«Es war eine typische Bieridee»
22.09.2022 ElggWie schön es doch wäre, einen frisch gemixten Drink zu schlürfen, mitten in der Natur. Es gibt ihn, diesen Ort. Der Elgger Jungunternehmer Nino Widmer hatte so ein Ding im Sinn. Direkt an der Töss und am Oberen Graben Winterthur steht sein «Dingsdrinks».
Nach der Sekundarschule begann Nino Widmer eine Ausbildung zum Multimediaelektroniker. Die falsche Entscheidung, wie sich ein halbes Jahr später herausstellte. «Ich fand Musikboxen cool», erzählt der 26-Jährige. «Darauf basierte ich meine Lehrauswahl. Dass du aber dann 90 Prozent deiner Zeit in der Werkstatt hockst, kaum Menschenkontakt hast und gut in Mathematik sein musst, wurde mir erst später richtig bewusst.» Widmer brach seine Ausbildung ab und machte einen Sprachaufenthalt. Als er zurückkam, startete er eine neue Ausbildung als Restaurationsfachmann.
Der Inhaber mit italienischen Wurzeln hält die Ansprüche, die in der Schule von Jugendlichen erwartet werden, für zu hoch. «Ich bin mir sicher, dass es vielen so geht. Sie treffen die falsche Entscheidung und brechen die Ausbildung ab. Mit 15 ist es zu früh, um zu wissen, was man will. Es sollte mehr Zeit für die Berufsfindung gegeben sein, eine Art Selbstfindungsjahr. Damit meine ich nicht ein zehntes Schuljahr, sondern ein Jahr Zeit, um zu schnuppern und in der Arbeitswelt herumzustöbern.» In der Schulzeit hätte er niemals gedacht, später einmal selbstständig zu sein. Er habe gewusst, er gehöre in die Gastronomie, fühlte sich aber nie ganz wohl. «Ich muss mein eigener Chef sein und hinter allem stehen, was ich anbiete», sagt der Elgger.
Die goldene Mitte
Direkt nach dem Abschluss machte er sich mit einem guten Freund selbstständig und eröffnete ein Restaurant. Es besteht bis heute. Doch Widmer wusste, dass es da draussen noch mehr für ihn gibt. Eine Zeit lang arbeitete er in Graubünden, hatte verschiedene Jobs in Beizen, Clubs, war Leiter einer Fonduestube. Bis Covid dem Gastgewerbe einen Strich durch die Rechnung machte. Die Gaststätten schlossen ihre Türen.
«Bei einem Bier sass ich eines Abends mit meinem Bruder auf dem Balkon. Ich wollte unbedingt wieder selbstständig sein. Pandemiebedingt war ich arbeitslos und hatte viel Zeit, um nachzudenken. Da wir im Sommer meistens an der Töss sind, dürfen kühle Getränke im Gepäck natürlich nie fehlen. Aber bei der Hitze wird das Sixpack Bier schnell warm», stellte er fest. Keine Chance für eine Erfrischung. Dann gebe es nur vier Möglichkeiten: Man gehe ins Restaurant, an die Tankstelle, in die Stadt oder nach Hause. «Ist doch irgendwie blöd. Es fehlte etwas in der Mitte. So ist die Idee entstanden», erzählt der Barbesitzer. Sein blauer Anhänger aus den 80ern war über 40 Jahre lang als Tiertransporter in Gebrauch. Und roch auch dementsprechend. Der Wagen bekam eine Grundrestauration. Bevor das Gefährt zum ersten Mal zur mobilen Theke wurde, war Widmer neun Monate lang mit dem Umbau, dem Businessplan und verschiedensten Abklärungen beschäftigt. Nach eigenen Aussagen ist der Barkeeper in Besitz der damals ersten komplett autonomen Bar. Ein externer Strom- und Wasseranschluss braucht er nicht. Es gibt einen installierten Wassertank. Das Dach verziert ein Solarpanel.
Dem Umfeld sei dank
Nino Widmer erklärt: «Ohne Unterstützung geht Selbstständigkeit nicht. Es reicht bereits aus, wenn jemand an dich und an deine Idee glaubt. Meinem Umfeld habe ich alles zu verdanken. Der erste Schritt ist der schwierigste. Aber wenn die richtige Idee kommt und das Bauchgefühl stimmt, wird es funktionieren. Zu verlieren gibt es nichts. Auch wenn das Geschäft nach einem Jahr den Bach runtergeht, oder besser gesagt die Töss. Die Zeit wird keine Verschwendete sein. Du hast ein Jahr Erfahrung gesammelt. Mein erster grosser Schritt war der Kauf des Anhängers. Ich wusste, dass ich nicht aufhören kann, wenn ich ihn erst einmal habe.»
Von Mai bis September werden an der Reitplatzstrasse 6, direkt an der Töss in Winterthur, Getränke angeboten – von freitags bis sonntags bei gutem Wetter. Im Winter ist der Geschäftsführer am Oberen Graben anzutreffen, jeweils am Freitag und Samstag von November bis Dezember. Den Gästen ihre Zeit verschönern, ist sein Ziel. Widmer sagt: «Das Zwischenmenschliche hat für mich den grössten Stellenwert. Von einer kleinen Ferienoase mit Livekonzerten in der Natur und einfach sich selbst sein können, davon habe ich geträumt.» Natürlich kann man den sympathischen Jungunternehmer auch für Anlässe buchen. Es braucht nicht mehr als eine Einfahrt, die gross genug für den Anhänger ist. «Ich mache die Klappe auf und werde für einige Stunden dein Gastgeber sein. Du wirst nicht merken, dass ich da war, ausser dass du vielleicht ein bisschen angetrunken bist.»
JULIA MANTEL
Mehr Infos unter: www.dingsdrinks.ch