Fachhochschule Agronomie soll nach Tänikon
13.07.2023 TänikonEin Vorstoss im Grossen Rat des Kantons Thurgau hat es in sich: Drei Kantonsräte der Mitte wollen mittels einer Interpellation, die Diskussion zu einer Fachhochschule in Agronomie anstossen. Ein neuer Bildungsleuchtturm könnte so in der Agroscope Tänikon ...
Ein Vorstoss im Grossen Rat des Kantons Thurgau hat es in sich: Drei Kantonsräte der Mitte wollen mittels einer Interpellation, die Diskussion zu einer Fachhochschule in Agronomie anstossen. Ein neuer Bildungsleuchtturm könnte so in der Agroscope Tänikon entstehen.
Einmal mehr setzten sich die beiden Hinterthurgauer Mitte-Kantonsräte Josef Gemperle und Peter Bühler (Ettenhausen) sowie der Hagenwiler Benno Schildknecht für eine Stärkung des Standortes Agroscope Tänikon ein. In engagierten und teils emotionellen Voten erläuterten die drei am Mittwoch letzter Woche im Thurgauer Grossen Rat, warum die Initiative mit einer höheren Lehranstalt in Fachrichtung Agronomie für die ganze Ostschweiz eine grosse Chance wäre. Der Kanton St. Gallen behandelte die gleichlautende Interpellation, eingereicht ebenfalls von drei Mitte-Kantonsräten, bereits wohlwollend.
Erwiesenermassen ist das Potenzial an Agronomie-Studenten im Thurgau nicht ausgeschöpft, weil die Distanz zum einzigen Ausbildungsstandort (Zollikofen BE), welcher eine solche Fachrichtung anbietet, zu weit ist. Der Thurgauer Regierungsrat steht der Idee einer neuen Bildungsstätte im Thurgau sehr positiv gegenüber. Er könnte in enger Zusammenarbeit mit dem Kanton St. Gallen und in Tänikon bereits angesiedelten Forschungsstandort im Bereich Landund Ernährungswissenschaft grosse Synergien auslösen.
Sämtliche Parteien sind sich einig
Die drei Interpellanten nahmen sich nach der Grossratssitzung für ein Kurzinterview Zeit:
BENNO SCHILDKNECHT, SIND SIE ZUFRIEDEN WIE ES LIEF?
Absolut. Sämtliche Parteien war sich für einmal einig, dass der Thurgau für eine solche Lehranstalt der richtige Ort wäre. Das freute und berührte mich echt. In der Politik kommt dies nämlich nicht zu oft vor.
JOSEF GEMPERLE, WARUM IST EINE SOLCHE NEUE FACHHOCHSCHULE HIER IM THURGAU NÖTIG?
Der Thurgau ist nach wie vor einer der führenden Landwirtschaftskantone. Von 432 Studenten in Agronomie sind lediglich vier aus unserem Kanton – also nicht einmal ein Prozent. Rund deren 14 der im Thurgau Beschäftigten arbeiten in der Land- und Ernährungswirtschaft. Ich nehme hier bewusst auch deren Beschäftigte mit, da diese im Kanton mit vielen gesamtschweizerischen Firmen sehr erfolgreich tätig ist. Sie erwirtschaften allein fast zehn Prozent der gesamtschweizerischen Bruttowertschöpfung im Primärsektor.
PETER BÜHLER, MACHT ES DENN ÜBERHAUPT SINN, DEN STANDORT TÄNIKON MIT EINEM OSTSCHWEIZER AGRONOMIE-LEHRGANG ZUSÄTZLICH ZU FORDERN?
Aber sicher. Gemäss Statistik gibt es im Thurgau über 8500 Beschäftigte im Primärsektor 1, das sind immerhin 6,1 Prozent. In Prozenten ist der Anteil mehr als doppelt so hoch, wie im gesamtschweizerischen Durchschnitt. Eine Zusammenarbeit von Forschung und Studium ist wahrscheinlich das Beste, was jedem Sektor im Aus- und Weiterbildungsbereich passieren kann.
Der Standort Tänikon ist ideal
BENNO SCHILDKNECHT, WARUM GERADE JETZT DIE INITIATIVE FÜR EINE FACHHOCHSCHULE?
Die künftigen Herausforderungen der Landwirtschaft sind enorm. Klimawandel, neue Schädlinge, aber immer weniger Resonanz für Pflanzenschutzmittel, überfordern teils den einzelnen Bauer. Bewirtschaftungsmethoden müssen gesucht und entwickelt werden. Dafür braucht es Hochschulabgänger mit einem realen Bezug zur Praxis.
JOSEF GEMPERLE, MAN SAGT, DIE LANDWIRTSCHAFT SCHWÄCHELT. IST DA EIN NEUER HOCHSCHULSTANDORT NICHT ETWAS GAR AMBITIÖS?
Nein, überhaupt nicht, das Gegenteil ist der Fall. Sowohl im Pflanzenbau als auch in der Tierproduktion produziert die Ostschweiz in den wichtigsten Zweigen zwischen 20 und 30 Prozent der gesamtschweizerischen Herstellung. Diese eindrücklichen Zahlen zeigen auf, dass die ganze Ostschweiz hier in der Verantwortung steht. Es geht also auch um die starke Stellung der Ernährungswirtschaft im Thurgau und in der Ostschweiz. Bedeutende Konzerne der Ernährungswirtschaft haben hier in den letzten Jahren sehr grosse Investitionen getätigt. Es braucht Fach- und Kaderleute auch in diesen Firmen. Woher sollen diese denn sonst kommen, wenn wir sie nicht selbst ausbilden?
PETER BÜHLER, WARUM SIND SIE SICHER, DASS SICH DER STANDORT TÄNIKON IN EINEM SCHWEIZERISCHEN GESAMTKONZEPT AUCH GEGEN ANDERE POTENZIELLE INTERESSENTEN DURCHSETZEN KÖNNTE?
Mit Tänikon besteht im Kanton Thurgau bereits ein nationaler, bekannter und renommierter Forschungsstandort im Bereich Land- und Ernährungswirtschaft. Dieser wurde vom Bund in den letzten Jahren weder verwöhnt noch gefördert – im Gegenteil. Wir Thurgauer liessen diesen aber nicht links liegen, stärkten und bauten ihn in Zusammenarbeit mit dem Arenberg aus. Der Standort liegt meines Erachtens ideal, ist ÖV-mässig gut erreichbar, liegt an der Bahnlinie Zürich-St. Gallen und wäre prädestiniert, Host für einen Hochschullehrgang zu sein.
(MITG)