Im Dienste des Thurgaus – und kein bisschen verbogen
13.05.2025 AadorfBald endet das Amtsjahr von Peter Bühler als Grossratspräsident. Er blickt auf bewegte Monate zurück, die ihm viel Freude bereitet aber auch einiges abverlangt haben. Nach wie vor sind die Kantonsfinanzen in Schieflage, aber das Licht am Ende des Tunnels wird heller – ...
Bald endet das Amtsjahr von Peter Bühler als Grossratspräsident. Er blickt auf bewegte Monate zurück, die ihm viel Freude bereitet aber auch einiges abverlangt haben. Nach wie vor sind die Kantonsfinanzen in Schieflage, aber das Licht am Ende des Tunnels wird heller – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Für den ehemaligen Raiffeisen-Bankleiter Bühler ist es eine Genugtuung, dass in seiner Amtszeit bereits zahlreiche Massnahmen initiiert wurden, um das Defizit der Kantonsfinanzen in die richtige Richtung zu leiten. Die vergangenen Monate waren aber mitnichten nur von Zahlen bestimmt – das Amt war für Peter Bühler eine wunderbare Erfahrung im Dienste des Thurgaus und der Thurgauer Bevölkerung. Zusammen mit dieser Zeitung blickt er zurück.
Bald endet Ihre Amtszeit als Grossratspräsident des Kantons Thurgau. Was war ein besonders prägendes Ereignis?
Am prägendsten waren sicher die ausserordentlichen Ereignisse, wie etwa die «Monster-» Budgetsitzung im Dezember sowie der unerwartete Todesfall der Regierungsrätin Sonja Wiesmann Schätzle. Das ging mir und natürlich uns allen sehr nahe.
Welche Herausforderungen haben Sie stärker gefordert als erwartet?
Sicher die Ratsführung, vor allem zu Beginn. Als Vorsitzender muss man sich auf jedes einzelne Votum fokussieren; es muss in Form und Inhalt den Vorgaben entsprechen und darf nicht unangemessen, fremdenfeindlich oder antisemitisch sein. Ich unterbrach bereits in einer meiner ersten Sitzungen einen Votanten, zwar nicht wegen inhaltlicher Entgleisungen, sondern weil das Ratsmitglied ausschweifte und völlig vom Thema abkam. Ich musste Einhalt gebieten – da wurde es schlagartig sehr still im Ratssaal. Es ist eine Gratwanderung und natürlich vergleicht der Zurechtgewiesene im Nachgang genau, ob bei allen anderen auch mit derselben Elle gemessen wird.
Ebenfalls herausfordernd war und ist ein Einbürgerungsfall, der diverse Behörden und die Justiz bis hinauf ins Bundesgericht seit mehr als fünf Jahren beschäftigt und der schweizweit für Aufsehen gesorgt hat. Es ist ärgerlich und ungerecht allen ordentlich Eingebürgerten gegenüber, dass der Kanton Thurgau den Streit höchstwahrscheinlich verlieren wird.
Was waren für Sie die schönsten Momente im Amtsjahr – was bleibt Ihnen in besonderer Erinnerung?
Das Jahr war mit sehr viel Freude verbunden, mit unglaublich vielen schönen und unvergesslichen Begegnungen. Die repräsentativen Anlässe, die zwar viel Zeit in Anspruch nehmen, aber für mich ein Highlight waren; ich mag es, bei den Menschen zu sein und zu kommunizieren. Aber anders als zu meiner Zeit als Direktor der Raiffeisenbank stand diesmal nicht «Peter Bühler» im Fokus, sondern der Amtsträger als «höchster Thurgauer», der das ihm übertragene Amt verkörperte. Trotz Amt und Würde war es mir wichtig, dass ich mir selbst treu geblieben bin und meine Authentizität bewahrt habe. Ich musste mich nie verbiegen.
«Die Finanzen bleiben eine grosse Herausforderung»
In Ihrer Amtszeit wurde im Thurgauer Grossen Rat kontrovers über Themen wie etwa die Liegenschaftssteuer – die Abstimmung steht in Kürze an – die Staatsfinanzen und Energiepolitik debattiert. Worüber wurde am heftigsten gestritten?
Ohne Wenn und Aber über die Finanzen! Besonders seitens der Regierung wurde immer wieder darauf beharrt, einen stringenten Sparkurs zu fahren, trotzdem aber den Steuerfuss zu erhöhen. Demgegenüber stand und steht die Parlamentsmehrheit, die nicht gewillt ist, stets noch mehr Ausgaben mit weiter erhöhten Steuereinnahmen zu bewilligen, bevor nicht eine generelle Verzichtsplanung stattgefunden hat. Die Finanzdiskussion hat für erhebliche Reibungsfläche zwischen Legislative und Exekutive gesorgt – da musste ich ab und zu ermahnend einschreiten und um Mässigung ersuchen. Die Finanzen haben mein Amtsjahr geprägt und werden auch jenes meines Nachfolgers bestimmen.
… verständlich, die Finanzen sind doch ziemlich in Schieflage?
