Heidi mitten in Elgg und in unseren Herzen
24.04.2025 ElggTheaterzauber für Gross und Klein: Das Theater des Kantons Zürich bringt im Auftrag der Kulturkommission mit «Heidi» frischen Bergwind ins Werkgebäude Elgg – und begeistert das Publikum mit Witz, Musik und ganz viel Emotion. Ein Erlebnisbericht.
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Theaterzauber für Gross und Klein: Das Theater des Kantons Zürich bringt im Auftrag der Kulturkommission mit «Heidi» frischen Bergwind ins Werkgebäude Elgg – und begeistert das Publikum mit Witz, Musik und ganz viel Emotion. Ein Erlebnisbericht.
Ein Sonntagnachmittag, wie gemacht fürs Theater: Kurz nach 16 Uhr beginnt im Werkgebäude Elgg die Vorstellung von «Heidi». Fast alle vorbereiteten Plätze sind belegt, die Kulturkommission als Veranstalterin ist zufrieden, hätte aber auch für ein paar Personen mehr noch Plätze schaffen können. Kinderbeine baumeln auf den Stühlen, erwachsene Begleitpersonen lehnen sich vorfreudig zurück. Das Publikum ist bunt gemischt – da sitzen Mamis und Papis, Grosseltern, Gotte, Götti und neugierige kleine Augenpaare, die gleich eintauchen werden in eine Geschichte, die so alt ist wie aktuell.
Mittendrin: Meine Nichte Lou und ich. Kindersachen muss ich mit Kindern erleben, nur dann machen sie wirklich Freude. Eigentlich wären wir zu dritt gekommen – Lou, ihr Bruder Ben und ich. Aber Ben spielt Faustball, Eulach-Turnier, das geht vor. Also: Mädelsnachmittag. Und auf dem Weg frage ich Lou: «Was weisst du eigentlich über Heidi?»
– «Keine Ahnung», meint die Erstklässlerin, und überlegt dann: «Also, ein Mädchen, das Heidi heisst. Mit einer Geiss vielleicht. Wegen dem Plakat.» Gesehen hatte sie darauf nämlich eine Ziege mit einem stellenweise blau gefärbten Fell. Eine Ziege mit Stil. Oder ein Kanton-Zürich-Fan, wer weiss.
Drei Personen, eine ganze Welt
Was dann kommt, begeistert uns beide und auch alle anderen. Nur drei Personen, eine Schauspielerin und zwei Schauspieler, stehen auf der Bühne – eine Heidi und zwei Herren, die blitzschnell in neue Rollen schlüpfen: mal Geissenpeter, mal Tante Dete, mal Rottenmeier, Grossmutter oder der Alpöhi. Selbst Bärli, die Geiss, bekommt ihre Auftritte. Einer davon ganz grandios, als sie nämlich Peters Schuhbändel mit einem Doppelknopf verknotet, was die Kinder so richtig zum Giggeln bringt.
Und weil die Mittel einfach, aber äusserst durchdacht sind – ein paar Kostümteile, ein Instrument, eine raffinierte Kulisse – wird daraus ganz grosses Theater.
Gespielt wird temporeich, aber immer auch wieder in stimmungsvoller Ruhe, musikalisch, überraschend. Der Geissenpeter sieht sich als «Justin Bieber der Alpen», klimpert auf seiner Ukulele und spielt sich nicht nur in Heidis Herz, sondern auch in jene des Publikums. Die Erwachsenen lachen, die Kinder staunen, und alle tauchen ein in die Welt zwischen Alp und Frankfurt, kindlichem Trotz und tiefer Sehnsucht.
Sätze, die bleiben
Es gibt Sätze, die hängen bleiben. So sagt Heidi einmal: «Alles, was ich will, ist ein Platz. Ein Platz an einem Tisch. Und wenn sich alle an diesen Tisch setzen, dann soll ein Platz frei bleiben und alle sollen sagen, das ist Heidis Platz.» Ein Moment, der unter die Haut geht. Ein Satz, der Heidis ganze Geschichte erzählt: Die Suche des Waisenmädchens nach Zugehörigkeit, nach einem Ort, ihrem Platz im Leben. Und wie schön, dass sie ihn findet – bei einem brummigen, aber herzensguten Alpöhi. Der wiederum sinniert über das Lernen: «In der Schule schaut man nur in die Bücher, aber nicht mehr in die Welt.» Oder er bremst Heidi, die wie immer voller Ungestüm und Tatendrang ist: «Langsam!» Heidis Antwort: «Aber Grossvater, wenn ich langsam mache, erlebe ich nur die Hälfte.» Als Klara auf die Alp kommt, wird Peter eifersüchtig. Und als Klara bei Heidi nachfragt, was denn mit Peter los sei, antwortet diese trocken: «Ach, nichts. Der ist manchmal halt ein Schafseckel.» Ein Gag, der die Erwachsenen zum Lachen bringt – und sie gleichzeitig kurz nach Luft schnappen lässt. Ein wunderbar unerwarteter, frecher Moment.
Ein Stück, das berührt
Die Schauspielenden schaffen es, ihr Publikum ab Minute eins und während der rund 70-minütigen Vorstellung zu fesseln – mit Humor, Tiefgang, Musik und einer grossen Portion Herz. Emotion pur beispielsweise beim Lied «Luagit vo Bärge und Tal», mit dem Heidi das Stück beginnt – ein Gänsehaut-Moment. Später erklingt es erneut, diesmal im Duett mit Peter.
Lou, meine Co-Reporterin, ist nach dem Stück restlos begeistert. Ich frage sie nach fünf Stichwörtern – sie zählt auf: «Lebertran. Rollstuhl. Heimweh. Justin Bieber. Brummelnder Alpöhi.» Und ob sie das Stück noch einmal sehen möchte? Mit leuchtenden Augen antwortet sie wie aus der Pistole geschossen: «Ja, das würde ich! Das würde ich gern!» Und ich auch. Denn selten war ein Theaternachmittag so lebendig, so lustig – und gleichzeitig so berührend. Heidi hat ihren Platz gefunden. In Elgg und in unseren Herzen.
STEPHANIE HUGENTOBLER