«Hagenbuch hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin»
25.06.2022 HagenbuchDie neue Gemeindeschreiberin ist im Dorf keine unbekannte Person; sie wohnte bereits als Kind im Ort und absolvierte ihre kaufmännische Ausbildung in der Gemeindeverwaltung. Ab 2016 arbeitete Melanie Thomann in Rickenbach als Sozial- und Gesundheitssekretärin sowie stellvertretende Gemeindeschreiberin. Nun ist sie wieder zurück.
Der Weg zurück war gewünscht, gewollt und genauso geplant – vielleicht etwas früher als gedacht. Irgendwie habe alles von Anfang an einfach perfekt gepasst, sagt Melanie Thomann. Sie sei mit elf Jahren aus der Dominikanischen Republik in die Schweiz gekommen – glücklicherweise nach Hagenbuch. Die Sprache musste erlernt, fremde Schulstrukturen und eine neue Umgebung angenommen werden. Die Menschen hätten sie bedingungslos akzeptiert und ihr die Chance auf eine schöne und unbeschwerte Kindheit gegeben und schliesslich eine Ausbildung auf der Verwaltung ermöglicht. Eine Chance, die sie gepackt hat. Sie erzählt, dass es immer ein offenes Geheimnis gewesen sei, dass sie sehr gerne Gemeindeschreiberin in Hagenbuch sein möchte, sobald sich die Gelegenheit dazu bieten würde. Nach der Lehre übernahm sie hier die Leitung der Einwohnerkontrolle, bis sie im Frühling vier Jahre später eine neue Herausforderung auf der Gemeindeverwaltung in Rickenbach annahm.
Als der amtierende Hagenbucher Gemeindeschreiber Stefan Rüegg frühzeitig zurücktrat, bewarb sie sich um die Stelle. Das nötige (theoretische) Rüstzeug hat sie sich berufsbegleitend während ihrer Tätigkeit in Rickenbach beschafft; für den praktischen Background sorgten ihre Funktionen als stellvertretende Gemeindeschreiberin und Leiterin der Sozialund Gesundheitsbehörde. Ausserdem ist sie im Vorstand des Vereins Zürcher Gemeindeschreiber und Verwaltungsfachleute des Bezirks Winterthur. Ihre Bewerbung war weder für den einen noch anderen Ort eine grosse Überraschung, hat sie doch ihre Ambitionen stets offen kommuniziert. Am 1. Juni bezog sie nun ihren Wunsch-Arbeitsplatz mit einem 80-Prozent-Pensum. Die restlichen 20 arbeitet sie noch bis Ende Juni in Rickenbach. Die junge und sehr herzliche Frau stellt sich den Hagenbucherinnen und Hagenbuchern im Interview vor:
FRAGE: WAS MACHT DIE FUNKTION ALS GEMEINDESCHREIBERIN IN EINER EHER KLEINEN GEMEINDE SPEZIELL?
Antwort: Diese Grösse gewährt einen optimalen Einblick in alle Abteilungen, man hat überall Mitspracherecht und mit der Zeit bildet sich ein breites Fachwissen. Diese Faktoren sorgen für eine abwechslungsreiche Tätigkeit. Ausserdem ist man immer nahe an der Bevölkerung; dadurch, dass ich hier aufgewachsen bin, kenne ich sowieso sehr viele. Für mich macht dieser Umstand meine Arbeit einfacher, auch wenn wir manchmal verschiedene Meinungen vertreten werden. Ich bin im Herzen eine Hagenbucherin; eine mit einer konsequenten Linie.
WAS MUSS DIE BEVÖLKERUNG ÜBER «DIE NEUE» WISSEN? WAS MACHT SIE AUS?
Mit mir kann – und muss – man immer offen kommunizieren. Die Leute können mit ihren Anliegen direkt zu mir kommen. Ich bin ein pflichtbewusster, offener Mensch und ein Organisationstalent. Man kann sich auf mich verlassen.
Verbesserungspotenzial in der Kommunikation
WELCHES ZIEL HABEN SIE SICH GESETZT?
Ich wünsche mir einen Gemeinderat, der an einem Strick zieht, zusammenwächst und mit der Verwaltung gemeinsam optimale Arbeit leistet. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir einer Familie gleich eine Einheit bilden. Der Gemeinderat soll wissen, dass er auf uns als Verwaltungsmitarbeitende zählen kann, aber auch wir wollen uns auf dieses Gremium verlassen. Ich will ein Miteinander zum Wohle der Bevölkerung.
WO SEHEN SIE BEDARF ZUR VERÄNDERUNG/VERBESSERUNG?
