Ein Star ohne jegliche Starallüren
19.09.2024 AadorfEiner der Höhepunkte im bunten und vielseitigen Jubiläumsprogramm zum 50-jährigen Bestehen des Gongs war der Auftritt der Walliserin Sina mit ihrer sechsköpfigen Band am Freitagabend. Sie kam, sang und rockte – und der ganze Saal hat mitgemacht.
...Einer der Höhepunkte im bunten und vielseitigen Jubiläumsprogramm zum 50-jährigen Bestehen des Gongs war der Auftritt der Walliserin Sina mit ihrer sechsköpfigen Band am Freitagabend. Sie kam, sang und rockte – und der ganze Saal hat mitgemacht.
Grund zum Feiern hatte übers Wochenende nicht nur der Kulturveranstalter rund um Pascal Mettler (diese Zeitung hat ausführlich darüber berichtet), sondern auch Sina, die das letzte Konzert ihrer aktuellen Tour gab und dabei auf 30 Jahre Bühnenschaffen zurückblickt. Angekündigt wurde sie mit den Worten «Grooves, Moods und Melodien – und das im schönsten Dialekt der Schweiz» – eine Affiche, der sie mehr als gerecht wurde. Ihr Hit «Wänn nit jetzt, wänn dä?» brachte es auf den Punkt.
Geschickt mischte die Künstlerin Altbekanntes aus ihrer Mundartrock-Zeit mit neuen, tiefgründigen Liedtexten, angesiedelt im Pop und Folk. Vieles davon aus dem aktuellen Album «Ziitsammläri», das sie mit ihrer Band im Hotel Giessbach oberhalb des Brienzersees aufgenommen hat, wie sie erzählte: «Wir konnten das wunderbare alte Haus, diesen Kraftort, während der Winterzeit nutzen – wir hatten es für uns alleine, nur der Koch war da. Allerdings haben wir unterschätzt, dass zweimal am Tag die Luftwaffe vom nahen Militärflugplatz vorbeidonnert und dass sich die Giessbachfälle nicht abstellen lassen. Es hat einiges an Koordination gefordert, bis wir unser Album aufgenommen hatten».
Einiges aus ihrer Kindheit auf einem Rebhof im Wallis mochte dem einen oder anderen im Saal aus der eigenen Jugend auf dem Land bekannt vorgekommen sein, wo es ziemlich hemdsärmelig und rustikal zuund herging. Umso grösser der Schock, als sie als junges Mädchen für einige Zeit ihre Tante Simone in Paris besuchte, die viel auf gutes Benehmen und Etikette gab. Mit dieser und weiteren Anekdoten, die ihr als Ideenspender für ihre Texte dienen, hatte sie das Publikum sofort «im Sack» und die Sympathien auf ihrer Seite.
Rockerin und Singer-Songwriterin mit Feingefühl
Dass sie nicht nur Geschichten erzählen, sondern diese auch gekonnt in Songs unterbringen kann, bewies sie spätestens mit der Ode an ihre Grossmutter Emma. Im zweiten Teil des Abends trumpften die Musiker mit Soli auf, die deutlich machten, dass da ziemliche Schwergewichte der Szene am Werk waren – allen voran Gitarren-Altmeister Jean-Pierre von Dach, der in seiner langen Karriere schon mit unzähligen nationalen und internationalen Stars gespielt hatte. Zusammen mit Martin Buess, dem zweiten Gitarristen, strapazierten sie die Saiten, dass es eine Freude war. Weiter in der Band spielten Michael Chylewski (Bass), Arno Troxler (Schlagzeug), Dave Blaser (Trompete) und René Mosele (Posaune). Der Gemeindesaal kochte; bei «Immär und ewig» forderte Sina zum Mitsingen auf, und bei «Walking in Memphis», im Original von Marc Cohn, Schweizerdeutsch von Polo Hofer 1992 aufgenommen, bat sie alle, aufzustehen. Einer Bitte, der sich niemand widersetzte.
Nach der letzten Zugabe wurde die Band vom Gong-Team mit Blumensträussen überrascht. Mettler bedankte sich im Namen aller für das grossartige Konzert und kündigte die Lokalmatadoren «Notusgang» an, die nach einem kurzen Umbau zur Party mit Power-Sound luden. Sina setzte sich draussen ins Foyer, wo sie sich Fragen stellte, Autogramme schrieb, CDs verkaufte und sich geduldig mit Konzertbesuchern fotografieren liess. Die nette Persönlichkeit von nebenan, ohne Starallüren. Abbild und Abschluss eines Abends, der sich kaum treffend umschreiben lässt. Er war bisweilen laut, rockig und poppig. Aber auch leise mit tiefgründigen Texten. Ein Anlass, an dem nie Hektik aufkam, mit einem mehrheitlich älteren Publikum, das alles genoss, alles aufsaugte und alles annahm, was geboten wurde – und sich später nach dem Schlummertrunk an der Bar irgendwann zufrieden und glücklich auf den Heimweg machte.
MARIANNE BURGENER