Wann blickten die «Zwei Männer in Betrachtung des Mondes» auf Caspar David Friedrichs düsterem Gemälde in den Himmel? Um halb elf Uhr nachts am Sonntag, 20. April 1817, berechnet der Winterthurer Astronom Markus Griesser.
Der wohl bekannteste ...
Wann blickten die «Zwei Männer in Betrachtung des Mondes» auf Caspar David Friedrichs düsterem Gemälde in den Himmel? Um halb elf Uhr nachts am Sonntag, 20. April 1817, berechnet der Winterthurer Astronom Markus Griesser.
Der wohl bekannteste deutsche Maler aus der Zeit der Romantik würde am 5. September 250-jährig: Caspar David Friedrich (1774–1840). Sein berühmtes Gemälde «Kreidefelsen auf Rügen» hängt im Winterthurer Kunstmuseum Reinhart am Stadtgarten (momentan wegen Umbau geschlossen). Es wird alljährlich von Tausenden von Kunstfreunden aus dem In- und Ausland bewundert. Doch Friedrich hat weitere Schlüsselgemälde geschaffen.
Romantischer Abendspaziergang
Als Astronom fasziniert mich seit Jahren Friedrichs ziemlich rätselhaftes Bild «Zwei Männer in Betrachtung des Mondes». Der Romantik-Maler hat es gemäss Literaturangaben zwischen 1819 und 1820 geschaffen. Es zeigt zwei offenbar gut befreundete Männer in der (damals verbotenen) altdeutschen Tracht mit weitem Umhang und Barett.
Auf ihrem Spaziergang an einem Frühlingsabend bestaunen sie von einer bewaldeten Anhöhe, neben einer knorrigen Eiche stehend, die aus einem zerklüfteten Felsen herauswächst, die Sichel des zunehmenden Mondes mit dem deutlich erkennbaren Erdlicht auf der unbeleuchteten Seite und dem rechts danebenstehenden «Abendstern» Venus. Das mystische Gemälde ist heute im Besitz der Galerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in Deutschland.
Eine Zeitreise zurück ins Jahr 1817
Als neugieriger Sternkundiger rekonstruierte ich den Zeitpunkt dieser Position des noch jungen Sichelmondes zum benachbarten Abendstern am Computer. Die dafür eingesetzte Software hat mir über Jahrzehnte bei tausenden von wissenschaftlichen Asteroidenbeobachtungen auf unserer Sternwarte Eschenberg verlässliche Dienste geleistet. So vertraute ich darauf, dass dieses Programm auch für diese historische Rückrechnung brauchbar sei. Und ich ging davon aus, dass der Künstler diese Konstellation so dargestellt hat, wie er sie für sein naturgetreues Gemälde mit eigenen Augen am Abendhimmel erlebt und eben auch memoriert hat.
Das Ergebnis ist verblüffend − aber auch eindeutig: Im fraglichen Zeitraum kommt einzig der Sonntagabend, 20. April 1817, um etwa 22.30 Uhr in Frage. Nur exakt zu diesem Zeitpunkt (in heutiger MEZ) zeigten sich in Mitteldeutschland die schmale zunehmende Mondsichel und die helle Venus so, wie sie Friedrich dargestellt hat. Der glänzende Lichtpunkt der himmlischen Liebesgöttin stand zwar etwas tiefer zum Horizont, aber ich denke, dem Künstler war nur die Gesamtaussage seines Werkes wichtig. Und die hiess simpel: Der Abendstern steht rechts neben der Mondsichel, während beide Gestirne am Dämmerungshimmel ihrem Untergang entgegen sinken. Diese eindrückliche Himmelsszene zieht die beiden naturbegeisterten Freunde auf ihrem spätabendlichen Spaziergang auch emotional in ihren Bann. Was allerdings an dieser Naturszene romantisch sein soll, können heute wohl nur sehr wenige unserer streulichtgeplagten Grossstädter überhaupt noch nachvollziehen…
MARKUS GRIESSER, ASTRONOM