Herbstzeiıt ıst Lesezeit
16.09.2025Ob im kuscheligen Sessel oder auf dem Sofa – auch der Herbst bietet die perfekte Gelegenheit, in Geschichten einzutauchen. Wir haben Sie als Leserinnen und Leser eingeladen, uns ebenfalls ihre Buchtipps vorzustellen. Der Einladung ist Kurt Müller aus Elgg gefolgt. Hier ist sein ...
Ob im kuscheligen Sessel oder auf dem Sofa – auch der Herbst bietet die perfekte Gelegenheit, in Geschichten einzutauchen. Wir haben Sie als Leserinnen und Leser eingeladen, uns ebenfalls ihre Buchtipps vorzustellen. Der Einladung ist Kurt Müller aus Elgg gefolgt. Hier ist sein Buchtipp für den Leseherbst. Und Sie? Welches Buch begleitet Sie durch diese Jahreszeit? Schreiben Sie uns!
«Die Wahrheit, vielleicht»
Felipe ten Holt bewegt sich seit jeher zwischen unterschiedlichen Lebensrealitäten: Als Sohn einer Spanierin und eines Niederländers ist er geprägt von kultureller Vielfalt, aber auch von familiären Spannungen. Beruflich war Felipe als Verhörspezialist tätig, stets auf der Suche nach Wahrheit in einem Geflecht aus Sprache, Körpersignalen, Lüge und Offenbarung.
Nach einigen persönlichen und beruflichen Rückschlägen setzt er nun auf einen Neuanfang als freiberuflicher Dolmetscher. In dieser Rolle – so sein Wunsch – vermittelt er zwar zwischen Menschen, trägt jedoch keine Verantwortung für das, was seine Übersetzungen auslösen.
Episodenhaft wird Felipes Leben und Erleben auf drei Erzählebenen mosaikartig immer deutlicher: Die anfänglich unbeschwerte Kindheit ist jäh zu Ende, als sein Vater verhaftet wird. Was geschehen ist, wird ihm vorenthalten («Du verstehst das noch nicht»). Er erlebt mehrere Befragungen, deren Sinn er nicht erfassen kann. Trotz dieser schwierigen Kindheit kann er studieren, Psychologie und später auch Kriminalistik. Hier wird sein Scharfsinn und sein Bestreben, die Wahrheit zu finden (welche ihm in der Kindheit vorenthalten wurde?), erkannt. Die Karriere als Verhörspezialist steht ihm offen.
Die Zeit als Verhörspezialist ist mehrheitlich in Form kurzer Dialoge mit seinem Mentor wiedergegeben. Diese beziehen sich auf kritische Phasen in Verhören (du sollst nicht die Bestätigung suchen, sondern die Wahrheit / es gibt verschiedene Motive für ein Geständnis). Bis zu seinem verhängnisvollen Fehler, der ihn dazu brachte, nicht mehr Gespräche zu führen, sondern sie nur zu ermöglichen, als Dolmetscher. In dieser Rolle wohnt er vielen Befragungen bei, die Verhören ähneln. Er unterdrückt seinen Drang, durch seine Interpretation Einfluss zu nehmen auf diese Gespräche, welche oft unbefriedigend verlaufen.
Selten hat ein Buch mich derart in den Bann gezogen. Das Dilemma, die Wahrheit zu suchen, aber zur Neutralität verpflichtet zu sein, ist sehr spannend und nachvollziehbar beschrieben.
KURT MÜLLER
Männerleserunde mit Kurt Müller und Ernst Bühler
Kurt Müller und Ernst Bühler koordinieren eine Männerleserunde, die sich etwa sechsmal im Jahr in privatem Rahmen trifft – jeweils nach gemeinsamer Absprache. Gelesen wird ein Buch, das beim nächsten Treffen diskutiert wird. Dabei geht es um den Austausch über Inhalte, Eindrücke und Empfehlungen – ohne literaturkritischen Anspruch, aber mit Freude am Lesen. Der nächste Treff findet am 24. September statt. Interessierte Männer sind herzlich eingeladen mitzumachen. Kontakt über: Kurt Müller, kurt.mue@vtxnet.ch oder Ernst Bühler, ernst.buehler@bluewin.ch
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