Hausbesitzer verkauft Strom an Nachbarschaft
11.09.2025 EttenhausenSilvio Weber aus Ettenhausen produziert seit 2022 Solarstrom auf seinem Dach. Bis Mitte 2025 nutzte er diesen im Rahmen einer Eigenverbrauchsgemeinschaft in der gleichen Liegenschaft. Seit kurzem kann er den Strom auch ausserhalb des eigenen Hauses verkaufen. In Aadorf ist er der erste, der die ...
Silvio Weber aus Ettenhausen produziert seit 2022 Solarstrom auf seinem Dach. Bis Mitte 2025 nutzte er diesen im Rahmen einer Eigenverbrauchsgemeinschaft in der gleichen Liegenschaft. Seit kurzem kann er den Strom auch ausserhalb des eigenen Hauses verkaufen. In Aadorf ist er der erste, der die Möglichkeit der virtuellen Eigenverbrauchsgemeinschaft nutzt.
Um produzierten Solarstrom innerhalb eines Mehrfamilienhauses zu nutzen, braucht es einen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) beziehungsweise eine Eigenverbrauchsgemeinschaft (EVG). Silvio Weber aus Ettenhausen macht davon seit August 2022 Gebrauch. Er nutzt den Strom seiner Solaranlage mit einer Fläche von 80 Quadratmetern, die nach seinen eigenen Angaben etwa 14’000 Kilowattstunden Strom im Jahr produziert, für den eigenen Haushalt und die beiden zwei Mietparteien in der gleichen Liegenschaft. «Ich konnte den Strom bis vor kurzem nur innerhalb meiner eigenen Liegenschaft nutzen und musste dafür eine Eigenverbrauchsgemeinschaft (EVG) gründen», sagt Weber
Seit Anfang 2025 nun ermöglicht es das neue Energiegesetz, weitere Verbrauchsstellen ausserhalb einer Liegenschaft in eine neue, virtuelle ZEV beziehungsweise eine virtuelle EVG zu integrieren. Voraussetzung für den sogenannte virtuellen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (vZEV) beziehungsweise eine virtuelle Eigenverbrauchsgemeinschaft (vEVG) ist, dass die Liegenschaften im Stromnetz den gleichen Verknüpfungspunkt (Netzanschlusspunkt) haben. Zu diesem Zweck steht vor Webers Haus eine Verteilerkabine. «Daran sind drei weitere Häuser in der Nähe mit einem separaten Anschlusskabel angeschlossen», sagt er. Die Verteilung laufe automatisch über einen SmartMeter (digitaler Stromzähler, der den Stromverbrauch in Echtzeit misst und die Daten automatisch übermittelt).
Erster privater Anbieter in Aadorf
«Ich bin der Erste in der Gemeinde Aadorf, der diese Möglichkeit nutzt», sagt Silvio Weber. Wer von ihm wann und wieviel Strom beziehe, werde vom EW Aadorf überwacht und abgerechnet. «Quartalweise bekomme ich die Vergütung für meinen Strom.» Diese betrage nur einen Rappen weniger als das EW dafür berechnet hätte. «Mit dem verkauften Strom meiner Anlage kann ich jedes Jahr knapp zehn Prozent meiner getätigten Investitionskosten amortisieren. Das ist eine gute Rendite», so der Ettenhauser Hauseigentümer. Aber das Geld sei nicht ausschlaggebend gewesen für seine Entscheidung, eine Solaranlage zu installieren und eine EVG und später eine vEVG zu gründen. «Ich wollte unabhängig sein und etwas ökologisch Sinnvolles für mich und meine Mieter sowie die Allgemeinheit tun», erklärt Weber. «Dass ich nun daran etwas verdiene, ist für mich ein schöner Nebeneffekt.»
Sorgen bereitet Silvio Weber allerdings das mögliche Stromabkommen mit der EU, wie er erklärt. Wer Strom von der eigenen Solaranlage ins Netz einspeist, bekommt dafür einen fixen Mindestbetrag. Bei einem Stromabkommen mit der EU müsste die Schweiz diese Preisgarantie für Solarstrom aus Anlagen Privater abschaffen.
Drei weitere private Anbieter
Dass Silvio Weber der erste Private in der Gemeinde Aadorf ist, der die Möglichkeit nutzt, seinen Solarstrom mit einer vEVG auch ausserhalb der Liegenschaft zu verkaufen, bestätigt auch André Meile, Leiter Werke Aadorf. Inzwischen gebe es bereits drei weitere Gemeinschaften in der Gemeinde, die den Strom über eine vEVG in der Nachbarschaft verkaufe. Eigenverbrauchsgemeinschaften (EVGs), welche die Energie in der gleichen Liegenschaft verkaufen, gibt es laut Meile in Aadorf bisher etwa 55 Stück.
BETTINA STICHER/KURT LICHTENSTEIGER
Informationen des EW Aadorf
Seit dem 1. Januar 2025 ist es möglich, einen virtuellen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (vZEV) zu bilden. Ein virtueller ZEV unterscheidet sich wie folgt vom herkömmlichen ZEV: In einem virtuellen ZEV schliessen sich Liegenschaften zusammen, die über einen gemeinsamen Anschlusspunkt (Verteilkabine, Trafostation oder Muffe) zum Versorgungsnetz verfügen. Es findet eine virtuelle Austauschmessung statt und für die Stromverteilung innerhalb des virtuellen ZEVs können die bestehenden Leitungen verwendet werden. Es braucht also keine neuen Verbindungsleitungen oder andere baulichen Massnahmen, um einen virtuellen ZEV zu bilden.
In Zukunft (ab 1. Januar 2026) kann sich jeder Strombezüger in der Schweiz einer lokalen Elektrizitätsgemeinschaft (LEG) anschliessen. Eine LEG kann mit Energieerzeugungsanlagen, Speichern und Endverbrauchern gebildet werden, die in der gleichen Gemeinde, beim gleichen Verteilnetzbetreiber (VNB) und auf der gleichen Netzebene angeschlossen sind. Für die Nutzung des Verteilnetzes zum Stromaustausch werden reduzierte Netznutzungsgebühren fällig. Scheint die Sonne, kann der Bedarf (teilweise) mit lokalem Solarstrom gedeckt werden. Scheint die Sonne nicht, kommt der Strom wie gewohnt vom Verteilnetzbetreiber.