Love – Ein satirisches Kabarett
21.01.2025 AadorfZum Start im neuen Jahr präsentierte Gong am Freitagabend Lisa Christ, eine Kabarettistin, Autorin und Satirikerin.
Sie ist gnadenlos ehrlich, sehr ernst, dabei wortgewandt, manchmal verspielt aber immer mit einem gewissen Charme. Christ bringt gesellschaftliche, ...
Zum Start im neuen Jahr präsentierte Gong am Freitagabend Lisa Christ, eine Kabarettistin, Autorin und Satirikerin.
Sie ist gnadenlos ehrlich, sehr ernst, dabei wortgewandt, manchmal verspielt aber immer mit einem gewissen Charme. Christ bringt gesellschaftliche, alltägliche oder auch politische Themen knallhart auf den Punkt. Sie gewann als scharfzüngige, politisch profilierte und engagierte Satirikerin den «Salzburger Stier» für die Schweiz.
Die Bühne war sehr sparsam bestückt mit einem Stehtisch, einem Klavierhocker und einem kleinen mit Samt umhüllten Tischchen, worauf ihr Tagebuch stand, aus dem sie immer wieder vorlas. Beschwingt locker betrat Lisa Christ die Bühne und suchte sofort den Dialog mit dem Publikum. Nach ihrer Begrüssung meinte sie: «Eigentlich wollte ich nie lustig sein. Damals wollte ich mit Slam Poetry und meinem ersten Text ‹Oberflächlichkeit siegt›, die Welt wachrütteln.»
Sie erntete dabei, völlig unbeabsichtigt, einige Lacher. So landete sie zufällig im Humorbusiness. Dabei passiere es ihr immer wieder, dass eine sehr ernst gemeinte Passage ihrerseits beim Publikum für Lacher sorge. «Ich flirte mit der Wahrheit und alle verlieben sich in die Unterhaltung», meinte sie schmunzelnd und stürzte sich Hals über Kopf in eine wilde Beziehung zu ihrem Publikum.
Selbstkritisch und schonungslos ehrlich forderte sie das Publikum heraus mit ihren Beobachtungen und selbst Erlebtem, wobei vieles mit passender Musik untermalt wurde.
Im zarten Alter von 14 Jahren, schrieb sie ein Gedicht über eine unerfüllte, einseitige Liebe, welches mit den Zeilen endet: «Du atmest für mich / doch das weisst du nicht / Du liebst nur dich / und das weiss ich». Dies ist nur eines von weiteren ähnlichen Erlebnissen, die sie dem Publikum auf humorvoll, satirische Art im Verlauf des Abends erzählte.
Nimmt kein Blatt vor den Mund
Zitate über die Liebe, die meisten von Männern geschrieben, brachten es auf den Punkt: Männer lassen sich nur von Männern überzeugen. Dabei dachte sie an ihre frühere Liebe in Portugal, den griechischen Architekturstudenten, der die Liebe sehr nüchtern betrachtete: «Von Liebe allein lebt niemand im Kapitalismus! Man muss sich davon schon auch was kaufen können.» Dies zeigt, wie das, was wir Liebe nennen, in einer kapitalistischen Welt droht unterzugehen. Es zeigt, wie gesellschaftlich kritische Fragen im Leben jedes Einzelnen beginnen und dass keiner davor fliehen kann, deshalb sollte jeder im persönlichen Umfeld daran arbeiten. Denn Beziehungen sind alles andere als einfach, sogar oftmals sehr kompliziert oder einseitig hingebungsvoll.
Christ spricht tabulos über jedes Detail in den Beziehungen. Dabei ist es egal, ob es um die komplizierte, firmeninterne Liebschaft, die Beziehung der Prostituierten zu ihrem Freier oder aber die besitzergreifende Liebe geht. Diese kann sogar gefährlich, oft auch tödlich sein. Wie schnell kann Liebe in Gewalt ausarten, weil sie oftmals mit Besitztum verwechselt wird. Leider wird dies viel zu oft verharmlost und darüber hinweg geschaut. Das Schlimmste sei aber, dass sich Frauen immer noch die ganze Zeit in solche Männer verlieben, schimpfte sie, während sie demonstrativ die Bühne aufräumte, Staub wegwischte und den Samt am Tischchen zurechtzupfte.
All you need is Love
In der Pause wurde das Publikum auf der Leinwand durch Szenen inniger Küsserei berieselt. Danach blickte Christ auf ihre heisse Liebesbeziehung zum Publikum zurück, zog Bilanz und meinte: «Wenn die erste Verliebtheit vorbei ist, kommt die Ernüchterung im Alltag und der eine alles kumulierende Moment eines Gesprächs. Dann wird es kompliziert.» Dies warf einige Fragen auf, die sie im Slam-Poetry-Modus vortrug und damit für Heiterkeit sorgte.
Christ blickte nüchtern, sehr realistisch und ohne Tabus auf ihre Liebesbeziehungen zurück, sprach über ihre Ängste und schnellen Sex. Sie präsentierte schonungslos Bilder von ihrem von Liebeskummer gezeichneten Gesicht und offenbarte ihr gebrochenes Herz. Christ sinnierte über die Tränen der Männer, ihre steifen Hüften, die sich aber durch Tanzen lockern würden oder die fragwürdige Lebensweise in einem gewissen Alter, über Liebeszitate von Frauen und Dating-Portale. Diese ersticken jeden Wunsch nach Beziehung. Waren es alle diese Gedanken, dass sie die Beziehung zum Publikum beenden wollte?
Händeringend versuchte sie diesem das Ende zu erklären, als sich die Stimme ihrer Technikerin meldete: «Bitte beenden sie das Programm, die Technik möchte Feierabend machen.» Mit Gelächter und tosendem Applaus forderten die Anwesenden eine Zugabe. Nach dieser meinte Christ lachend: «Ihr seid wie eine Ex, welche nicht akzeptieren will, dass die Beziehung vorbei ist.» Nach dem Gedicht in Form eines Rezepts für Risotto, verabschiedete sich die Künstlerin.
Ein Abend «in LOVE» mit einem feinfühligen, tiefgründigen Programm und einer energiegeladenen Künstlerin, die ihre alltäglichen Beobachtungen ehrlich und schonungslos präsentierte – publikumsnah, tabulos und zugleich erfrischend mit einer Prise Satire.
IRÈNE BASLER