Rechtzeitig zum meteorologischen Frühlingsanfang lud das Theater zur Waage zu einem romantischen Liederabend ein – oder etwa doch nicht? Das Wort «lousy» im Titel störte. Übersetzt mit «lausig» beschreibt es genau die letzten, lausigen Momente in ...
Rechtzeitig zum meteorologischen Frühlingsanfang lud das Theater zur Waage zu einem romantischen Liederabend ein – oder etwa doch nicht? Das Wort «lousy» im Titel störte. Übersetzt mit «lausig» beschreibt es genau die letzten, lausigen Momente in Liebesbeziehungen.
Wer sich auf heisse Liebesbezeugungen und Frühlingsgefühle eingestellt hatte, sah sich bald getäuscht. Dem Publikum im vollbesetzten Kellertheater präsentierte sich nicht etwa ein Himmel voller rosa Wolken und Geigen, sondern eine Reise durch die letzten, oft schmerzhaften Momente von Beziehungen. «At the Last Lousy Moments of Love», erzählte Liebesgeschichten voller Sehnsucht, Verlust, Wut und schliesslich von Neuanfängen.
Ungewöhnlich der erste Applaus des Abends – der galt nicht etwa den drei Musikern, sondern einem leicht verspäteten Gast, dessen Stuhl als einziger leer geblieben war. Die beiden Theaterbetreiber Rahel Imboden und Simon Berger wollten mit dem Beginn des Gastspiels zuwarten, bis auch dieser Platz besetzt war. Dementsprechend wurde der Mann mit Beifall begrüsst, was ihn wahrscheinlich ziemlich verblüfft haben dürfte.
Dann war die Zeit reif für die Wahrheit über die Liebe. Sängerin Désirée Mori, die von Rahel Sohn am Klavier und Rafael Baier am Saxofon (und Gesang) begleitet wurde, tauchte in den ganz normalen Liebeswahn und seine Vergänglichkeit ein. Es waren teilweise schwermütige und melancholische Töne, mit denen Mori mit ihrer vielfarbigen Stimme das Publikum in den Bann zog – allerdings nur, um es kurz darauf in die Euphorie einer neuen Liebe mitzureissen. Ein Stück über Anfang und Ende, über ein Sofa, das Nähe und Distanz, Langeweile und Lust zugleich erträgt, über nächtelanges Tanzen, in Whisky ertränkte Abende, abgenutzte Wollkleider, Zeitungen und Strickzeug.
Die Liebe als des Geistes Konkursverwalter
Trotz englisch gesungener Texte war wohl jedem klar, welche Sorgen die Liebe mit sich bringen kann; Mimik und Gestik waren deutliche Sprache genug. Das Lied «Ein Abend zu zweit» war in Deutsch und brachte auf den Punkt, wovon sich wohl die meisten Paare fürchten: Über die Leere und Langeweile, die sich unweigerlich einschleicht, wenn man nicht aufpasst. Der Alltag als Bankrotterklärung des Liebeslebens. Einsam zu zweit auf dem Sofa sitzend, deckten sich Mori und Baier singend mit Vorwürfen ein – Zu ihrer Kleidung hätte Lagerfeld wohl gesagt, dass sie die Kontrolle über ihr Leben verloren haben. Sie sang: «Zeitung lesen kann er, zu sagen hat er nichts» Er entgegnete: «Was soll Mann von einer Frau, die man jahrelang kennt, schon verlangen?» – Der Abend zu zweit klang eher nach Ernüchterung und Qual als nach Gemütlichkeit oder gar Romantik. Diese kam spätestens versöhnlich bei der Zugabe von Nat King Cole’s «Unforgettable» zurück.
Die grosse Freude, die dieser szenische Liederabend allen bereitet hatte, war deutlich spürbar – im tosenden Applaus und den angeregten Gesprächen später an der Bar. Der Spass war auf beiden Seiten gleichermassen, auch die Musiker lobten die besondere Atmosphäre des kleinen, besonderen Lokals. Zumindest für Désirée Mori war es ein Wiedersehen, war sie doch letztes Jahr im Rahmen von «Acis and Galatea» bereits in Elgg zu Gast. Die Bar schloss erst, als der letzte Gast sich auf den Heimweg machte. Ob dies aufgrund verschmähter Liebe erst zu später Stunde und nach ausgiebigem Whisky-Genuss war, ist unbekannt.
MARIANNE BURGENER