Meine künstlerische Tätigkeit ist die beste Medizin
31.05.2025 AadorfDer begnadete Bildhauer Armin Meier ist das beste Beispiel dafür, dass es sich auch in Krisenzeiten lohnt, für seine Anliegen und für sein Leben zu kämpfen. Unvergesslich bleibt ihm seine Reise nach Paris, wo er in der «Fondation Taylor» eines seiner ...
Der begnadete Bildhauer Armin Meier ist das beste Beispiel dafür, dass es sich auch in Krisenzeiten lohnt, für seine Anliegen und für sein Leben zu kämpfen. Unvergesslich bleibt ihm seine Reise nach Paris, wo er in der «Fondation Taylor» eines seiner eindrücklichen Werke ausstellen durfte.
Armin Meier macht keine einfachen Zeiten durch. Nicht nur eine schwere Krankheit macht ihm zu schaffen, wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf ihn auch der unerwartete Auszug aus seiner Wohnung im Sulzerhof. Kein einfacher Prozess nach 22 Jahren, meint er nachdenklich. «Meine geliebte Werkstatt, wo ich im Tiefdruck sowie mit Skulpturen arbeite, befindet sich aber weiterhin im Erdgeschoss des Hänkiturms», erzählt der bescheiden gebliebene Künstler. In Winterthur, wo er nun wohnt, gefalle es ihm gut. Wenn es ihm dort zu laut werde, schlafe er in Aadorf in seiner geräumigen Werkstatt, lacht der als Bäckerssohn in Zürich aufgewachsene Bildhauer. Im Familienbetrieb habe er frühmorgens Brot ausgetragen und viel in der Backstube gearbeitet. Vermutlich habe ihn das prägende Erlebnis des «Brotteig-Aufgehens» später in die Kunst geführt, schmunzelt der 82-Jährige, der sich später mit der eigenen Familie mit zwei Söhnen in Winterthur-Töss niederliess. Dass auch seine Söhne und eine Schwiegertochter heute erfolgreich im künstlerischen Bereich tätig sind, freut ihn besonders.
Leidenschaft und Passion
Nach seiner Ausbildung zum Zeichenlehrer KGSZ unterrichtete Armin Meier an verschiedenen Mittelschulen und später als Hauptlehrer für bildnerisches Gestalten an der Kantonsschule Stadelhofen in Zürich. Auch an der Bildhauerschule Müllheim und an der Kunstfachklasse im Atelier Mazenauer in Wigoltingen gab er Unterricht. Seit 1994 arbeitet der Künstler im eigenen Atelier in Aadorf. Als freischaffender Künstler beschäftigt sich Meier gleichzeitig mit der Bildhauerei, der Druckgrafik sowie der Malerei. Ein kleines Unterrichtspensum in der Erwachsenenbildung hat er sich beibehalten. Unmittelbar vor seiner Werkstatt, inmitten einer wunderbaren Naturlandschaft mit blühenden Bäumen und grünen Wiesen stehen seine Steinskulpturen, wunderschöne Köpfe, mit oder ohne Nasen und dennoch mit einer enormen Ausstrahlung. Von antiken Marmorköpfen, bei welchen die Gesichtszüge zugunsten der oft aufs Elementarste reduzierten Kopfform verschwunden sind, liess er sich in Griechenland inspirieren. Porträts würde er nie machen, sagt er. Als grosses Vorbild bringt er den Schweizer Bildhauer Hans Josephsohn ins Spiel, der sich zeitlebens mit der Darstellung des Menschen als Figur im Raum auseinandersetzte. «Zeichne Antonio, zeichne und verliere keine Zeit, habe Mut Andreas, die Freude wird genug sein», das Zitat von Michelangelo an seine Schüler begleitet Armin Meier durchs Leben.
