Es muss früh im Oktober gewesen sein, als die Euphorie der Nachbarin für ein Adventsfenster über den Hausplatz schwappte. Es war nicht so, dass ich noch nie mit dem Gedanken gespielt hätte, ein solches einzurichten. Es war eher ein alljährlich wiederkehrender – und ...
Es muss früh im Oktober gewesen sein, als die Euphorie der Nachbarin für ein Adventsfenster über den Hausplatz schwappte. Es war nicht so, dass ich noch nie mit dem Gedanken gespielt hätte, ein solches einzurichten. Es war eher ein alljährlich wiederkehrender – und etwas lästiger – Gedanke. Aber nie hat der Idee jemals jemand solchen Nachdruck verliehen wie die Nachbarin in diesem Jahr.
Also habe ich mich dazu überreden und mich beim Dorfverein in die Liste eintragen lassen. Bis zum zugeteilten Datum war ja noch viel Zeit, der Druck noch nicht hoch. Das Vorhaben liess sich bequem verdrängen und während Wochen vor sich herschieben. Nur nachts wurde es ab und zu zum Monster, tagsüber verhielt es sich meist ruhig. Aber dann wurde es Anfang November, dann Mitte November... Eine Gestaltungsidee und ein Suppenrezept mussten her.
Pinterest wurde konsultiert, im Browser nach «Partysuppen» gesucht. Immerhin zweitere Suche war erfolgreich. Gefragt war «MF – menschliche Fantasie» anstelle von «KI» für eine kreative Idee. Schliesslich erhielt eine Heinze aus dem Brockenhaus, wie sie von Landwirten zum Heutrocknen verwendet wurde (oder in bergigen Regionen noch immer wird), ein zweites Leben; Sie wurde zur «Zweinze» – geschmückt für den 2. Dezember.
Im Topf brodelte schon am frühen Nachmittag eine würzige Mitternachtssuppe und auf dem Hausplatz nahmen die Vorbereitungen ihren Lauf. Aber: Würde überhaupt jemand kommen? Was, wenn die Suppe nicht reicht? Oder – im Gegenteil – wenn sie so reichlich wäre, dass ich damit noch Tage später die halbe Nachbarschaft verköstigen müsste? Was, wenn sie nicht schmeckt? Der Fragen waren da viele, Antworten konnte nur der Abend liefern.
Und das tat er: Pünktlich erschienen die ersten Gäste, mehr und mehr kamen dazu. Ein Topf, in dem kaum noch ein Tropfen übrig war, und ein stattliches Depot geleerter Bierflaschen und Punschbecher zeugten von einem gelungenen Erstlingsversuch für ein Adventsfenster. Dass das Fenster keins war, schien niemanden zu stören – dass es vielleicht bei diesem einen Mal bleiben könnte, hingegen schon. Denn: Die Suppe fand grossen Anklang; die Hauptprobe sei gut gelungen, hiess es. Bestnoten gab’s von einem jungen Geniesser, der mehrmals schöpfte: «Die schmeckt super, genau so wie beim Opa.» Sozusagen der Adventsfenster-Suppen-Ritterschlag.