Milchbranche setzt auf Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit
04.06.2024 RegionDas Projekt «Klimastar Milch» vereint Milchproduzenten, Emmi und Nestlé sowie die Forschung, um die Produktion klimafreundlicher zu machen. Ziel ist es, bis 2027 Treibhausgasemissionen und Nahrungsmittelkonkurrenz um 20 Prozent zu senken. Erste Erfolge sind ...
Das Projekt «Klimastar Milch» vereint Milchproduzenten, Emmi und Nestlé sowie die Forschung, um die Produktion klimafreundlicher zu machen. Ziel ist es, bis 2027 Treibhausgasemissionen und Nahrungsmittelkonkurrenz um 20 Prozent zu senken. Erste Erfolge sind vielversprechend, doch die Ziele bleiben herausfordernd.
Das Projekt «Klimastar Milch», gestartet im Jahr 2022, ist eine branchenübergreifende Initiative, die darauf abzielt, die Milchproduktion in der Schweiz klimafreundlicher und ressourceneffizienter zu gestalten. Verschiedene Akteure der Milchbranche, darunter Produzentinnen und Produzenten, die Organisationen der Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) und Aaremilch AG, die Milchverarbeiterinnen Emmi und Nestlé sowie die Beratungsplattform Agrocleantech, arbeiten gemeinsam daran. Und auch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) unterstützt das Projekt im Rahmen des Ressourcenprogramms. So trägt der Bund rund 80 Prozent der insgesamt 19,5 Millionen Franken Projektkosten.
Auf dem Betrieb von Landwirt Pascal Bühlmann im luzernischen Rothenburg präsentierte die Allianz diese Woche nun die Zwischenergebnisse der ersten beiden Jahre und zeigte sich höchst erfreut.
Ambitionierte Ziele und erste Erfolge
André Bernet, Mitglied der Geschäftsleitung der ZMP, hob hervor, dass die Schweiz als Graslandland optimale Voraussetzungen für die Milchproduktion bietet und betont: «Trotz eines bereits niedrigen CO2-Fussabdrucks der Schweizer Milch im internationalen Vergleich, ist das kein Grund zum Nichtstun – im Gegenteil.» Das Projekt verfolgt zwei ambitionierte Ziele: Die knapp 230 mitmachenden Schweizer Landwirtschaftsbetriebe streben bis 2027 gemeinsam die Reduktion der Treibhausgasemissionen aus der Milchproduktion um 20 Prozent und die Verringerung der Nahrungsmittel- und Flächenkonkurrenz ebenfalls um deren 20 an.
«Es freut uns sehr, dass es den Betrieben gelungen ist, in den ersten zwei Jahren die Treibhausgasemissionen durchschnittlich um 4,9 Prozent zu reduzieren», berichtete Bernet. Dabei sei unter anderem an der Fütterung der Kühe, dem Herdenmanagement, der Nutzung von Hofdünger und der Energieversorgung angesetzt worden. Ein weiterer Fokus liegt auf der Reduktion der Nahrungsmittelkonkurrenz, etwa durch den Einsatz von Resten aus der Lebensmittelproduktion für die Fütterung der Milchkühe anstelle für den Menschen ebenfalls geeigneten Nahrungsmitteln. Dort konnte in den ersten beiden Projektjahren sogar eine durchschnittliche Reduktion von 19,7 Prozent erzielt werden. «Bei der Nahrungsmittelkonkurrenz haben wir die Ziele bereits mehr oder weniger erreicht – allerdings sind diese einfacher umzusetzen», erklärte Bernet.
Gemeinsam für eine nachhaltige Landwirtschaft
Christian Hofer, BLW-Direktor, unterstrich die Bedeutung der Zusammenarbeit aller Beteiligten: «Wenn wir eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft wollen, dann kann das nicht ein Akteur allein, das müssen wir gemeinsam machen.» Und trotz ihrer üblichen Konkurrenz in der Branche haben sich Emmi und Nestlé dazu entschieden, ihre Kräfte zu bündeln.