Hänkiturm-Werkstatt als zweite Heimat
Armin Meier ist fast täglich in seiner geliebten Werkstatt anzutreffen. Sandstein, Marmor oder Stein werden hier professionell und mit grossem Herzblut verarbeitet. «Meine Arbeit in der Skulpturenarbeit wie im Tiefdruck ist meine beste Medizin», sagt der begnadete Künstler, der mit seinen Arbeiten tief beeindruckt. Stolz führt er die Schreibende durch sein grosses Kunstwirken. Vor kurzem habe er hier mit sechs bekannten Kursteilnehmern im Tiefdruck «Ätzprozesse» durchgeführt, erzählt er. In seiner beruflichen Tätigkeit habe er seine Berufung gefunden, eine Leidenschaft und Passion, welcher er auch heute noch gern nachgeht. In seiner schwierigsten Zeit mit dem Umzug nach Winterthur, seiner schweren Krankheit, die ihn immer wieder herausfordert, sei der Tiefdruck, den er heute vorwiegend ausübt, seine Rettung gewesen, sagt er lächelnd. Mit ausführlichen Beschreibungen seiner anspruchsvollen Tätigkeit führte der sympathische Protagonist durch seine Werkstatt. Lebhaft erzählt er über die verschiedenen Prozesse im Tiefdruck. Vom Prozess der Radierung, der Druckpresse, seinem Rolls Royce, wie er sagt, bis zur Säure und dem nassen Papier, das im Radierprozess nötig ist. Er berichtet über die Bedeutung von krummen, geraden, dicken wie dünnen Linien sowie von der Zuckerdusch-Technik. Wie auch über ungewollte Zufälligkeiten, die während seines Schaffens entstehen. Das Loslassen vom Gegenständlichen sei gerade in seiner jetzigen Lebenssituation ein wichtiger Prozess für ihn. Immer wieder ist Armin Meier auf verschiedensten Ausstellungen anzutreffen. «Kürzlich durfte ich in einem prächtigen Pavillon eines Freundes in Wernetshausen als erster von vielen Künstlern ausstellen», erzählt er.
Zeichenblock als ständiger Begleiter
«Ich habe immer einen Zeichenblock mit dabei, egal wo ich bin. So ist bei einer Zugsfahrt schon mal eine skizzierte Handyfrau entstanden. Bleistiftskizzen entstanden auch nach meiner OP aus dem Spitalfenster, so skizzierte ich etwa den Helikopterplatz sowie wunderbare Föhrenwälder, in der REHA im Katharinental galt mein Interesse dann dem Rhein. Das hat mich in eine unwahrscheinliche Intensität geführt, in eine Verbindung mit der Welt, wie ich es immer wieder erlebe», erzählt er. «Vielleicht ist es für viele Menschen im Alterungsprozess so, dass man sich anderem zuwenden möchte, um die Schwere dieser Welt aufzulösen, damit neue Dimensionen einfliessen können. Oder wie Klee es ausdrückte: «Ich bin nicht mehr abhängig von dieser Welt, sondern selbst Schöpfer», philosophiert der lebensfrohe Künstler.
Einladung nach Paris
Eine besondere Ehre kam dem talentierten Bildhauer Ende 2024 mit der Einladung in die Fondation Taylor zuteil. «Die Künstlerin Marie-Claude Gardel lud mich und zwei ehemalige Schülerinnen von mir an eine namhafte Ausstellung in Paris ein. Für jeden Künstler galt mit einer Bildgrösse von 50x50 Zentimeter die gleiche Vorgabe. Ich habe viele Versuche gemacht vor Paris, die Farbgebung und der Druck machen es aus. Statt Gegenständliches ist später Ungegenständliches entstanden. Ein wunderschönes Werk getreu ‹Orpheus und Eurydike› nach Rubens», erzählt der sympathische Bildhauer. Für die Ausstellung in Paris habe er das Motiv mit den abstrakten Bewegungen des Weltall-Staubs, der alles bildet, weiterbearbeitet. Inspiration bot ihm das Künstler-Zitat: «Bei dem der Staub der Welt, der angewehte, der Flugstaub, sich transformiert und Gestalt annimmt».
CHRISTINA AVANZINI