Garantiert
25.10.2025Es war ein Topangebot unseres ländlichen Detailhändlers. Die Hollywoodschaukel, die wir vor zwei Jahren gekauft haben. Mit fünf Jahren Garantie. Ich habe an diesem sommerwarmen Septembertag unseren Pool eingewintert und will noch auf der Schaukel den Nachmittag in der Sonne ...
Es war ein Topangebot unseres ländlichen Detailhändlers. Die Hollywoodschaukel, die wir vor zwei Jahren gekauft haben. Mit fünf Jahren Garantie. Ich habe an diesem sommerwarmen Septembertag unseren Pool eingewintert und will noch auf der Schaukel den Nachmittag in der Sonne geniessen, bevor ich mich für ein Konzert chic mache. Lege mich ohne Polster direkt auf das Kunststoffgewebe und schliesse die Augen. Ein paar Minuten kann ich so entspannen, bis ich mich liegend aufrichte, dabei den Ellbogen ins Gewebe drücke und mein Handy ergreife. Soweit kommt es nicht. Ein lautes «Ratsch» kündigt das Unheil an und als ich mich im Schotter unter der Liege zwischen Stangen wieder finde, wird mir klar, dass das Kunstgewebe gerissen ist.
Ich rappele mich auf und befreie mich aus der misslichen Lage. Verwundert über das frühe Ableben checke ich den Kaufbeleg. Zwei Jahre und drei Monate ist es erst her, seit wir dieses Teil zusammensetzten. Und jetzt ist es schon kaputt? Obwohl wir es wettergeschützt überwintern?
Ich drucke den elektronisch abgelegten Kaufbeleg aus und konfrontiere den Kundendienst in der nahen Filiale damit. Der nette Herr gibt sich alle Mühe und verkündigt mir einen Tag später telefonisch: «Ersatzteil und s‘Modell git‘s nüme, darum wird Ihne de voll Chaufpriis zruggerstattet. Bringed Sie d‘Schaukle mit em Beleg bi üs vorbii, dänn erhalted Sie d‘Guetschrift – garantiert.»
Befohlen – befolgt! Die Hollywoodschaukel in den Anhänger geladen. Den Kaufbeleg nochmals ausgedruckt, eine bereits vorhandene Gutschriftkarte dieses Detailhändlers eingepackt und das Top-Angebot als beinahe ganzes zur Entsorgung in der Filiale abgeliefert. Der Mitarbeiter an der Rampe verweist mich an die Chefin im Laden. Am Kundendienst ist diese ohne mein Nachfragen gerade im Einsatz. Sie nimmt den Beleg entgegen und versichert mir, dass ich den vollen Betrag gutgeschrieben erhalte. Dann drückt sie mir einen Zettel in die Hand und bittet mich damit an der Kasse die Gutschrift einzufordern.
Sie isch villicht d‘Chefin vom Lade, aber ich bin Chef vo de Situation.
Die Kassierin will meine mitgeführte Karte nicht mit der Gutschrift «befüllen», weil Zitat: «Ich cha das leider nöd. Ich muess Ihne e neui Charte usstelle!» Das Argument der Nachhaltigkeit und des Plastiksparens verfängt nicht. Als sie mir den Betrag auf die Karte geladen hat, stutze ich: «Fehled do nöd 20 Franke?» Auf dem Beleg, den ich schon wieder nicht mehr habe, stand doch ein anderer Betrag? «Nei, das isch de richtig Betrag!», entgegnet die Kassierin. «Und glaubed mer: Das hät d’Chefin usgfüllt. Das isch sicher richtig – garantiert.»
Dieses Argument überzeugt mich nur halbwegs und im Hinausgehen denke ich: «Sie isch villicht d‘Chefin vom Lade, aber ich bin Chef vo de Situation.»
Zuhause angekommen, konsultiere ich den Beleg und entdecke, dass ich sogar um 30 Franken geprellt worden bin. So drucke ich den Beleg ein drittes Mal aus, nehme die beiden Plastikkarten mit und mache mich erneut auf.
Am Kundendienst erwartet mich die Chefin: «Stimmt öppis nöd?» Sie entdeckt, dass das Produkt unterdessen billiger geworden ist. «Chömmed sie bitte mit ad Kasse. Ich zahl Ihne persönlich de fehlend Betrag us.» An der Kasse streckte ich ihr die jungfräuliche Karte von vor einer halben Stunde hin und höre dann den bekannten Satz: «Ich cha das leider nöd. Ich muess Ihne e neui Charte usstelle!» Ich lass es über mich ergehen und nehme auch diese Karte in Empfang. Sie gibt mir den Kaufbeleg zurück mit der Bemerkung: «De chönned Sie jetzt wieder ha.»
Als ich den Laden verlasse, nach drei ausgedruckten Kaufbelegen und mit zwei neuen Plastikkarten, frage ich mich: «Was bitteschön isch do garantiert? S‘Tohuwabohu oder d‘Papier-Plastikfluet?»
Noch etwas ist garantiert: Das Ablaufdatum der Karten ist September 2075. Ich stelle mir vor, wie ich im August 2075, inzwischen hundertachtjährig, mit meinem Rollator in den Laden hoovere und der Kassierin mit zittriger Hand die zwei Karten hinstrecke: «Diä han ich grad no gfunde! Sind diä no gültig?»
Sofern die Karten bis dann nicht zerbröselt sind.
STEFAN WANZENRIED federdirigent.ch