Marc Heim, Mitglied der Emmi-Konzernleitung und Stellvertreter des CEO, betonte: «Es reicht, wenn wir uns auf dem Markt konkurrenzieren, aber ich denke, betreffend Klimaschutz darf man das nicht – da müssen und wollen wir zusammenarbeiten. Und wir machen das sehr gut, versuchen die Ziele des Projekts gemeinsam zu erreichen.» Auch Eugenio Simioni, CEO von Nestlé Schweiz, unterstrich die Bedeutung dieser Zusammenarbeit: «Nachhaltigkeit und insbesondere eine nachhaltige und regenerative Landwirtschaft sind ein zentrales Kernthema für Nestlé. Wir verfolgen weltweit eine entsprechende Strategie und haben vor rund drei Jahren eine Netto-Null-Roadmap lanciert, welche für uns und die ganze Lieferkette Ziele vorgibt.» Er hob weiter hervor, dass die Zusammenarbeit entlang der gesamten Produktionskette, von der Milchproduktion bis zur Verarbeitung, unverzichtbar sei, um bei Agrarrohstoffen signifikante Fortschritte zu erzielen.
Motivation und Engagement der Milchproduzenten
Die Herausforderung, die ganze Kette, einschliesslich der Milchproduzentinnen, zur Teilnahme zu motivieren, ist aber nicht zu unterschätzen. Thomas Grüter, Landwirt und Präsident der ZMP, erklärte: «Wir haben heute gehört, was die Erwartungen an die ganze Nachhaltigkeit sind, wo die Landwirtschaft steht und wir mit unserem Milchvieh stehen. So können auch wir einen grossen Teil dazu beitragen und wollen uns eben nicht beitragen lassen, sondern aktiv dabei sein und unseren Beitrag zur Nachhaltigkeit und CO2-Reduktion leisten.» Für ihn ist es essenziell, den aktuellen Stand der Landwirtschaft zu kennen, um weitere Fortschritte zu machen und die Richtung für zukünftige Entwicklungen zu bestimmen.
Ruedi Bigler, Landwirt und Präsident der Aaremilch AG, sieht in der klimafreundlichen Produktion auch eine wirtschaftliche Chance. «Klimaschonend unterwegs sein, heisst auch effizient unterwegs sein», erklärte er und ergänzte: «Das heisst, mit möglichst wenig Ressourcen möglichst viel Nahrungsmittel produzieren. Das ist ja eine spannende Kombination für jeden Betrieb. Wenn wir wenig Ressourcen brauchen, um etwas zu produzieren, ist das auch wirtschaftlich interessant. Deswegen sind wir dabei, um besser zu werden.»
Innovative Ansätze und Herausforderungen
Das Projekt «Klimastar Milch» verfolge insofern innovative Ansätze, weil es die Reduktion von Treibhausgasen mit der Minimierung der Nahrungsmittel- und Flächenkonkurrenz verbinde, betonte BLW-Direktor Christian Hofer. Dies sei essenziell für die zukünftige Sicherstellung der Ernährungssicherheit. «Die Kombination dieser beiden Ziele ist aber auch eine Herausforderung für die Betriebe», räumte Christian Müller, Head of Milk Procurement and Environmental Sustainability bei Nestlé Schweiz, ein und Peter Meier, Leiter Milchbeschaffung bei Emmi ergänzte: «Und auch die jeweils angestrebte Reduktion von 20 Prozent ist ambitiös, denn im Vergleich zum Ausland hat die Schweiz ja bereits tiefe Werte. Je tiefer diese sind, desto schwieriger wirds.» Genau das mache «Klimastar Milch» aber zum Pionierprojekt.
Der Allianz ist es ein grosses Anliegen, dass die bisherigen Erkenntnisse aus dem Projekt auf nationaler Ebene umgesetzt werden und die gesamte Milchbranche davon profitieren kann. Ein erster Schritt ist der Entscheid der Branchenorganisation Milch, den für das Projekt genutzten Klimarechner flächendeckend einzusetzen. «Das Projekt leistet wichtige Vorarbeit für eine breitere Anwendung und das war uns immer sehr wichtig», so André Bernet von der ZMP. Die gesammelten Daten und Erkenntnisse sollen dabei helfen, die Agrarpolitik weiterzuentwickeln und praxisorientierte Lösungen zu finden, die auch über die Schweizer Grenzen hinaus ausstrahlen können.
RENATE HODEL
Zum Projekt
«Klimastar Milch» ist ein Projekt der Aaremilch, Emmi Schweiz, Nestlé Suisse, der Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP und Agrocleantech mit finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Landwirtschaft, durchgeführt mit Unterstützung des landwirtschaftlichen Zentrums Liebegg (AG), des landwirtschaftlichen Kompetenzzentrums Inforama (BE), des Berufsbildungszentrums für Natur und Ernährung (LU), der Berner Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften sowie Agrofutura. So wird das Projekt wissenschaftlich von der HAFL begleitet und finanziell vom Bundesamt für Landwirtschaft unterstützt. Es umfasst 15 Organisationen und mehr als 30 Mitarbeitende.