Jubiläum: Ein Selbstporträt zum 150. Interview
29.07.2023 Elgg, Leute aus der RegionSchon oft wurde ich von verschiedenen Personen, die ich interviewte, darauf angesprochen, dass es interessant wäre, für einmal die Rollen zu tauschen, um etwas über meine Person zu erfahren. So nehme ich mein 150. Interview zum Anlass, mich selbst zu porträtieren. Ich kam am ...
Schon oft wurde ich von verschiedenen Personen, die ich interviewte, darauf angesprochen, dass es interessant wäre, für einmal die Rollen zu tauschen, um etwas über meine Person zu erfahren. So nehme ich mein 150. Interview zum Anlass, mich selbst zu porträtieren. Ich kam am 6. Januar 1972 zur Welt und wuchs in Winterthur Seen auf, wo ich eine wunderschöne Kindheit verbrachte. Schon von klein auf las mir meine Mutter aus Büchern vor, die sie in der Bibliothek auslieh. «Die kleine Hexe», «Wir Kinder von Bullerbü» und «Willi Wiberg» gehörten zu meinen Lieblingslektüren und ich nahm diese Bücher immer wieder aufs Neue mit nach Hause. Die Samstagnachmittage verbrachte ich in der Pfadi. Da ich die Kleinste war, taufte man mich auf den Namen Nano. Das ist italienisch und bedeutet Zwerg. Ich besuchte die Mädchenriege und wechselte später zum Ballett. Dort tanzte ich im Kindertanztheater Claudia Corti mit und liebte die Ballett-Aufführungen, welche im Stadttheater Winterthur stattfanden.
In der Schule war ich eher einseitig begabt. Rechnen und Geometrie gehörten nicht zu meinen Stärken. Viel mehr gefiel mir das Aufsatz- und Diktatschreiben. Zu meinem zehnten Geburtstag erhielt ich ein Tagebuch geschenkt, verfasste fortan fleissig Einträge und träumte davon, einmal mein eigenes Buch zu schreiben. 1987 zog ich mit meinen Eltern nach Elgg, wo ich die letzte Oberstufenklasse besuchte. Eine kaufmännische Ausbildung zu absolvieren, war für mich unvorstellbar. Viel lieber wollte ich einen kreativen Beruf lernen. So machte ich eine Lehre als FotoFachangestellte und liess mich zur Fotografin ausbilden. Mit 18 Jahren wollte ich die Welt entdecken. Da ich italienischer Abstammung bin, zog es mich für drei Monate nach Florenz, wo ich gemeinsam mit einer Freundin mitten in der Stadt eine Wohnung bezog und die Sprachschule Michelangelo besuchte. Wieder daheim reiste ich noch im selben Jahr für zwei Monate nach Australien, wo ich in Sydney bei der Cousine meiner Mutter wohnte. Von dort flog ich nach Cairns, fuhr mit dem Greyhound-Bus die ganze Ostküste hinunter und stieg aus, wo es mir gefiel. In den verschiedenen Ortschaften blieb ich so lange ich Lust hatte – manchmal ein paar Stunden, ein anderes Mal mehrere Tage. Dann stieg ich in den Bus und es zog mich weiter. Übernachtet habe ich in den Backpacker-Hostels für 15 Australische Dollar. Auf meiner Reise lernte ich viele tolle Leute aus der ganzen Welt kennen und in Kuranda wagte ich den Sprung meines Lebens und machte Bungeejumping.
Urlaub in der Karibik mit Folgen
Wieder zurück in der Schweiz arbeitete ich, um Geld zu verdienen, und plante mit meiner besten Freundin einen zweiwöchigen Urlaub in der Dominikanischen Republik. Dort angekommen, unterhielt ich mich im Hotel mit einer Schweizerin, die als Animateurin im Punta Cana Beach Resort arbeitete und unter anderem für den Kinderclub zuständig war. Sie teilte mir mit, dass sie demnächst für immer nach Hause zurückkehre. Das war die Gelegenheit für mich und ich wollte diesen Job unbedingt.
Kaum daheim stellte ich umgehend meine Bewerbungsunterlagen zusammen. Mein Vorteil war, dass ich als Jugendliche unzählige Male auf Kinder im Bekanntenkreis aufgepasst habe. Ich gab sie alle als Referenz an und sendete meine Bewerbung, damals noch per Fax, an den Hoteldirektor. Ich teilte ihm mit, dass ich Deutsch, Italienisch und Englisch spreche und somit die optimale Besetzung für diese Stelle bin. Danach hiess es warten. Als ich nicht mehr mit einer Antwort rechnete, traf diese per Fax ein und es hiess, dass sie mich bereits in drei Wochen in Punta Cana erwarten.
