Krieg wirkt sich langfristig auf die Landwirtschaft aus
14.03.2023 RegionDie indirekten Effekte des Kriegs in der Ukraine für die Schweizer Landwirtschaft sind massiv – auch wenn die Mehrkosten letztes Jahr tiefer ausgefallen sind als befürchtet. Eine Entspannung ist nicht in Sicht.
Der Krieg in der Ukraine bedeutet nicht nur ...
Die indirekten Effekte des Kriegs in der Ukraine für die Schweizer Landwirtschaft sind massiv – auch wenn die Mehrkosten letztes Jahr tiefer ausgefallen sind als befürchtet. Eine Entspannung ist nicht in Sicht.
Der Krieg in der Ukraine bedeutet nicht nur Verlust von Menschenleben und Infrastruktur, sondern lähmt auch die Wirtschaft – und zwar weltweit. Insbesondere die stark gestiegenen Produktionskosten verursachen branchenübergreifend Probleme und werden zunehmend zur Herausforderung.
Da es nur wenige landwirtschaftsrelevante Direktimporte aus der Ukraine, Russland und Belarus in die Schweiz gibt, sind die direkten Folgen für die hiesige Landwirtschaft relativ gering. Die Importausfälle aus der Ukraine sowie die Sanktionen gegen Russland und Belarus betreffen aber sehr viele Güter: So ist Russland ein bedeutender Lieferant von Erdöl, Erdgas und Düngemitteln, Belarus einer der weltweit grössten Exporteure von Kali-Dünger und die Ukraine galt bislang als KornKammer Europas und exportierte grosse Mengen von Weizen und Sonnenblumen. Auch wenn in den meisten Fällen keine direkten Lieferungen erfolgen, so ist die Schweiz indirekt betroffen und der Krieg wird die hiesige Landwirtschaft noch länger beschäftigen.
Landwirte sparen bei Produktionsmitteln
Die einschneidendste Folge des Kriegs ist unter anderem die massive Teuerung bei den Produktionsmittelpreisen. Noch im Mai des letztens Jahres gingen Schätzungen von 900 Millionen Franken Mehrkosten für das Jahr aus. Diese fielen laut dem Leiter des statistischen Diensts Agristat, Daniel Erdin, nun aber rund einen Drittel tiefer aus: «Gemäss der Schätzung der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung nahmen die Kosten für Vorleistungen gegenüber Vorjahr um 458 Millionen Franken und die Abschreibungen um 151 Millionen zu – zusammen also 609 Millionen.» Dabei gehe das Bundesamt für Statistik davon aus, dass die Landwirte bei den Ausgaben sehr zurückhaltend gewesen seien. «Dies ist beispielsweise auch anhand der Importdaten von Produktionsmitteln belegbar», erklärt er.
Die Teuerung landwirtschaftlicher Produktionsmittel fiel in den Bereichen Energie, Dünge- und Futtermittel zu Beginn am stärksten aus. Der Einkaufspreisindex habe sich seither auf hohem Niveau stabilisiert oder gehe sogar leicht zurück, meint Erdin weiter. Dieselbe Entwicklung sei bei den Weltmarktpreisen zu beobachten. «Die Situation ist jedoch recht unterschiedlich – so blieben beispielsweise die Preise für Kaliumchlorid international hoch, während andere Düngerpreise leicht zurückgingen», erklärt er. Bei der Energie habe es etwas Entspannung gegeben, da sich die Situation freundlicher entwickelt habe als erwartet. Das Preisniveau sei jedoch weiterhin hoch.
Auswirkungen auf den Weltmarkt
Nebst den steigenden Produktionsmittelpreisen sorgte der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine für einen starken Anstieg der internationalen Preise für Weizen, Mais und Pflanzenöl: Der Krieg in der Schwarzmeerregion erschütterte die Märkte für Grundnahrungsmittel und Pflanzenöle. Die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel stiegen im letzten März sprunghaft an und erreichten ihr bisher höchstes Niveau. Bereits in den Sommermonaten konnte aber eine gewisse Entspannung beobachtet werden. «Der erste Schock ist vorbei und im Energiebereich gab es Entwarnung – viele Preise sind jedoch weiterhin hoch und die Entwicklung ist sehr variabel», gibt Daniel Erdin zu bedenken.
Solange der Ukraine-Krieg andauert, dürften die Preise für Produktionsmittel und Investitionsgüter deutlich über dem früheren Niveau bleiben. Für die Landwirtschaft stelle sich darum die Frage, ob die Produzentenpreise so weit mitziehen, dass die Mehrkosten gedeckt werden können. Bis jetzt scheine dies nicht generell der Fall zu sein. «2022 war für die Landwirtschaft unbefriedigend und ohne deutliche Erhöhung der Produzentenpreise bleibt die Situation angesichts neuer Auflagen und bei weiterhin hohen Kosten für die Betriebe schwierig», sagt Erdin.
Insbesondere auf die Käseexporte sind die Auswirkungen negativ: Aufgrund der hohen Teuerung im Ausland bei einem starken Franken sei der Schweizer Käse unter Preisdruck geraten und die Exporte gingen zurück. Verkompliziert wird die Situation dadurch, dass sich Russland in den letzten Jahren zu einem neuen Markt für Schweizer Käse entwickelte. Die Bezahlung der Käseexporte wird durch die Abschottung der russischen Banken allerdings erschwert – ganz zu schweigen vom Reputationsrisiko, das Unternehmen eingehen, wenn sie weiterhin Käse nach Russland exportieren. Entsprechend seien die Ausfuhren letztes Jahr zurückgegangen, was auch den Milchpreis mittelfristig negativ beeinflussen könnte. Erdin erklärt: «Die Schweiz ist seit 2022 rein nach Menge und mit Bezug auf den Zolltarif 406, das heisst ohne Fondue und weiteren Käse in verarbeiteten Produkten, ein Nettoimporteur von Käse.»
RENATE HODEL
Situation in der Ukraine
Die Landwirtschaft spielt eine wichtige Rolle in der Wirtschaft und der sozioökonomischen Entwicklung der Ukraine. Daneben gewährleistet sie die Ernährungssicherheit des Landes und macht rund 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Ukraine ist ausserdem ein wichtiger Akteur im globalen System der Ernährungssicherheit: Unter anderem ist das Land der grösste Sojaproduzent in Europa und der sechstgrösste -exporteur weltweit.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs steht der ukrainische Landwirtschaftssektor allerdings vor vielfältigen Herausforderungen. Unter anderem konnten letztes Jahr 25 Prozent weniger Frühjahrskulturen angebaut werden. Je nach Kultur dürfte sich die Situation auch nicht so schnell entspannen: Die umkämpften oder besetzten Regionen sind zum Teil bedeutende Anbaugebiete für Weizen, Gerste und Sonnenblumen.