«Es ist einfach eine Win-win-Situation»
15.11.2025 ElggSusanne Wanner aus Elgg engagiert sich seit Jahren beim Freiwilligen Fahrdienst Elgg. Früher koordinierte sie die Einsätze, heute fährt sie selbst – aus Überzeugung und Freude am Kontakt mit Menschen.
Wenn Susanne Wanner über ihre Fahrten spricht, gerät ...
Susanne Wanner aus Elgg engagiert sich seit Jahren beim Freiwilligen Fahrdienst Elgg. Früher koordinierte sie die Einsätze, heute fährt sie selbst – aus Überzeugung und Freude am Kontakt mit Menschen.
Wenn Susanne Wanner über ihre Fahrten spricht, gerät sie ins Schwärmen. Seit neun Jahren ist die 55-jährige Elggerin beim Freiwilligen Fahrdienst für Elgg und Hagenbuch aktiv. «Ich fahre immer noch gerne», sagt sie. «Wegen dem Kontakt mit den Menschen – das ist einfach schön.»
Der Fahrdienst bringt ältere oder gesundheitlich eingeschränkte Menschen zu Arztterminen, zur Therapie oder zum Einkaufen – Menschen, die nicht mehr selbst fahren können. «Viele sagen: Nein, ich will nicht aufs Taxi ausweichen, das ist zu teuer», erzählt Wanner. «Bei uns zahlen sie nur einen kleinen Betrag – und bekommen dazu noch ein bisschen Gesellschaft.»
Zwischen Schule und Strasse
Heute arbeitet Wanner als Klassenassistentin an einer Schule, und die freiwilligen Fahrten lassen sich gut damit vereinbaren. «Ich bin den ganzen Tag mit Kindern zusammen, und beim Fahrdienst treffe ich wieder viele ältere Menschen – das ist ein schöner Ausgleich», sagt sie. Die Begegnungen mit den Fahrgästen bereichern sie tief: Sie hört von Lebensgeschichten voller Herausforderungen, von Humor, Freude und manchmal auch von Trauer. «Viele dieser Menschen bleiben trotz Krankheit oder Schicksalsschlägen stark. Das motiviert mich und zeigt mir, wie man positiv bleiben kann», erklärt sie.
Diese Momente schenken ihr nicht nur Einblicke in andere Lebenswelten, sondern wirken auch wie ein Spiegel: «Man sieht, wie andere mit ihren Problemen umgehen, und das hilft einem selbst, die eigene Perspektive auf das Leben zu schätzen.» Für sich selbst nimmt sie aus den Pausen zwischen den Fahrten kleine Auszeiten mit: ein Buch lesen, einen Kaffee trinken, einfach eine Stunde nur für sich. «Wenn ich nicht fahren würde, würde ich wahrscheinlich nur zu Hause putzen», sagt sie lachend. «So tue ich etwas Gutes – und mir selber auch.» Für Wanner ist das Engagement deshalb mehr als Freiwilligenarbeit: «Es ist eine Win-win-Situation. Du gibst etwas, aber du bekommst so viel zurück – an Geschichten, an Menschlichkeit und an Freude.»
Jahrelang Einsätze geplant
Bevor sie selbst hinter dem Steuer sass, war Susanne Wanner Einsatzleiterin des Fahrdienstes in Elgg. Sie nahm Anfragen entgegen und organisierte die Fahrten – zunächst im Auftrag des Roten Kreuzes, ab 2022 wurde der Dienst dann direkt von der Gemeinde übernommen. Sie gab die Einsatzleitung schliesslich ab, weil die Aufgabe sehr zeitintensiv und rein ehrenamtlich war. Doch sie erinnert sich: «Das war manchmal wie ein grosses Puzzle. Man musste immer schauen, wer Zeit hat, wer wo wohnt, und dann alles möglichst effizient planen.» In dieser Zeit lernte sie viele Fahrerinnen und Fahrer kennen – Menschen, die etwas Sinnvolles tun wollten. «Es braucht immer wieder neue, weil halt mal jemand aufhört oder gesundheitlich ausfällt», sagt sie. Von den derzeit rund 23 Freiwilligen in Elgg ist etwa ein Viertel noch nicht pensioniert, der Rest zwischen 65 und 80 Jahren. «Es ist eine gute Mischung», so Wanner.
