«Erweiterter Lernraum» soll Schulen entlasten
14.09.2023 ElggDer erweiterte Lernraum soll im Volksschulgesetz verankert werden. Die Gemeinden würden dafür zusätzliche Ressourcen erhalten. Grundsätzlich nicht schlecht findet das Christoph Ziegler, da «die Volksschule mit der Integration schwieriger und ...
Der erweiterte Lernraum soll im Volksschulgesetz verankert werden. Die Gemeinden würden dafür zusätzliche Ressourcen erhalten. Grundsätzlich nicht schlecht findet das Christoph Ziegler, da «die Volksschule mit der Integration schwieriger und verhaltensauffälliger Schüler an ihre Grenzen stösst».
Schülerinnen und Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten sowie solche, welche im Unterricht über- oder unterfordert sind, stellen für die Schulen, Klassen und Lehrpersonen eine besondere Herausforderung dar. Einerseits sollen diese Kinder angemessen beschult und gefördert werden, andererseits muss ein geregelter Unterricht gewährleistet sein. Der erweiterte Lernraum soll die Schulen dabei unterstützen, dieses anspruchsvolle Ziel zu erreichen. Das Angebot soll im Sinne einer Akutmassnahme eine kurzfristige Entlastung der betroffenen Schulen bewirken. Das Ziel dabei ist die möglichst baldige Rückkehr der Schülerinnen und Schüler in die Klassen.
Christoph Ziegler ist GLP-Kantonsrat und Präsident der Kommission für Bildung und Kultur. In dieser Funktion stösst er immer wieder Projekte an, die zu Verbesserungen an den Schulen führen sollen. Diesmal allerdings kommt der Vorschlag direkt von der Bildungsdirektion. Ziegler dazu: «Offenbar erkannte sie endlich, dass mit der vollständig integrativen Schule der Bogen überspannt wurde. Ich habe immer wieder öffentlich geäussert, dass die Volksschule mit der Integration schwieriger und verhaltensauffälliger Schüler an ihre Grenzen stösst.» Diese Vorlage sei nun in seinen Augen die regierungsrätliche Antwort auf eine solche Kritik. Sie wolle die integrative Schule beibehalten, daneben aber mehr Mittel für diese schwierige Aufgabe bereitstellen.
Für den Lehrer an der Sekundarschule Elgg müsse sich aber weisen, wie und ob dieses Projekt die Schule entlaste. «Ein Hauptproblem für mich als Klassenlehrer besteht darin, dass ich für die Fallführung meiner Schüler zuständig bin. Ich muss also mit allen Akteuren (Schüler, Eltern, andere Lehrpersonen, Schulsozialarbeiterin, Lerntherapeuten, Schulleiter etc.) Gespräche führen, diese dokumentieren, Massnahmen treffen, koordinieren, umsetzen, auf ihren Erfolg überprüfen und so weiter», gibt er zu bedenken. Dies binde viel Energie und Zeit. Das Projekt eines erweiterten Lernraums könne ihm diese Zusatzarbeit nur zum Teil abnehmen.
Bereits ähnliche Angebote vorhanden
Damit die Schulen ihre Ziele erreichen können, will der Kanton mehr Geld sprechen: Für den erweiterten Lernraum sollen die Vollzeiteinheiten zugunsten der Gemeinden erhöht werden. Die Einführung des neuen Angebots sei aber freiwillig. Dann aber müsste die Steuerzahlerin dafür aufkommen. Christoph Ziegler meint: «Grundsätzlich ist es sicher nicht falsch, dass Steuergelder für die Bildung eingesetzt werden. Auch in Elgg haben wir mit dem Problem zu kämpfen, dass gewisse Kinder in einer Regelklasse kaum noch tragbar sind.» Viele Gemeinden bieten bereits Schulinseln oder Förderzentren für Schüler mit besonderen Bedürfnissen an. Diese Angebote können heute schon teilweise aus der Umlagerung bereits vorhandener kommunaler und kantonaler Ressourcen finanziert werden. Auch in Elgg kennt man solche Projekte, so führte die Sekundarschule auf das neue Schuljahr hin das Lernwerk ein, das durch die bauliche Erweiterung möglich wurde. Dabei geht es um ein Angebot der beaufsichtigten Hausaufgabenbetreuung. Seit ein paar Jahren gibt es zudem in der Primarschule eine sogenannte Schulinsel. Diese bietet primär eine Auffangstruktur für Schülerinnen, die den Unterricht stören. Aber auch Konzentrationsprobleme, persönliche Krisen, gruppendynamische Gründe oder belastende Konflikte können Gründe für einen Schulinselaufenthalt sein.
