Knapp verloren, aber die Hintertür bleibt offen
26.10.2023 OberschneitBis spät abends sah es am Sonntag nach einem Sitzgewinn für die SVP des Kantons Zürich aus. Dieser hätte Therese Schläpfer eine weitere Legislatur im Nationalrat gebracht. Schlussendlich verlor sie den Sitz aber wegen mickrigen 0,01 Prozent. Dennoch bleibt ihr ein ...
Bis spät abends sah es am Sonntag nach einem Sitzgewinn für die SVP des Kantons Zürich aus. Dieser hätte Therese Schläpfer eine weitere Legislatur im Nationalrat gebracht. Schlussendlich verlor sie den Sitz aber wegen mickrigen 0,01 Prozent. Dennoch bleibt ihr ein Funken Hoffnung.
Am 3. Juni 2019 wurde Therese Schläpfer im Bundeshaus vereidigt. Damals rutschte sie durch die Hintertür in den Nationalrat nach, weil Jürg Stahl zurücktrat. Diese Hintertür ist auch diesmal nicht verschlossen, denn Schläpfer könnte vom ersten Ersatzplatz aus den Sitz von Gregor Rutz beerben. Dafür müsste aber der SVP-Nationalrat im zweiten Wahlgang am 19. November in den Ständerat gewählt werden. Die Chancen dafür stehen 50 zu 50, wie die Hagenbucherin gegenüber der «Elgger/Aadorfer Zeitung» sagt. Seit der Bekanntgabe am Dienstag, dass sich die FDP-Kandidatin Regine Sauter von der Ständeratswahl zurückzieht, dürften diese gestiegen sein. «Hoffen darf man immer», so Schläpfer, die durchblicken lässt, eine solche Chance auch packen zu wollen.
Bei den Neuwahlen im Oktober 2019 wurde die heute 64-Jährige mit 110’490 Stimmen als Neunte der SVP-Liste wiedergewählt. Am letzten Sonntag reichten dann fast 10’000 Stimmen mehr nur noch zum 11. Platz. Dennoch zitterte und hoffte Schläpfer bis spät abends als das Endergebnis des Kantons Zürich verkündet wurde. Dann kam der Hammer: Die SVP verlor den hochgerechneten Sitzgewinn und die erste Eulachtaler Nationalrätin damit ihr Mandat.
Die starke Kampagne der Bauern als Hürde
Auf die Nichtwahl Therese Schläpfers hofften wohl nur ihre ärgsten Gegnerinnen und Gegner. Damit gerechnet werden konnte jedenfalls nicht, waren doch die Wahlchancen auf Listenplatz 7 durchaus gross. Zudem versteckte sie sich in der laufenden Legislatur keineswegs, war in den Medien präsent und leistete viel Arbeit. Gegenüber dieser Zeitung zeigt sie sich natürlich enttäuscht, «aber bei Wahlen kann alles passieren». Sie habe unzählige Nachrichten und Mails mit grossem Zuspruch für ihre Politik und guten Wünschen für die Zukunft bekommen. «Das tut mir gut», sagt Schläpfer.
Es stellt sich nun die Frage, wie es dazu kommen konnte. Natürlich macht sich die ehemalige Hagenbucher Gemeindepräsidentin dazu Gedanken: «Da kamen verschiedene Faktoren zum Tragen. Meine Analyse zeigt, dass die Bauern eine starke Kampagne gefahren haben und sehr gut mobilisieren konnten.» Allgemein stieg deren Anzahl im Nationalrat von 12 auf 20. Einer davon ist Martin Hübscher aus Bertschikon, der Schläpfer verdrängte und nun neu in die grosse Kammer des Bundeshauses ziehen wird. Diese analysiert weiter: «Meine Resultate in Gemeinden mit einem grossen Anteil an Landwirten sind schlechter als jene in Agglomerationsgemeinden.»
