«Kraft im Arm, Mut im Herz, Licht im Kopf»
01.10.2024 RegionZum 100. Todestag des Bischofszeller Sekundarlehrers Johann Friedrich Schär (+ 25.09.1924).
So dürfte sich die Wahlbehörde bei aller Phantasie die gemeinsame Zukunft nicht ausgemalt haben, als sie den jungen Pädagogen aus dem Bernbiet an ihre ...
Zum 100. Todestag des Bischofszeller Sekundarlehrers Johann Friedrich Schär (+ 25.09.1924).
So dürfte sich die Wahlbehörde bei aller Phantasie die gemeinsame Zukunft nicht ausgemalt haben, als sie den jungen Pädagogen aus dem Bernbiet an ihre Sekundarschule Bischofszell berief. Dieser wiederum tritt seine Aufgabe überzeugend an und engagiert sich – mit scheinbar unversiegbaren Kräften versehen – zunehmend auch in ausserschulischen Betätigungsfeldern der Gemeinde und ihrem Umfeld.
Der vor hundert Jahren, am 25. September 1924, verstorbene Johann Friedrich Schär erlebt nach der sechsjährigen Zwischenstation am Thur- und Sitterufer eine schwindelerregend steile berufliche Karriere. Er avanciert zu einem der bedeutendsten Professoren der nationalen und internationalen Handelswissenschaften des 19. Jahrhunderts und gilt als Förderer der Genossenschaftsbewegung (Mitbegründer Coop).
Ein «unruhiger Geist» und Dränger
Im April 1874 reist Schär also ins kleine Landstädtchen Bischofszell mit 2000 Einwohnern und beginnt den Unterricht mit den 13- bis 15-jährigen Schülerinnen und Schülern. Seine Leistungen werden als vorzüglich bewertet. Ihm wird bald die Leitung des Turnunterrichts und der Fortbildungsschule im Bezirk übertragen.
Der als «unruhiger Geist» bezeichnete Dränger soll aber auch die alten Lesebücher von Thomas Scherr abschaffen und dem derzeitigen Seminardirektor Rebsamen entgegentreten. Er initiiert die Vorträge anbietende «Literaria» und übernimmt den oberthurgauischen volkswirtschaftlichen Verein. Zudem spielt er in der Kirche jeden zweiten Sonntag die Orgel und wird dann auch noch verantwortlich für die Redaktion des «Wächters von der Thur und Sitter», der Zeitung des neuen Eisenbahnunternehmens St.Gallen-Gossau-Bischofszell-Sulgen.
Herr Huber, Inhaber der «Thurgauer Zeitung», damals eines der bedeutendsten Blätter der Ostschweiz, bietet Schär die Redaktion seiner Zeitung an. Dieser sagt ab mit der Begründung, die Pädagogik dem Journalismus vorzuziehen.
Für die Käser der Umgebung, die eine Absatzgenossenschaft gegründet hatten, entwirft er die Statuten. Als sie 1875 die «Assoziation schweizerischer Käser» mit Sitz in Bischofszell ins Leben rufen, wählen sie den Sekundarlehrer zum neuen Direktor, der im europäischen Ausland für lohnenden Absatz der Produkte sorgen soll. 1876 begründet der Unermüdliche den bedeutenden Bischofszeller Konsumverein und wird dessen Präsident.
Ein ausgezeichneter Turner
Auch für die Förderung des Turnens leistet Schär auf lokaler, kantonaler und eidgenössischer Ebene viel. Im Turnverein Amriswil führt er das damals in der Ostschweiz noch unbekannte Schwingen ein. Er stösst die Gründung des thurgauischen Kantonalturnverbands an, entwirft die Statuten und wird eines der ersten Ehrenmitglieder. Schär selbst ist ein ausgezeichneter Turner, der mehrmals als Erster aus den Einzelwettkämpfen hervorgeht. Seine Rede anlässlich der 50-Jahr-Feier des Kantonalverbands schliesst er mit dem Wahlspruch: «Kraft im Arm, Mut im Herz, Licht im Kopf!»
Nach all diesen vielen und vielfältigen Engagements in der Öffentlichkeit, die natürlich auch von Intrigen überschattet werden, nimmt der Sekundarlehrer im Herbst 1880 unter Mitwirkung seiner Schüler und des Männerchors, dessen Vorsitzender er während fünf Jahren war, mit einem eindrücklichen Fest Abschied von Bischofszell.
Geboren wurde Johann Friedrich Schär am 21. März 1846. Nach der Schule und Lehrerausbildung beginnt seine Laufbahn als Primar- und Mittelschullehrer als Hauptlehrer für Physik und Chemie am bernischen Lehrerseminar in Münchenbuchsee. Ab 1870 im Käsehandel tätig, ist er von 1874 bis 1880 Sekundarlehrer in Bischofszell, wird dann Direktor der Mädchensekundarschule in Biel. Es folgt die Anstellung als Lehrer für Handelswissenschaften an der Oberen Realschule und später an der kantonalen Handelsschule in Basel, wo er auch den Basler Konsumverein, dann den Verband Schweizerischer Konsumvereine präsidiert.
Pionier der Genossenschaftsbewegung
Schär gilt als Pionier der Schweizerischen Genossenschaftsbewegung. Er sitzt für die FDP im Basler Grossen Rat und ist Mitgründer der Basler Kantonalbank. 1903 wird er als erster Professor für Handelswissenschaften der Schweiz an die Universität Zürich berufen und wechselt dann als Professor für Buchhaltung, Organisation und Zahlungsverkehr an die Handelshochschule Berlin. Er erhält die Ehrendoktorwürde der Universität Zürich und jene der Universität Köln.
Schär verfasst rund fünfzig Schriften, darunter das Standardwerk die «Allg. Handelsbetriebslehre» (1911). Nach seiner Emeritierung 1919 kehrt er in die Schweiz zurück und lässt sich in der neu erbauten Siedlung Freidorf in Muttenz nieder, wo heute noch eine schlichte Fassadentafel an ihn erinnert. Wie sehr ihn jedoch die Herkunft prägt, beschreibt er in «Lebenserinnerungen von Johann Friedrich Schär. Von der Emmentaler Sennhütte zum Katheder und Kontor» (Basel, 1924).
Den Autor dieser Kurzbiografie und deren Objekt verbinden nachweislich gemeinsame Berner Ahnen, die in den Emmentaler Gräben und Eggen, in den Sennhütten um Trubschachen ihrem harten, als begnadete Heiler von Menschen und Tieren zuweilen auch sonderlichen Tagwerk folgen.
MARKUS SCHÄR