Eine Flucht ins Dunkel: der «Räbeliechtli»-Umzug

  08.11.2022 Elgg

Abseits der grellen Strassenlaternen im Dorfkern und ohne störende Handyblitze, kamen die weit über 200 selbstgebastelten Räben zweifelsfrei am besten zur Geltung. Erlaubt war der Umzug nur für die Kids, ihre Aufpasser, Koordinatoren und natürlich ein paar überschaubare Trommler und Pfeiffer.

Vergangenen Donnerstagabend tummelten sich an die 200 Kinder, bereit mit ihren gebastelten Räbenlichtern – hier kann man sich denken, wie viele Eltern wohl anwesend waren – Veranstalter, das Organisationskomitee des Elternrates und weitere Verwandte und deren Bekannte auf dem Werkgebäudeplatz. Dank der Zeitumstellung war es bereits um 18 Uhr ziemlich dunkel. Die Strassenbeleuchtung funktionierte einwandfrei, doch an dem besagten Abend war ihre Arbeit, jedenfalls zu diesem Anlass, eher unerwünscht.
Um die letzte Räbenernte zu feiern, wurde das Herbstgemüse bereits im Mittelalter zu Laternen geschnitzt, die Kinder durch das Dorf trugen. Die Räbe galt in diesen Zeiten als Grundnahrungsmittel. Heute wird sie mehrheitlich nur noch für den schönen Brauch des «Räbeliechtli»- Umzugs angepflanzt – ganz zur Freude des Nachwuchses. Es wäre eine Grossveranstaltung geworden, die mit aufwendigen Auflagen und Bestimmungen verbunden gewesen wäre. Kurzerhand wurden die Erziehungsberechtigten vom Elgger Anlass ausgeschlossen.

Natürlich leuchteten auch die Sterne

Entlang des kiesigen Landwegs neben der abgesperrten Oberhofstrasse in Richtung Nachbarsgemeinde Aadorf, machten sich die Schülerinnen und Schüler der Unterstufe und des Kindergartens, ganz ohne elterliche Begleitung, auf den Weg ins Dunkel. An vorderster Front: die Pfeifer und Trommler des Tambourenvereins. «Schön hebe und schwinge», meinte André Rubitschon zu seinen Nachwuchstrommlern, als ihre Instrumente verstummten. Es war an der Zeit, um kurz innezuhalten, denn es wäre kein richtiger «Räbeliechtli»-Umzug, ohne über ihn zu singen. «Räbeliechtli, Räbeliechtli, wo gahsch hii …», die Antwort darauf wäre dieselbe wie letztes Jahr: Richtung Aadorf und wieder zurück.
Helle Fenster eines Zuges, der ab und zu entlang der Schienen am Horizont vorbeizog, die Beleuchtung des Sportplatzes Im See, welche den grünen Rasen zum Leuchten brachte, Scheinwerferstrahlen entlangfahrender Autos, Helligkeit der Gemeinde Elgg aus Fenstern und Laternen waren nebst den schwebenden Räbenmotiven die einzigen Lichtquellen dieses schönen Umzugs, die zu sehen waren als man abseits des Dorfes an diesem zauberhaften Novemberabend der Reihe her spazierte. Auf der Rückkehr wurden die Kleinen bereits von ihm erwartet, dem Blitzlichtgewitter der Papis, Mamis und Grosis inmitten des Dorf-Lichtsmogs, von dem man kurz davor noch entfloh.

Jetzt sind die Eltern dran

Die wahrscheinlich coolste Art Strom einzusparen: Zurück vor dem Werkgebäude versammelt, durften nun auch die Eltern ein paar Liedern lauschen, deren Melodien wohl jedem bekannt sind. Dafür gingen die Lichter auf dem Werkgebäudeareal für einen Moment aus. Zu ergeben hatte man sich jetzt nur noch dem Flash der hochgestreckten Smartphones. Helene Ott meinte zu einer Teilnehmerin mit Räbe, ob sie nun hierbleiben, bis die Kerzen in den Laternen erlöschen würden. Das kleine Mädchen antwortete ihr, dass man dann noch lange warten könnte, es seien ja schliesslich batteriebetriebene Lichter drin.

JULIA MANTEL


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