Nun galt es, mit meinem Arbeitgeber zu regeln, ob er mich so kurzfristig gehen lässt. Zum Glück verzichtete er auf die zweimonatige Kündigungsfrist und meinte, man erhalte ja eine solche Chance nur einmal im Leben. Als alle Vorkehrungen im Eiltempo geregelt waren, flog ich vor Weihnachten in die Karibik und leitete fortan ganztags den Kinderclub. Wir fuhren Wasserski, schnorchelten, waren mit dem Kajak unterwegs, ritten, oder unternahmen mit dem Schnellboot Ausflüge zu abgelegenen Küstenabschnitten, um zu picknicken. Abends war ich zuständig für die Gästebetreuung, hielt Präsentationen am Mikrofon in Deutsch und Italienisch, wirkte allabendlich in den Shows mit und war jede Nacht in der Disco anwesend, um den Hotelgästen den Clubtanz «Macarena» beizubringen.
Mein Arbeitstag war anstrengend, forderte 15 Stunden Präsenz, bereitete aber unheimlich Spass. Ich bereute meinen Entscheid keine Sekunde. Noch Jahre später sendeten mir die Kinder, welche ich im Club betreute, Briefe und Zeichnungen zu. Ich besitze sie noch heute und erinnere mich gerne an diese wunderschöne Zeit. Zurück in der Schweiz, zog es mich immer wieder aufs Neue ins Ausland, wo ich viele Länder bereiste. Ein weiteres unvergessliches Erlebnis bleibt das Formel-1-Nachtrennen in Singapur, mit anschliessenden Konzerten von Bon Jovi und Maroon 5. Ebenso in Erinnerung bleibt die Teilnahme am Love Ride in Dübendorf, die alljährliche Motorrad-Benefizveranstaltung. Ich gewann bei der Verlosung den ersten Preis. Dieser beinhaltete eine Hotelübernachtung, die zweiwöchige Miete eines Harley-Davidson-Motorrades inklusive Nachtessen bei Schauspieler Larry Hagman zu Hause auf seinem Anwesen Heaven in Santa Barbara. Zusammen mit meinen Eltern und einem guten Freund flog ich nach Los Angeles, wo wir mit zwei Harleys für zwei Wochen unterwegs waren. Bei Larry Hagman, der damals in der Fernsehserie Dallas den Bösewicht J.R. Ewing spielte, assen wir Znacht. Wir durften auf dem 42 Hektar weiten Land sein 23’000 Quadratmeter grosses Anwesen besichtigen, inklusive dem Helikopter-Landeplatz.
Schreiben: meine grosse Leidenschaft
Nach mehreren Jahren Tätigkeit in der Fotobranche hatte ich genug vom Schwarz-Weiss-Film entwickeln in der Dunkelkammer und dem Bildervergrössern im Labor. Ich wollte mich beruflich verändern und suchte nach einer neuen Herausforderung. Für drei Monate absolvierte ich einen Computerkurs und begab mich auf Stellensuche. Den Einstieg zu meiner ersten Bürotätigkeit erhielt ich im Januar 2000 beim damaligen Transportunternehmen Ernst Daniel’s Erben in Hegi. Nach fünfeinhalb Jahren wurde die Firma verkauft und ich wechselte als Teamassistentin in eine Personalvermittlung. Seit 2005 bin ich Direktionsassistentin in einem weltweit tätigen IT-Unternehmen.
Meine Arbeit ist sehr vielseitig und bereitet mir enorm Spass. In meiner Freizeit halte ich mich am liebsten draussen in der Natur auf. Ich wandere gerne und oft. Meine spektakulärste Wanderung war in Cinque Terre, Italien. Sie dauerte acht Stunden und führte von Riomaggiore nach Porto Venere. Zum Ausgleich lese ich sehr gerne, habe immer ein gutes Buch griffbereit. Im März 2009 erhielt ich von der damaligen «Elgger Zeitung» die Möglichkeit, eine Person zu porträtieren. Ich wählte Raphael Girlanda, den damaligen Pöstler, und startete so mit meinem allerersten Interview. Es folgten weitere. Danach unterbrach ich die Tätigkeit bei der Zeitung, da ich meinen Traum vom eigenen Buch verfolgte. Sechs Jahre arbeitete ich daran und fand 2011 schliesslich einen Verlag, der mein Werk in der Schweiz, Deutschland und Österreich veröffentlichte. 2017 nahm ich das Schreiben für die «Elgger/Aadorfer Zeitung» wieder auf. Wie anfangs erwähnt, ist das heute bereits mein 150. Porträt. Das Schreiben macht mir wahnsinnig Spass und bedeutet für mich eine enorme Bereicherung. Viele verschiedene Persönlichkeiten durfte ich während dieser Jahre kennenlernen, über spannende Geschichten und so manchen Schicksalsschlag berichten.
Ausgelernt habe ich noch lange nicht. Letztens wachsen wir durch ständiges Lernen und sind hier, um Erfahrungen zu sammeln. All das macht mich heute zu der Person, die ich bin. Ich hoffe, dass ich meiner Lieblingsbeschäftigung, dem Schreiben, noch lange nachkommen darf, um die schönen Geschichten, die darauf warten, erzählt zu werden, mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser der «Elgger/Aadorfer Zeitung», zu teilen.
VANESSA SACCHET