Euphorie und viel Goodwill für «Lesestadt Aadorf»
03.10.2024 AadorfIm Rotfarb-Keller haben Verantwortliche der Genossenschaft Buecherchorb.ch über das Projekt «Lesestadt Aadorf» informiert. Im Herbst 2025 sollen eine Woche lang Bücher und das Lesen propagiert werden.
Die Initianten des Projekts, das Aadorf und ...
Im Rotfarb-Keller haben Verantwortliche der Genossenschaft Buecherchorb.ch über das Projekt «Lesestadt Aadorf» informiert. Im Herbst 2025 sollen eine Woche lang Bücher und das Lesen propagiert werden.
Die Initianten des Projekts, das Aadorf und Umgebung das Lesen schmackhaft machen will, haben die Bilder vom Anlass schon vor Augen: Namhafte Schweizer Autorinnen und Autoren werden vor Ort gastieren, aus ihren Werken vorlesen und mit dem Publikum diskutieren, viele Veranstaltungen rund ums Buch und Lesen finden statt, in den Schulen klappen die Kinder und Jugendlichen täglich Bücher auf, Schaufenster der lokalen Geschäfte sind themengerecht dekoriert – und die ganze Bevölkerung liest ein noch auszuwählendes Buch und spricht miteinander darüber (siehe Interview).
Die Euphorie und Begeisterung in der Genossenschaft Buecherchorb.ch sind greifbar, als deren Verwaltungsratspräsident Peter Bühler und Andri Rostetter, der Sprecher der Projektgruppe, am Montagabend im Rotfarb-Keller über die Initiative informieren. Und der peppige Name, «Lesestadt Aadorf», scheint auch das Zielpublikum in den Bann zu ziehen: Fast drei Dutzend Personen wollten wissen, was da für den Herbst 2025 geplant ist.
Im Zeichen des Buches
Es geht primär um «die Förderung der Lesekompetenz, die laut Pisa-Studien bei Kindern und Jugendlichen seit Jahren sinkt», erläuterte Rostetter in seiner Präsentation. Aber auch darum, «Erwachsenen die Freude an Büchern und am Lesen zu vermitteln». Und schliesslich soll das «Image von Aadorf als überregionaler Kultur- und Bildungsort gestärkt» werden. Um das zu erreichen, soll nach den Herbstferien im nächsten Jahr die ganze Gemeinde eine Woche lang voll im Zeichen des Buches stehen. Mit Anlässen und Aktivitäten, wie eingangs beschrieben, und vielem mehr: «Wir sind offen für alles, was sich ums Buch dreht. Es gibt keine Leitplanken, jede und jeder darf und soll sich einbringen und unter dem Label ‹Lesestadt Aadorf› eigene Ideen umsetzen», sagt Andri Rostetter: «Trittbrettfahrer sind also ausdrücklich willkommen.»
Alle sollen mitmachen
Das alles muss innert Jahresfrist aber noch konkretisiert werden. Dafür soll am 20. November ein Trägerverein «Lesestadt Aadorf» gegründet werden. Die Verantwortlichen der Buchhandlung Buecherchorb.ch, welche die Idee und daraus ein Konzept entwickelten, wollen dann «ins Glied zurücktreten und nur noch unterstützend wirken», wie Peter Bühler, seines Zeichens auch amtierender Thurgauer Kantonsratspräsident, ankündigte. Dies nicht zuletzt, um den Eindruck einer Werbeveranstaltung für die eigenen Aktivitäten gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Optimistisch stimmt die Initianten insbesondere, dass die Grundfinanzierung für die geplante Aktionswoche bereits garantiert ist. Die AGLA (siehe Infobox) hat ihnen kürzlich einen Unterstützungsbeitrag von 25’000 Franken zugesichert, immerhin die Hälfte des für «Lesestadt Aadorf» budgetierten Aufwands. Den Rest, sind Bühler wie Rostetter überzeugt, werden lokale Sponsoren sowie Beiträge aus regionalen und kantonalen Kulturfördertöpfen decken. Und man ist auch zuversichtlich, dass es nicht nur eine einmalige Aktionswoche wird, sondern «‹Lesestadt Aadorf› sich langfristig im Kulturkalender etablieren wird», wie Rostetter hofft.
Dafür braucht es aber nicht nur Geld, sondern auch viele engagierte Helferinnen und Helfer sowie Leute, die eigene Veranstaltungen initiieren. «Herzlich eingeladen sind alle Organisationen und die gesamte Bevölkerung von Aadorf und Umgebung», sagt Peter Bühler. Und er findet, da sowohl Finanzierung wie Konzept bereits stehen, «gibt es eigentlich keinen Grund, nicht mitzumachen.»