Die Kommunikation gegenüber der Bevölkerung muss verbessert werden. Ich habe schon da und dort mitbekommen, dass hier Verbesserungspotenzial herrscht und gewünscht wird, dass die Verwaltung als Ganzes zugänglicher wird. Ich will die Dinge direkt diskutieren und nicht hintenrum etwas Halbwahres erfahren. Wir sind kein abgeschirmtes Amt, an das man sich nicht wenden darf – wir wollen gemeinsam Lösungen finden.
WAS FINDEN SIE AN HAGENBUCH BESONDERS SCHÖN?
Die wunderbare grüne Landschaft. Ich bin hier auf einem «Bauernhof» aufgewachsen, kenne jeden schönen Platz. Von hier aus ist man auch schnell in der Stadt. Trotzdem haben wir deren Probleme nicht, sondern geniessen die Ruhe auf dem Land.
WANN HABEN SIE DAS LETZTE MAL SO RICHTIG HERZHAFT GELACHT?
Ich bin eine grundsätzlich fröhliche Person und lache viel. Aber kürzlich, anlässlich eines Geburtstagsfestes in der Familie, organisierten Freundinnen von mir etwas für mich und das war so lustig. Wir lachten alle Tränen.
WORÜBER HABEN SIE SICH KÜRZLICH GEÄRGERT?
Konkret habe ich jetzt kein Bespiel. Aber ich kann Unehrlichkeit nicht ausstehen. Wenn jemand mein Vertrauen mutwillig missbraucht, dann gibt es fast kein Zurück mehr für diese Beziehung. Ich bin nicht nachtragend, aber mit dieser Person gehe ich auf Distanz. Da bin ich streng und konsequent. Zum Glück ist mir das fast noch nie passiert.
Menschen an der Leistung statt Herkunft messen
WENN SIE KÖNNTEN, WELCHES GESETZ ODER WELCHE VORSCHRIFT WÜRDEN SIE SOFORT ERLASSEN?
Gleichberechtigung für alle. Auf allen Gebieten – zum Beispiel Steuergerechtigkeit für Verheiratete. Hier müssen für alle die gleichen Regeln gelten: für Ehepaare, gleichgeschlechtliche Paare, Ledige. Wir leben doch in einer Welt, wo der Mensch und das, was er leistet, im Mittelpunkt stehen muss. Melanie Thomann erzählt an dieser Stelle, wie dankbar sie der Gemeinde Hagenbuch und ihrer Bevölkerung noch heute ist, dass sie damals ohne jedes Vorurteil auf- und angenommen worden sei. Niemals und nirgendwo habe sie auch nur einen Hauch von Diskriminierung oder Argwohn aufgrund ihrer Herkunft wahrgenommen. Sie sei immer respektvoll behandelt worden. Sie sei überzeugt, dass sie nicht die Person geworden wäre, die sie heute ist, wäre sie in der Anonymität einer Stadt aufgewachsen. Die Gemeindeschreiberin verbindet Hagenbuch mit absolut nichts Negativem. Die Kindheit auf dem «Bauernhof» habe sie geformt und geprägt. Sie sagt: «Diese schönen Erfahrungen sind sicher ein Grund, warum ich wieder hierher zurückgekommen bin. Hagenbuch hat mir Chance und Rückhalt gegeben. Klar, musste ich mich beweisen und die Leistung bringen, aber die Türe dazu hat mir die Bevölkerung geöffnet.»
WO VERBRINGEN SIE IHRE NÄCHSTEN FERIEN?
Wir fliegen für drei Wochen in die Dominikanische Republik. Ich habe Ferien nötig – es war etwas viel los in der letzten Zeit. In Rickenbach war ich bis Ende Mai noch für das Asylwesen dreier Gemeinden zuständig; mit den ganzen Menschen aus der Ukraine eine grosse Aufgabe. Ihre Schicksale lassen mich nicht kalt, ich bin ein Familienmensch und wenn ich mir vorstelle, wir wären von Krieg betroffen, beschäftigt mich das sehr. Dazu arbeite ich mich in meine Aufgaben als Gemeindeschreiberin ein und bin Mutter eines kleinen Mädchens. Das verlangt einiges an Koordination. So freue ich mich auf drei Wochen ausspannen, baden und einfach mal nichts tun zusammen mit Mann und Tochter. Dazwischen werden wir ein paar Verwandte besuchen; eine gute Mischung. Danach werde ich mich frisch ausgeruht mit viel Freude in meine Aufgaben stürzen.
Die «Elgger/Aadorfer Zeitung» bedankt sich bei Melanie Thomann für die Zeit, die sie für das Gespräch aufbrachte und wünscht der Gemeindeschreiberin für alle anstehenden Herausforderungen alles Gute.
MARIANNE BURGENER