Ein Stück Handwerks- und Industriegeschichte im Heitertal
06.05.2025 RegionDie Mühle Heitertal in der Gemeinde Schlatt hat eine altehrwürdige Geschichte. Im Familienbetrieb, der von Mutter und Tochter Kunz geführt wird, werden Maschinen aus den Vierzigerjahren eingesetzt. Die Spezialität der Mühle ist das Röllen von ...
Die Mühle Heitertal in der Gemeinde Schlatt hat eine altehrwürdige Geschichte. Im Familienbetrieb, der von Mutter und Tochter Kunz geführt wird, werden Maschinen aus den Vierzigerjahren eingesetzt. Die Spezialität der Mühle ist das Röllen von Dinkel.
Therese Kunz wechselt flink zwischen den verschiedenen Geräten hin und her, steigt dazwischen in den mit einem Seilzug betriebenen Lift und verschwindet im oberen Stock. Ebenso plötzlich steht sie wieder da, hantiert zügig an den Maschinen herum und erklärt dabei, was darin geschieht.
Es ist schwierig, zwischen den ratternden Transmissionsriemen aus Leder, die der Übertragung von Wasserkraft und Elektrizität dienen, die technischen Details zu erfassen. «Ein Grossteil der Maschinen stammt aus den Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts», erklärt Kunz. Moderne Mühlen dagegen funktionierten heute hauptsächlich mit Hydraulik.
Therese Kunz ist vor 30 Jahren nach einem Unfall des Vaters in den Familienbetrieb eingestiegen. Ihre Mutter Rosmarie Kunz-Fahrner erledigt noch Büroarbeiten. In der Mühle helfen zudem ein Teilzeitmitarbeiter sowie eine Mitarbeiterin beim Verpacken von Mehl mit.
Nichts für schwache Nerven
Die Räume mit den offenliegenden Riemen sind nichts für schwache Nerven. Ein falscher Griff, ein falscher Tritt, könnten zu schweren Verletzungen führen. «Bei Müllern war früher eine abgetrennte Fingerkuppe keine Seltenheit», sagt Kunz. Selbst ist sie bisher von Unfällen verschont geblieben. Einen Nachfolger für den Betrieb zu finden, sei allerdings nebst anderen nur schon aus Gründen der Sicherheit schwierig, ja eigentlich unmöglich. Therese Kunz wird die Mühle noch bis zu ihrer Pensionierung in drei Jahren weiterbetreiben. Was dann kommt, weiss sie noch nicht. «Es ist wie es ist», so die Müllerin.
Zeitreise zu uraltem Handwerk
Faszinierend sind nebst den Geräuschen der Geruch von Mehlstaub, Metall und Holz und die Einsicht in die Geräte durch vom Mehl getrübte Scheiben.
Man wird mitgenommen auf eine Reise zurück in längst vergangene Zeiten, zu uraltem Handwerk.
Alt sind teilweise auch die Getreidearten, Emmer und Einkorn, die in der Mühle verarbeitet werden. Ein breites Angebot an Erzeugnissen aus Ur-Dinkel, Weizen, und Roggen, dazu verschiedene Sorten Teigwaren, Birnel und Honig aus der Region, können im Mülilade gekauft werden. Sie alle stammen aus integrierter Produktion Kanton Zürich und Thurgau, zertifiziert nach Pro-Cert.
Spezialität Röllen von Dinkel
Die Mühle Heitertal ist ein Nischenbetrieb und hat sich auf das Röllen von Dinkel spezialisiert. Beim Dinkel braucht es einen weiteren Arbeitsgang: «Beim Röllen werden die Dinkel-Vesen zwischen Steinen geröllt, wodurch sich die Spelze auf schonende Weise von den Körnern lösen», erklärt Therese Kunz. Die Dinkelkörner durchlaufen mehrere Separatoren, in denen sie von der Spreu und von weiteren Pflanzenteilen getrennt werden.
400 Kilo Dinkel-Vesen können pro Stunde geröllt werden. Jährlich nimmt sie 400 bis 500 Tonnen Vertragsdinkel für das Röllen entgegen. Zur Weiterverarbeitung wird der im Heitertal geröllte Dinkel an grössere Mühlen geschickt. Auch die Spreu wird anderweitig verwertet, zum Beispiel zur Herstellung von Beschäftigungswürfeln für Mastschweine.
Weiter erledigt Therese Kunz auch kleinere Aufträge. Bauern bringen ihr Getreide ins Heitertal, um es mahlen zu lassen und anschliessend wieder abzuholen. Die Mindestmenge für Kundenaufträge liegt bei 100 Kilo. Jährlich stellt sie 60 bis 70 Tonnen Mehl verschiedener Sorten her.
Die Mühle Heitertal zwischen Kollbrunn und Waltenstein trat erstmals 1361 in Erscheinung. Seit 1916 ist sie im Besitz der Familie Kunz.
BETTINA STICHER
Mehr zur Geschichte und Mühle Heitertal: www.muehleheitertal.ch