Hausärztliche Versorgung in Aadorf
12.04.2025 LeserbriefeMein Arztkollege aus Aadorf, Doktor Daniel Maurer, hat ja die prekäre Situation in der Gemeinde Aadorf bereits dargelegt, vgl. dazu den Artikel in der «Elgger/Aadorfer Zeitung» vom 12.Oktober 2023 «Ärztemangel spitzt sich zu». Ein weiterer Artikel zum Thema ...
Mein Arztkollege aus Aadorf, Doktor Daniel Maurer, hat ja die prekäre Situation in der Gemeinde Aadorf bereits dargelegt, vgl. dazu den Artikel in der «Elgger/Aadorfer Zeitung» vom 12.Oktober 2023 «Ärztemangel spitzt sich zu». Ein weiterer Artikel zum Thema Hausärztemangel wurde in dieser Zeitung am 6. Februar 2024 veröffentlich. Autorin war Esther Wiesendanger, Geschäftsführerin der Permanence Notfallpraxis am Bahnhof Winterthur. Sie listete dort detailliert die unsinnigen und zunehmenden Vorschriften auf, welche im Rahmen eines Ärztequalitätszirkels gesammelt wurden.
In meiner Praxis fehlen 50 bis 100 Prozent Arztstellen. In der Praxis Untermoos fehlen 180 Prozent Arztstellen. Ein Viertel aller Hausärzte ist über 60 Jahre alt. Die FMH Präsidentin Yvonne Gilli hat schon jetzt alle Ärzte aufgerufen, sie mögen bis 70 Jahre weiterarbeiten, um die ärztliche Versorgung aufrechterhalten zu können. Hierfür müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen. Speziell im Kanton Thurgau gibt es noch viel Luft nach oben. Obwohl vordergründig immer von einer Verbesserung der Hausarztmedizin gesprochen wird, wird hintergründig die Mikroregulation ständig vorangetrieben. Dies ist natürlich für die Patienten noch nicht spürbar. Das neuste Beispiel ist die Nichtmehrvergütung von einem Blutmarker zum Ausschluss oder Verifizierung von einem Herzinfarkt. Es gibt nun einen leicht besseren Test. Nun sollen alle Ärzte das erst wenige Jahre alte Laborgerät entsorgen und ein neues Laborgerät mit neuem Test kaufen. Selbstverständlich kostet der neue Test ein Drittel mehr als der alte Test.
Auch unsere Praxis hat einen Aufnahmestopp für neue Patienten. Es gibt wenige Ausnahmefälle für Familienangehörige. Die neu zugezogenen Einwohner müssen weiterhin bei ihrem früheren Hausarzt als Patienten verbleiben. Überhaupt darf jeder Einwohner der Gemeinde Aadorf sich als privilegiert bezeichnen, wenn er in Aadorf selber seinen Hausarzt hat. Unserer Praxis wird es nicht mehr möglich sein, alle Notfälle (vom Patient anders definiert als vom Arzt) noch anschauen zu können.
Wir müssen uns vorbehalten, einige Patienten an das Kantonsspital Frauenfeld weiterzuweisen oder an die Permanence Praxis in Winterthur. Meines Wissens gilt dies auch für die Praxis Untermoos, auch diese Praxis kann nicht mehr alle Patienten am gleichen Tag annehmen. Diesbezüglich hoffe und bitte ich um mehr Verständnis von der Bevölkerung in Aadorf. Meine Arztgehilfinnen wollen auch pünktlich nach Hause gehen zu ihren Familien. Die Ärzte sind auch nicht mehr bereit, 60 Stunden in der Woche oder noch mehr zu arbeiten. Ein überarbeiteter und schlecht gelaunter Hausarzt ist kein freundliches Gegenüber für den hilfesuchenden Patienten.
Wir erwarten von den Patienten mehr Verständnis, dass Wartezeiten auftreten können. Bei einem Notfall müssen sogar Termine verschoben werden. Jeder Patient mit einer lebensbedrohlichen Situation ist darauf angewiesen, sofort die bestmögliche Erste Hilfe zu erhalten. Schon heute können beide Praxen in Aadorf bei sehr grossem Andrang vorübergehend das Telefon nicht mehr abnehmen. Wenn das Telefon öfters besetzt ist, braucht es halt mehrere Anrufversuche an gewissen Tagen. Obwohl beide Praxen drei oder sogar vier Telefonleitungen haben, sind diese Leitungen teilweise besetzt von den ankommenden oder abgehenden Emails. Eine Leitung muss immer offen bleiben für Notfälle von Polizei und Aufträge von 144, welche einfachere Fälle an den Hausarzt vor Ort delegiert. Dies auch zur Ersparnis von Kosten.
Für die fehlender permanente telefonische Erreichbarkeit müssen meine Arztgehilfinnen viele ungerechtfertigte Reklamationen über sich ergehen lassen. Das Resultat von fordernden und verwöhnten Patienten? Immer alles sofort bekommen und möglichst ohne Arztbesuch? Vor allem eine teure Physiotherapieverordnung nur telefonisch bei der MPA bestellen? Überweisung für psychologische/psychiatrische Hilfe nur bei der MPA bestellen? Auch wir Ärzte dürfen unsere Vorstellungen äussern im aktuellen Ärztemangel und unseren knappen und kostbaren Zeit. Meine persönlichen Erfahrungen decken sich mit identischen Erfahrungen und Beschwerden der Praxis Untermoos in Aadorf.
DOKTOR MED. THOMAS CLERC, HAUSARZT IN AADORF