Kleine Begegnungen, grosse Wirkung
Am meisten bedeuten ihr die Begegnungen mit den Fahrgästen. «Ich habe einmal eine demente Frau gefahren, die ganz allein unterwegs war, mitten im Hochsommer, über 30 Grad», erzählt sie. «Ich habe sie auf der Strasse getroffen, sie war über 90. Da habe ich gesagt: Nein, Sie steigen jetzt ein, Sie können doch nicht allein zum Zahnarzt laufen.»
Sie schmunzelt. «Sie hat mich dann jedes Mal zuerst zusammengestaucht, wenn ich gekommen bin – sie wollte gar nicht gefahren werden. Aber am Schluss hat sie sich immer bedankt und gesagt: Sie können ja nichts dafür, dass ich muss. So war sie halt.» Solche Erlebnisse vergisst sie nicht. «Mein erster Fahrgast war ein sehr netter Mann. Er hat gleich Du gesagt, als ich kam. Ich habe ihn ein paarmal gefahren, und dann ist er gestorben. Das sind so Momente, die bleiben.»
Nähe und Distanz
Mit dem Tod umzugehen, gehört für sie dazu. «In den neun Jahren, die ich jetzt für den Freiwilligen Fahrdienst tätig bin, sind viele schon wieder gegangen», sagt Wanner ruhig. «Natürlich berührt mich das, wenn jemand, den ich regelmässig fahre, plötzlich nicht mehr da ist. Aber das gehört dazu», erzählt sie. Es habe auch etwas Tröstliches, wenn sie als Fahrerin für diese Menschen manchmal das letzte Stück Begleitung sei.
Wie wichtig der Fahrdienst ist, sieht sie auch in ihrem Umfeld. «Meine Eltern waren im Altersheim in Winterthur. Wenn sie mal einen Termin hatten, hat mein Vater einfach den Rotkreuz-Fahrdienst angerufen. Das hat zehn Franken gekostet, und ich musste nicht jedes Mal hinfahren.» Für viele Angehörige sei das eine grosse Entlastung. «Und ich würde das selber auch in Anspruch nehmen, wenn ich mal nicht mehr fahren könnte», sagt sie überzeugt.
Gemeinschaft auf Rädern
Das Team in Elgg hält zusammen. «Man kennt sich, hilft sich aus. Wenn jemand verhindert ist, springt jemand anderes ein», sagt Wanner. Sie lacht: «Manchmal fahre ich sogar, obwohl es gerade zeitlich eng ist – einfach, weil sich sonst das schlechte Gewissen meldet, wenn jemand dann nicht zu seinem Termin kommt.» Dieser Zusammenhalt macht für sie den Unterschied. Wanner hofft, dass das Konzept noch lange so weiterlaufen kann: «Ich wünsche mir, dass wir immer genug Fahrer haben.
Es wäre schade, wenn jemand warten müsste.»
Dankbarkeit als Antrieb
Am Ende ist es vor allem die Dankbarkeit der Fahrgäste, die Susanne Wanner motiviert. «Wenn dir jemand sagt: ‚Ich bin so froh, dass Sie mich fahren‘ – das gibt einfach ein gutes Gefühl». Sie überlegt kurz und lächelt dann: «Ich finde, das Leben ist schöner, wenn man sich gegenseitig hilft. Und das tue ich halt am liebsten, indem ich fahre.»
SARAH STUTTE
Für Fahrgäste
Der Freiwillige Fahrdienst Elgg nimmt von Mo–Fr (8.30 bis 12 Uhr und 13.30 Uhr bis 16 Uhr) über den Empfang des Pflegezentrums Elgg Anfragen entgegen: 076 494 21 52. Die Kosten sind auf der Homepage der Gemeinde Elgg einsehbar.

