Froschhaltefolie
20.03.2025 HagenbuchDer feuchte Morgen hält nur wenige Grade über Null bereit, wenn die Amphibienwanderung startet. Das Zeichen zum Aufbruch erreicht die Frösche, Kröten und Molche im nahen Wald, der ihnen in der kalten Saison Obdach bot.
Sie verbrachten eine Winterruhe ...
Der feuchte Morgen hält nur wenige Grade über Null bereit, wenn die Amphibienwanderung startet. Das Zeichen zum Aufbruch erreicht die Frösche, Kröten und Molche im nahen Wald, der ihnen in der kalten Saison Obdach bot.
Sie verbrachten eine Winterruhe ohne Nahrung bei einem sehr tiefen Stoffwechsel. In Holzhaufen, Scheiterbeigen oder schlicht in einem Erdloch eingegraben, verharrten die Amphibien in ihrem Winterquartier. Bis jetzt.
Der grösste Feind für das Tierreich ist der Mensch. Umweltgifte und gedankenlos verschleppte Pilz- oder Bakterienerkrankungen reduzieren den Bestand der geschützten Amphibien. Darauf sind sie besonders anfällig, atmen sie doch auch über die Haut. Eingeschalte Bachverläufe spülen die Wanderer fort. Und mit dem Strassenverkehr kommt wohl der plakativste Krötenkiller.
Amphibien können nicht anders, sie folgen ihrem Instinkt. Wo die Frösche, Kröten und Molche einst das Licht der Welt erblickten, da wollen sie hartnäckig wieder hin. Suchen jedes Jahr jene Gewässer wieder auf, in denen sie sich von der Kaulquappe zum Frosch oder zur Kröte gewandelt hatten. Aber nun ist fertig getrödelt, es treibt der Trieb, die Fortpflanzung drängt. Zeit, die Laichplätze aufzusuchen. Nur wenige hundert Meter trennen den Hügel oberhalb Egghof vom Naturschutzgebiet auf der anderen Strassenseite und seinen Fortpflanzungsgewässern an der Grenze zum Thurgau. Der Weg durchs Weidegras wird zum Buffet für Katzen und Greifvögel.
Der Märchenprinz
Keck quakende Männchen versuchen hochgereckt im Paarungsruf die vorbeiziehenden Weibchen zu beeindrucken. Je lauter ein Männchen rufen kann, desto viriler und attraktiver ist es für die Weibchen. Ein idealer Aussichtspunkt auf dieser Brautschau bildet tragischerweise die Hauptstrasse. Sehen und gesehen werden. Während die Mädels also zielstrebig und still vorbeiwandern, warten die Machomännchen darauf, mitgenommen zu werden; als Anhalter per Huckepack zur Paarung im Teich. Krötenmännchen haben keine natürliche Angst vor Autos - und das wird ihnen auf dem Asphaltband zum Verhängnis. Einem heranrauschenden Lichtkegel wird mit Aufrichten gedroht. Fatal.
Auf Achse und unter die Räder
Der Verkehr fordert seinen Tribut, zerstört Hochzeiten und grüne Kopulationspläne. Unausweichlich? Mit erheblichen Kosten könnten permanente, bauliche Unterführungen realisiert werden. Ein solcher Amphibiendurchlass – schlicht eine stattliche, lange Röhre – führte so aus dem Wald unter der betroffenen Strasse hindurch in Sicherheit. Die Gemeinde Hagenbuch verfolgt wie so viele andere Ortschaften einen pragmatischeren Ansatz. Der Kanton Zürich verlegt kurz vor Beginn der Amphibienwanderungen weiträumig Rückhalteblachen an der Zugstelle zwischen Egghof und Hagenbuch. So stehen von Mitte Februar bis Mai die Absperrungen am Strassenrand und leiten den Laichverkehr in eingelassene Plastikeimer. Nun liegt es an motivierten Naturschützern, die Behältnisse regelmässig zu leeren und die Wanderer in die Tümpel und Brackwasserkuhlen ennet der Strasse zu verfrachten. Diese Freiwilligen garantieren den Fortpflanzungserfolg. Im Jahr 2024 konnten dank ihnen an dieser Zugstelle über 1500 Tiere gerettet werden. Grasfrösche, Erdkröten, Berg- und Fadenmolche.
Feinde in den eigenen Reihen
Nun ist es an den Brautpaaren die Frucht des Fröschelns abzulaichen. Ihr Sommerquartier beziehen sie in der Nähe langsamer Bäche und Tümpel, verkrümeln sich unters Laub. Insekten, Würmer und Schnecken stehen auf dem Speiseplan. Doch auch in dieser idyllischen und sicheren Umgebung des Naturschutzgebietes droht Gefahr. Die geleeartigen Laichballen der Grasfrösche sind ein gefundenes Fressen für die Molche und Enten. Laich und Kaulquappen haben neue Feinde, bevor sie nach zwei Monaten und Abschluss ihrer Metamorphose den Landgang antreten können. Ziel: Wald. Vom Stummel ihres Kaulquappenschwanzes zehren die frischen Frösche als Wegproviant. Bereits im Mai werden die ersten Frühstarter den Berg hoch und in den Wald wandern wollen und stranden am Rückzugszaun. Hier greift wieder die Eimerreise. Letzte Nachzügler, die noch zu lange in den Tümpeln verbleiben, beginnen ihren Rückzug erst in den zaunfreien Sommermonaten. Dann sind sie auf sich alleine gestellt. Wer Glück hat, wird doch noch aufgefunden und von den Helfern direkt in den Wald hochgetragen. Wenigstens das offene Feld sollen die Amphibien heil überstehen.
Die 17 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer im Team um Miriam Füllemann haben noch Monate vor sich, den Amphibienzug zu schützen. Und auch nächstes Jahr werden sie wieder an die Hauptstrasse zurückkehren. Sie werden wieder patrouillieren. Wieder jeden Tag. Wieder morgens und abends. Unermüdlich.
BEAT MORELL
Wann ist mit Amphibienwanderungen zu rechnen?
• Frühling und Spätsommer/Herbst
• Bei Nässe und Temperaturen ab 5 Grad
Wie du helfen kannst:
• Versuche nicht, verirrten Fröschen beim Autofahren auszuweichen
• Reduziere dein Tempo aus Rücksicht gegenüber den Helfern um 20 Prozent
• Halte Abstand zu den Helfern am Strassenrand
• Frag in deiner Familie, wer dich begleiten möchte. Fröscheln ist eine ideale Familienaktivität, eine verantwortungsvolle, spannende und lehrreiche Zeit, gemeinsam und generationenübergreifend an der frischen Luft etwas Sinnvolles zu tun.
Registriere dich selbst als freiwilliger Helfer unter www.karch.ch