in dessen Umfeld einige der Künstler arbeiten. Musikalisch begleitet wird die Ausstellung durch Martina Frank am Klavier und einem Chor von jungen Ukrainerinnen, die zurzeit hier leben. Sie habe sie einfach alle angefragt, ob sie mitmachen möchten, erzählt Stauffacher. «Natürlich gibt es keine Garantie, dass ein Kunstwerk verkauft wird. Aber trotzdem waren alle bereit, das Vorhaben zu unterstützen. Vielleicht wird sogar eine ukrainische Künstlerin vor Ort sein, aber das ist noch sehr unsicher», führt sie weiter aus.
Lebensmittelkäufe für die Ärmsten
Der grösste Teil des Erlöses wird direkt in ein konkretes Projekt in Kiew fliessen, das durch eine Freundin ihrer – nach wie vor in der Stadt lebenden – Schwester betrieben wird. Diese kocht in einem geschlossenen Restaurant seit den ersten Kriegstagen. Eine gesamte Küchenbrigade steht täglich hinter dem Herd und kreiert ganze Menüs, die dann verpackt und mit Autos in die zerbombten und komplett zerstörten Vorstädte im Umland der Hauptstadt gebracht und verteilt werden. Dort werden die Mahlzeiten von Menschen, die alles verloren haben, sehnlichst erwartet – darunter viele Alte, die nicht flüchten wollten oder konnten. Über die sozialen Medien verfolgt Galya Stauffacher das Projekt. Sie erzählt, dass täglich fremde Menschen vorbeibringen würden, was sie entbehren könnten: einen Sack Zwiebeln, ein Netz Kartoffeln – oder eben, mit Spendengeld gekaufte Lebensmittel. Zur Veranschaulichung zeigt sie Videos, die sie von der Schwester jeden Tag zugeschickt bekommt. Demgegenüber wirkt der Blick aus dem Atelier im Hänkiturm geradezu grotesk. Stauffacher betont ausdrücklich, dass sowohl die Gemeinde wie auch andere Institutionen und Leute aus ihrem beruflichen und privaten Umfeld sie bei der Durchführung des Events grosszügig unterstützen würden.
Schreckliche Geschehnisse als Kraftquelle
Angesprochen auf ihre Familie wirkt die zierliche Frau noch verletzlicher. Die Mutter sei vor einem halben Jahr gestorben. Ihre Schwester wolle weder Stadt noch Land verlassen, wegen ihrer Söhne und ihres Mannes, die nicht ausreisen dürften. Sie hätten täglich Kontakt und die Schwester zeige Bilder und Videos vom Geschehen – sie könne manchmal Raketen und Explosionen aus ihrer Wohnung im 15. Stockwerk beobachten. Ebenso wohnt eine Nichte in Kiew und ein Cousin in Odessa. Galya Stauffachers Wurzeln liegen zur Hälfte in der Ukraine (ihr Vater stammte von der Krim) und zur Hälfte in Moldawien, der Heimat ihrer Mutter. Das Land sieht sich durch den Angriff ebenfalls bedroht. Die Nichte sei zwar drei Monate bei ihr in Aadorf gewesen, aber aus Heimweh nach Familie und Freunden wieder nach Kiew zurückgekehrt.
Auch wenn eine gewisse Müdigkeit gegenüber dem Thema Ukrainekrieg zu spüren wäre, sei es doch bewegend, wie die Schweizer sich engagieren und Anteil nehmen, sagt sie. Sie sei immer wieder überrascht, wie grosszügig und grossherzig die Menschen in diesem Land den Fremden begegnen würden. Sie erzählt von Spendensammlungen, die von organisationen auf die Beine gestellt wurden, welche nun regelmässig Güter in den Osten liefern. Und sie spricht von ihrer Begegnung mit der Aadorfer Firma Procamed, die mehrere voll ausgestattete Rettungsfahrzeuge in die Ukraine gebracht hätte.
Die Dankbarkeit ist ihr anzumerken, während sie redet, und es ist spürbar, dass Stauffacher auch die Schweiz, in der sie seit 17 Jahren lebt, als sozusagen dritte Heimat ins Herz geschlossen hat. Trotz der vielen schwierigen Momente sagt sie: «Die schrecklichen Geschehnisse des Krieges haben in mir eine grosse Energie freigesetzt. Ich will und muss einfach etwas machen.»
MARIANNE BURGENER
Ausstellung
Die Kunstausstellung zugunsten der Ukraine findet statt im Hänkiturm Aadorf am:
• Freitag, 17. Juni, 18 bis 22 Uhr
• Samstag, 18. Juni, 14 bis 18 Uhr Der Eintritt ist frei, der Erlös wird gespendet.