Nichts ist gratis, auch Schulraum nicht
Neue Unterrichtsangebote benötigen oft zusätzlichen Raum, der an vielen Schulen bereits jetzt begrenzt ist – auch wegen steigender Schülerzahlen. Und Schulraum ist bekanntermassen grundsätzlich nirgends gratis. Das ist auch dem GLP-Kantonsrat und ehemaligen Gemeindepräsidenten klar: «Natürlich kostet das Projekt Geld. Deshalb ist es wichtig, dass man überprüft, ob Schulinseln, Lernwerke oder sogenannte erweiterte Lernräume wirksam sind. Es kann nicht sein, dass eine Gemeinde eine teure Schulinsel bezahlt, gleichzeitig die Sonderschulquote aber massiv steigt.»
Wie sich das in der Sekundarschule neu eingeführte Lernwerk in Sachen Kosten und Nutzen entwickelt, bleibt abzuwarten. Vergleichszahlen sind hingegen bei der Schulinsel der Primarschule vorhanden. Die separative Sonderschulung ging zwischen den Schuljahren 2018/19 und 2022/23 von drei auf einen Schüler zurück. Hingegen nahm die Zahl von Schülerinnen mit in Regelklassen integriertem Sonderschulstatus im selben Zeitraum von 12 auf 19 zu. Hiervon einen Qualitätsnachweis abzuleiten, wäre aber vermessen, da in dieser Zeit auch die Schülerzahlen insgesamt zunahmen. Eine erfreuliche Entwicklung zeigen aber die Jahresabschlusszahlen, was die Sonderbeschulung in der Primarstufe angeht. Während 2019 noch ein Nettoaufwand von über 600’000 Franken betrieben wurde, ging dieser bis 2022 kontinuierlich zurück auf noch rund einen Drittel (213’413). Auffallend reduziert, nämlich von mehr als 450’000 auf knapp 80’000 Franken, haben sich in dieser Zeit die Beiträge an Sonderschulen und Heime.
Die Knacknuss Fachkräftemangel
Zurückkommend auf die zusätzlich geplanten Vollzeiteinheiten muss man sich fragen, wie diese unter dem Gesichtspunkt des akuten Fachkräftemangels auch noch besetzt werden sollen. Dieses Problem ist natürlich auch christoph Ziegler bewusst: «Ganz allgemein ist es schwierig, genug Lehrkräfte zu finden. Wenn man nun der Schule immer mehr aufbürdet und gleichzeitig Lehrerinnen und Lehrer allein lässt, wird es noch schwieriger.» Aber dennoch sagt der Sekundarlehrer: «Gerade deshalb begrüsse ich die Idee, dass man die Lehrpersonen vermehrt unterstützen muss. Ob ein erweiterter Lernraum wirklich erfolgreich sein wird, muss sich weisen.»
Zu den geplanten Gesetzesänderungen, was das neue Angebot angeht, ermächtigte der Zürcher Regierungsrat die Bildungsdirektion, eine Vernehmlassung durchzuführen. Gemeinden, Verbände, Institutionen und weitere Interessierte können sich bis zum 7. Dezember dazu äussern.
RENÉ FISCHER