MARKUS KOCH
AGLA-Auflösung am 29. Oktober
An der Generalversammlung vor genau einem Jahr beschloss die Kabelnetz Genossenschaft Aadorf AGLA den Verkauf ihres Kommunikationsnetztes an Rütsche CATV GmbH. Diese betreibt das Netz seit Anfang Jahr als «Netz Aadorf» weiter. An einer Versammlung im vergangenen Juni beschlossen die Genossenschafterinnen und Genossenschafter, den Verkaufserlös von über 250’000 Franken «zur Förderung gemeinnütziger Bestrebungen im ganzen Gemeindegebiet von Aadorf» zu verwenden. Unter anderen Initiativen – siehe agla-aadorf.ch/agla-fur-aadorfprojektliste – wurde das Projekt «Lesestadt Aadorf» mit 25’000 Franken bedacht.
Nun soll die Genossenschaft AGLA auch juristisch aufgelöst werden. Der Entscheid fällt an der ausserordentlichen Generalversammlung vom 29. Oktober 2024.
«Das passt doch alles perfekt zusammen»
Entstanden und gewachsen ist die Idee für das Kulturevent «Lesestadt Aadorf» im Kreise der Stiftung «buecherchorb.ch». Die «Elgger/Aadorfer Zeitung» sprach nach dem Informationsanlass vom Montag mit einem der fünf Konzeptern, NZZ-Redaktor Andri Rostetter.
«Lesestadt Aadorf» – wie ist es zu diesem Namen gekommen?
Das war eine Idee, die unserem Vorstandsmitglied Paul Lüthy in einer schlaflosen Nacht eingefallen ist. Er kam an eine Sitzung des Bücherchorb-Vorstands und sagte: «‹Lesestadt Aadorf›, das geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Da muss man doch etwas draus machen.» Dies fiel genau in die Zeit, als die AGLA begann, ihre Gelder zu verteilen, und da haben wir gedacht: Das passt doch alles perfekt zusammen.
Es scheint, der Claim war wie ein Zündfunke. Eure Präsentation war jedenfalls sehr begeisternd, euphorisch fast.
Das ist so. Wir sind sehr überzeugt davon, dass das funktionieren kann. Wir haben uns in den letzten Wochen und Monaten intensiv mit diesem Projekt auseinandergesetzt, und je länger wir darüber nachgedacht haben, desto überzeugter waren wir davon. Von daher, von diesem Prozess, kommt wahrscheinlich diese Euphorie.
Ich finde das Teilprojekt «Aadorf liest ein Buch» spannend. Aber wie wählt man so ein Buch für alle aus? Das ist ja auch hochpolitisch.
Möglicherweise ist das tatsächlich ein Politikum mit Streitpotenzial. Aber wir möchten natürlich auf andere schauen, welche dies schon gemacht haben. Was gibt es für Fallstricke und Gefahren bei einer solchen Buchauswahl? Wir möchten von den Erfahrungen anderer profitieren und, wenn möglich, die Fehler, die andere vielleicht gemacht haben, nicht wiederholen. Aber Sie haben recht: Es ist schon heikel, ein Buch für eine so breite Aktion auszusuchen. Das ist uns bewusst.
Besteht nicht die Gefahr, dass man endlos debattiert und verwirft – und am Schluss wählt man das mediokerste Buch?
Das wollen wir natürlich unbedingt vermeiden. Das Buch soll schon zu Diskussionen anregen, muss aber auch nicht unbedingt hochkontrovers sein. Zudem:
Wenn wir möglichst viele Leute erreichen wollen, sollte es natürlich auch etwas sein, das möglichst viele anspricht. Aber es ist schon klar: Hier einen Mittelweg zu finden, wird ganz bestimmt eine Herausforderung werden.
Wo gab es bereits solche Aktionen?
In Frauenfeld gab es vor ein paar Jahren die Aktion «Frauenfeld liest ein Buch» (Anm. der Redaktion: 2022 mit dem Roman «Die Nachricht» von Doris Knecht). Auch einige deutsche Städte haben ähnliche Projekte gemacht. In den letzten Jahren ist es im Zeichen der Leseförderung immer mehr aufgekommen, dass man Bücher verteilt und die Leute animiert, diese zu lesen, und vor allem, darüber zu sprechen. Von den Erfahrungen dieser Aktionen wollen wir profitieren.
Was liegt bei Ihnen derzeit auf dem Nachttisch?
Verschiedene Sachen. Zum einen die Biografie des US-Diplomaten Richard Holbrooke von George Packer, einem amerikanischen Journalisten und exzellenten Schreiber, einer meiner Lieblingsautoren. Und dann lese ich gerade zum zweiten Mal «Der Zauberberg» von Thomas Mann, eines meiner Lieblingsbücher.
Ich denke, das sind Bücher, die fürs Projekt «Aadorf liest ein Buch» wohl nicht in Frage kommen, oder?
Ja, das sind vielleicht schon etwas zu dicke Bücher. Für die Aktion wird es wohl eher etwa Dünneres sein, das man schneller durchgelesen hat.
MARKUS KOCH