Das ja, aber dank der gefassten Massnahmen und der beschlossenen Verzichtsplanung wird das nicht auf lange Sicht so bleiben. Zudem wird im Zuge dieser Vorhaben auch eine Anhebung des Steuerfusses wieder mehrheitsfähig. Ein Ende des Defizits ist absehbar.
Auch beim Thema «Liegenschaftssteuer» gehen die Emotionen hoch. Die Abschaffung hat ihre Berechtigung, immerhin handelt es sich um eine Doppelbesteuerung. Die Abstimmung hat einfach das Pech, dass sie in eine unglückliche Zeit kommt – zumindest aus Sicht der Abschaffungs-Befürworter. Um den erwarteten Einnahmenausfall abzufedern, hat das Parlament beschlossen, dass die Änderungen erst ab Januar 2029 wirksam würden. Und um die Gemeindefinanzen steht es wahrlich nicht so schlecht, wie immer gesagt wird – viele Gemeinden haben auch dieses Jahr weit über ihrem Budget abgeschlossen und verbuchen kräftige Überschüsse. Im Parlament hat die Abschaffung zudem eine gewichtige Mehrheit gefunden, bevor das Referendum ergriffen wurde.
Die Kantonsfinanzen bleiben damit wohl die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre?
Ja, bestimmt. Es stehen viele Investitionen an, die getätigt werden müssen. Es kann nicht alles auf unbestimmte Zeit verschoben werden – zum Beispiel ist der Bau eines neuen Gefängnisses nötig, oder der einer neuen Kantonsschule. Diese Ausgaben schmerzen vielleicht auf den ersten Blick, demgegenüber ist ein Verzichtspaket in Diskussion, das weit über «Pflästerlipolitik» hinausgeht. Diesmal werden gebundene Ausgaben, die eine Gesetzesänderung erfordern, geprüft. Davon verspreche ich mir einiges – nun werden die wirklich fetten Positionen unter die Lupe genommen.
«Am Ende muss man zusammen ein Bier trinken können»
Wie hat sich aus Ihrer Sicht die politische Kultur im Thurgau in den letzten Jahren verändert?
Der Ton ist sicher etwas rauer geworden – aber die Politkultur in unserem Kanton ist nach wie vor eine gute, davon bin ich überzeugt. Wenn es halt um Finanzen geht, wird es schnell emotional. Ich musste ab und zu zur Gelassenheit mahnen und habe daran erinnern müssen, dass wir alle gewählt worden sind – allerdings nicht von den gleichen Leuten. Es liegt in der Natur der Sache, dass jede und jeder für seine Wähler das Bestmögliche herausholen will. Darum sind wir hier und streiten. Aber der Ton bleibt stets anständig, auch wenn wir nicht gleicher Meinung sind. Und am Ende gehen wir ein Bier zusammen trinken. Dies ist meine tiefste Überzeugung! Niemand möchte bei uns schliesslich Verhältnisse wie sie momentan in den USA herrschen.
Was würden Sie Ihrem Nachfolger oder Ihrer Nachfolgerin mit auf den Weg geben?
Unbedingt authentisch bleiben. Das Amt ist wichtiger als die eigene Persönlichkeit und ebenfalls entscheidend: Gelassenheit behalten! Alles, was im Vorfeld planbar ist, gut durchdenken und organisieren, dann lässt sich der Rest – das Unvorhersehbare – entspannt meistern. Vielleicht eine Sitzung unterbrechen, um sich mit dem Vizepräsidenten rücksprechen zu können. Mehr Ratschläge möchte ich nicht erteilen, die Amtsführung wird anders sein als meine und das ist auch gut so. Jede Person verkörpert ein «anderes Stück Thurgau» – durch den Wechsel profitieren alle Menschen von einem Führungsstil, der ihnen das eine Mal mehr, das andere Mal weniger entspricht.
Letzte Frage: Einer Ihrer Leitsprüche lautet: «Wer die Gegenwart geniesst, hat in Zukunft eine wunderbare Vergangenheit.» Wie setzen Sie diesen Gedanken um?
Ich gebe mir tagtäglich Mühe, so zu leben, dass ich eine gute Zukunft habe. Sei dies in gesundheitlicher Hinsicht mit Ernährung und Sport, aber auch darin, dass ich Vorhaben umsetze und nicht für später aufhebe. Ich nehme meine Kinder als Vorbild, sie leben im Hier und Jetzt. Die Zukunft vorbereiten ist in Ordnung, aber deshalb darf man die Gegenwart nicht verpassen. Was ist schlimmer, als alles aufzuschieben, nichts umzusetzen und im Nachhinein zu erkennen, dass man vieles versäumt hat?
Einer anderer von Bühlers Leitsätzen «Ein Lächeln bewegt oft mehr als ein Erdbeben» ist ein einfach zu realisierendes Rezept für eine friedlichere Welt – nicht nur im vollbesetzten Pendlerzug oder an der Kasse. Seine nicht weiter überprüfte Statistik, dass es bei sieben von zehn Personen wirkt, macht Mut; man muss es nur ausprobieren.
Die «Elgger/Aadorfer Zeitung» bedankt sich herzlich für das angeregte Gespräch und wünscht Peter Bühler für die Zukunft alles Gute.
MARIANNE BURGENER