Fürsorge und Aufmerksamkeit für Pferdefüsse

  21.07.2022 Wittenwil

Ist von Pferdefüssen die Rede, wird gemeinhin Unangenehmes vermutet. Nicht so Andreas Hediger; er ist Huftechniker und sieht nur Gutes in Pferdefüssen und deren anderer Vertreter der Equiden, so der Fachbegriff für die Familie.

Das erste grosse Fragezeichen hat der Unwissende bereits bei den Berufsbezeichnungen Hufpfleger und -techniker. Unter Hufschmied können sich die meisten etwas vorstellen, präsent das Bild mit Esse und Amboss und dem Schmied, der mit kräftigen Oberarmen ein Hufeisen bearbeitet, bis dieses auf den Huf des wartenden Pferdes passt. Die Ausbildung dauert vier Jahre und berechtigt den Schmied, die Tiere sogenannt «heiss» zu beschlagen. Demgegenüber widmet sich ein Hufpfleger, wie es der Name schon sagt, der Pflege; bearbeiten und sauberes Ausschneiden sind im Fokus der Arbeit. Die Ausbildung dauert je nach Schule ein Jahr mit abschliessenden Prüfungen in Theorie und Praxis. Geniesst ein Tier diese Pflege, ist es vergleichbar mit einer Pediküre beim Menschen. Andreas Hediger erzählt, dass ihm die besuchte Ausbildung noch nicht gereicht hätte. Er habe mehr wissen und noch tiefer in das komplexe Thema eintauchen wollen. Auf seiner Suche sei er auf die Zusatzausbildung zum Huftechniker gestossen, die bis jetzt nur in Deutschland angeboten würde. Das vermittelte Wissen drehe sich um die verschiedenen Kunststoffbeschläge. Im Unterschied gegenüber dem Schmied werden diese von Pfleger und Techniker geklebt. Das zuständige Veterinäramt schreibe schliesslich vor, welche Theorie- und Praxislektionen vorliegen müssen, bevor jemand als Huftechniker oder -pfleger arbeiten dürfe, wie der Wittenwiler erklärt.

Der Mensch macht den Hauptunterschied

Für das Tier spielt es keine Rolle, ob es von einem Schmied oder einem Techniker bearbeitet wird. Wichtig ist, dass ihm die beste Pflege angedeiht und der optimale Hufschutz verwendet wird. Gemäss Fachmann Hediger ist für den ausführenden Menschen entscheidender, ob er fähig ist, auf das Tier einzugehen und ihm mit Ruhe und Respekt begegnet. Ebenso wichtig sei es, dass sich der Besitzer das Einsatzgebiet überlege und sich darüber informiere, welche Möglichkeiten der Markt biete. Und nicht zuletzt entscheiden Beschaffenheit und Zustand des Hufs, womit es beschlagen werden sollte.
Natürlich spiele auch Gewohnheit und Vorliebe des Besitzers eine Rolle. «So ist der eine überzeugt, dass der klassische Metallbeschlag optimal ist. Der andere wünscht sich einen aus einem anderen Material, weil er die Vibrationen, die durch Metall beim Auftreten ausgelöst werden, verhindern will. Dann kommt Kunststoff besser infrage», erklärt er weiter. Dadurch, dass dieser weicher ist, werden die Vibrationen absorbiert. «Pferde oder Esel, die von Natur aus mit kräftigen Hufen, die sehr gut nachwachsen, ausgestattet sind, können als Barhufer belassen werden. Oder ein beschlagenes Tier wird umgestellt.» Dieser Prozess muss begleitet werden: Nachdem möglichst sanft die vorhandenen Eisen entfernt wurden, müssen Beschaffenheit von Horn und Huf geprüft werden. Es folgt eine eingehende Pflege und die Anpassung eines eventuellen Hufschutzes.
Hufe unbeschlagen zu lassen, ist momentan ein Trend, den Hediger befürwortet, mit der Begründung, dass die Bewegung so ausgeführt werden kann, wie von der Natur vorgesehen. Der Huf öffnet und schliesst sich beim Auftreten, was durch einen Beschlag verhindert oder wenigstens beeinträchtigt wird. Ein Wachstumszyklus dauert ein Jahr – solange braucht es, bis das Horn um eine Huflänge von oben nach unten nachgewachsen ist.

Der Kundenstamm muss aufgebaut werden

Momentan übt Andreas Hediger noch zwei Berufe aus. Sein Haupteinkommen verdient er als Maurer. Sein erklärtes Ziel ist, als Hufpfleger oder -techniker leben zu können. Diese Arbeit fülle ihn aus. Noch stehe er am Anfang seiner Karriere. Die Ausbildung zum Techniker habe er erst Anfang dieses Jahres abgeschlossen. Davor habe er für den Hufpfleger die Schulbank gedrückt. Nun gelte es, einen Kundenstamm aufzubauen, ein Ansinnen, das Geduld und Zeit erfordere. Die Frage, ob sich das Bewusstsein gegenüber Pferden in der letzten Zeit verändert habe, bejaht der Spezialist. Heute sei mehr das gesamte Wohlbefinden im Blickfeld; daher auch die Vielfalt an verschiedenen Beschlägen, die teilweise sogar passgenau mittels 3D-Drucker hergestellt würden. Mit dem Blick auf Wohlergehen und Bedürfnisse würden auch Diskussionen geführt, die noch vor einigen Jahren kaum Interesse geweckt hätten. So etwa jene zur Einstellung der traditionsreichen Wiener Fiaker mit ihren vorgespannten Pferden, die auch bei grösster Hitze Touristen über den Asphalt ziehen müssen. Ein Thema, das für Hediger und für viele andere mit Empathie für die empfindlichen Tiere wichtig ist, aber mit seinem Beruf an und für sich nichts zu tun hat – allerdings viel mit der Gesundheit seiner «Kundschaft», die ihm sehr am Herzen liegt.

Angefangen hat es mit Schnäuzelchen

Das Schönste an seinem Beruf sei, wenn er einem Pferd helfen könne, zum Beispiel, wenn dieses an Hufrehe leide. Dabei handelt sich um eine aseptische diffuse Entzündung der Huflederhaut, die unbedingt behandelt werden muss. «Wenn auf den Röntgenbildern ersichtlich ist, dass es besser wird, ist das ein wunderbares Gefühl», erklärt der Fachmann, der selbst nicht reitet, «ich arbeite unheimlich gerne mit den Tieren, aber das Reiten sagt mir nichts. Es ist viel mehr die Faszination an der Komplexität des Bewegungsapparats, speziell am Huf, die mich in den Bann gezogen hat.» Auslöser für seine Aus- und Weiterbildungen war Schnäuzelchen, oder Tir-na-n’ Ough, wie er richtig heisst. Der Wallach gehört seiner Partnerin und sie habe es nicht mehr mit ansehen wollen, dass er fürs Beschlagen jeweils sediert werden musste. Zur Umstellung auf barhuf wurden Hufpfleger beigezogen, die aber nicht zur vollsten Zufriedenheit der Besitzerin arbeiteten. So beschloss Hediger, die Dinge, respektive die Hufe, selbst in die Hand zu nehmen und sich zum Hufpfleger und später zum Huftechniker ausbilden zu lassen. Schnäuzelchen mag es ihm danken, er steht äusserst zufrieden in seiner Box und lässt sich genüsslich den Hals kraulen.

MARIANNE BURGENER

Kontaktdaten
Andreas Hediger
079 612 91 90
www.hoofandmore.ch

 


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote