Ein weiteres Traditionsunternehmen schliesst
16.05.2023 AadorfEine über 100-jährige Geschichte geht zu Ende: Die Ochsner AG in Aadorf verriegelt Ende Monat die Türen. Yannic Stillhart möchte das Unternehmen nicht mehr weiterführen, zu viel hat sich im wirtschaftlichen Umfeld verändert.
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Eine über 100-jährige Geschichte geht zu Ende: Die Ochsner AG in Aadorf verriegelt Ende Monat die Türen. Yannic Stillhart möchte das Unternehmen nicht mehr weiterführen, zu viel hat sich im wirtschaftlichen Umfeld verändert.
Die marktdominierenden Grosshändler und Onlinegiganten graben den kleinen Geschäften die Kundschaft ab und nehmen ihnen die Luft zum Überleben. Kleine und mittlere Betriebe – auch namhafte und traditionsreiche – müssen der Situation Tribut zollen. Das Kaufverhalten der Kundinnen und Kunden unterstützt diese Entwicklung. Erst vor kurzem musste die Metzgerei Würmli in Elgg die Schliessung ihres Ladens bekanntgeben und nun trifft es ebenfalls einen Traditionsbetrieb ennet der Kantonsgrenze: Die Ochsner AG, ein über 100-jähriges Unternehmen, macht das Geschäft an der Bahnhofstrasse 6 in Aadorf per Ende Mai dicht.
Die Firma für Eisenwaren, Maschinen, Werkzeug und Arbeitsschutz wurde durch Carl Ochsner gegründet. Im ehemaligen Ein-Mann-Betrieb mit einem bescheidenen Sortiment an Nägeln, Schrauben und Werkzeug deckten sich die Einwohner mit ihrem Bedarf ein. 1948 ging das Geschäft an die zweite Generation über, nämlich an Robert und Elisabeth Ochsner Rhyner. Um den Kundenwünschen gerecht zu werden, wurde das Angebot laufend erweitert. Zum Bereich Eisenwaren gesellte sich bald noch eine Haushaltsabteilung. 1974 verstarb Robert unverhofft, weshalb Heinz Ochsner schon in jungen Jahren den elterlichen Betrieb übernahm. Unter seiner Führung wuchs das Unternehmen weiter. Zu seinem Verdienst zählen auch die vielen Handwerker und Industriebetriebe, die beliefert wurden. 1995 entstand aus der ehemaligen Einzelfirma die Ochsner AG und mit Ursula Müller-Ochsner und Andreas Ochsner stand bereits die vierte Generation im Betrieb. 2015 schliesslich war die Geschäftsübernahme durch Yannic Stillhart.
Keine Chance gegen die Grossen
Der noch junge, gerade mal 30-jährige Mann, musste nun die Geschäftsaufgabe verkünden. Über die Gründe sagt Stillhart: «Wir bekamen den Preiskampf immer stärker zu spüren, durch die grossen Player wie Hornbach in Sirnach. Weiter nahm auch der Onlinehandel extrem zu.» Man habe zwar versucht mitzuhalten, aber der Kostendruck stieg. Umsatzmässig hätten die Zahlen gestimmt, die Marche sei aber komplett zusammengebrochen. Man sei je länger, desto mehr auf dem «Zahnfleisch gelaufen» und hatte immer weniger Luft zum Atmen. «Die Privatkundschaft lief zum neuen Hornbach in Sirnach über, weil wir mit dessen Preisen einfach nicht konkurrieren konnten», so Stillhart.
Aufgrund der Tatsache, dass er das Geschäft in jungen Jahren kaufte und immer noch abbezahlen muss, versuchte es der Ettenhauser mit allen möglichen Mitteln weiterzuführen. Doch schliesslich blieb ihm nur die Einsicht, dass es keinen Sinn mehr macht. Die Zukunftsaussichten in der Branche mit steigenden Zahlen im Onlinehandel bekräftigten diesen Entscheid. «Um da mithalten zu können, sind wir einfach zu klein», bekennt Stillhart.
Rausverkauf bis Ende Mai
Er und seine Angestellten mussten sich also nach einer neuen Arbeitsstelle umsehen. Einer von ihnen habe bereits etwas gefunden, der Aussendienstmitarbeiter sei aber noch auf der Suche. Stillhart selbst bleibt in der Branche, wechselt in ein ähnliches Unternehmen in Neftenbach. Und: «Möglicherweise kann ich einen Teil der jetzigen Kundschaft weiter betreuen, um das Aadorfer Gewerbe weiterhin unterstützen zu können.»
Nun müssen sämtliche Artikel der Ochsner AG noch Abnehmerinnen finden. Ziel sei es, dass das gröbste bis Ende Mai wegkommt, da ab dann der Laden geschlossen bleibt. Er selbst sei noch bis Ende Juni hier, um offene Posten auszuliefern. Spätestens Ende Juli muss alles weg sein, weil dann der Mietvertrag des Ladenlokals ausläuft. Grosse Posten habe man vor allem noch bei den Schrauben – egal ob blecherne, metallene oder hölzerne. Der Rausverkauf mit grosszügigen Rabatten läuft noch bis Ende Mai. Was Schnäppchen angeht, heisst es also: «Dä schnäller isch dä geschwinder».
Bei aller Wehmut fällt nun doch auch grosser Druck von Yannic Stillharts Schultern. Er schaue demnach mit einem lachenden und weinenden Auge auf das Geschehen. Wichtig sei ihm, noch ein Wort an die Kundschaft richten zu dürfen: «Wir hatten Kunden, die regelmässig zu uns kamen, verständnisvoll waren, wenn mal etwas nicht an Lager war. Das schätzten wir sehr. Auch grosse Aadorfer Kundschaft, die sicherlich auch andere und günstigere Einkaufsmöglichkeiten gehabt hätten, schätzten es, dass wir für sie da waren und hielten uns bis zum Schluss die Stange. Vielen Dank dafür!»
RENÉ FISCHER