Mass-Voll und Aufrecht kosteten Stimmen
Etwas erstaunen musste auch, dass Schläpfer sogar in ihrer Wohngemeinde Hagenbuch weniger Stimmen als Hübscher generieren konnte. Darauf angesprochen zeigt sich die in Oberschneit wohnende Nationalrätin ein wenig ratlos. Am Wahlkampf habe es wohl eher weniger gelegen. Die Partei habe im ganzen Bezirk sowie in Elgg und Hagenbuch Anlässe durchgeführt, wo sie immer dabei gewesen sei. Eher ausschlaggebend für das Resultat könnten ihrer Meinung nach wie erwähnt die gut mobilisierenden Bauern gewesen sein. Schläpfer sieht aber noch einen weiteren Grund, der ihr die Wahl gekostet haben könnte: «Die Listen von Mass-Voll und Aufrecht haben der SVP beinahe zwei Prozent der Stimmen gekostet. Dies verhinderte wahrscheinlich den elften Sitz.» Wie auch immer: Der Wahlsonntag dürfte auch für die Hagenbucherin lange und nervenaufreibend gewesen sein. Die Resultate habe sie mit ihrer Familie verfolgt. Zwischendurch seien sie auf einen Spaziergang gegangen. Als es langsam um die Wurst ging fuhr Schläpfer nach Winterthur-Seen zur Bezirkspartei und danach nach Illnau zur Kantonalpartei. Zur Stimmung dort sagt sie: «Sie war heiter, weil es lange danach aussah, dass die SVP den elften Sitz dazugewinnt. Nach dem Auszählen des letzten Kreises in Winterthur fiel er aber an die FDP. Wir haben ihn leider um nur gerade 0,01 Prozent verloren.» Noch knapper geht es fast nicht.
RENÉ FISCHER
Kommentar
Obwohl die Stimmbeteiligung vor vier Jahren tiefer lag, erhielt Therese Schläpfer damals in Elgg und Hagenbuch einige Stimmen mehr. Man kann Sympathien für die Politikerin empfinden oder sie als rotes Tuch betrachten. Man mag die SVP gut finden oder sie verteufeln. Jedem und jeder sein oder ihr gutes Recht. SVP und Schläpfer hin oder her: Die Nichtwahl ist kein guter Tag fürs Eulachtal. Nicht nur, dass sie die erste und einzige Nationalrätin aus dem Eulachtal ist (oder war), sie verlor in Bern nie den Blick für die Gemeinden. Und das ist durchaus ein gewichtiger Faktor, denn in Bundesbern politisieren zu wenig Räte und Rätinnen, die aus der Gemeindepolitik kommen.
Bundespolitiker, welche nie ein Amt auf Gemeindeebene bekleideten, haben oftmals nur den Blick fürs grosse Ganze. Die kommunale Politik wird weniger berücksichtigt und wahrgenommen. Und auch das Wissen darüber fehlt einigen von ihnen. Dabei sind Lösungen, die Gemeinden bieten, und auch die Kosten, welche sie übernehmen, wichtig. Es wird immer mehr Politik «nach oben» betrieben und die Kommunen gehen dabei gerne vergessen. Nicht so von Schläpfer, die vieles, das sie im Hagenbucher Gemeinderat lernte, ins Bundeshaus trug. Das sollte man ihr zugutehalten.
Gerade deshalb ist sie fürs Eulachtal meiner Meinung nach wichtig – egal, ob sie rechts oder links politisiert. Es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass das einige anders sehen und auch sehen dürfen. Dennoch müssten sich die Bewohnerinnen des Eulachtals bewusst sein, dass eine hiesige Vertretung in Bern wichtiger ist als manche es vielleicht zugeben möchten. Insofern bleibt zu hoffen, dass Gregor Rutz den Sprung in den Ständerat schafft und somit den Weg Schläpfers für weitere vier Jahre ebnet. Auch als Parteiloser – und als Lokaljournalist, der den direkten Draht ins Bundeshaus nicht verlieren will – neige ich dazu, dem SVP-Politiker am 19. November meine Stimme zu geben.