Ein Projekt, das Brücken baut
18.12.2025 ElggIn Elgg öffnen einfache Alltagsbegegnungen Türen: Geflüchtete, die nicht arbeiten dürfen, erhalten im Tandem-Projekt erstmals die Möglichkeit, am wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Was als kleines Experiment begann, entwickelt sich zu einem Modell für gelungene ...
In Elgg öffnen einfache Alltagsbegegnungen Türen: Geflüchtete, die nicht arbeiten dürfen, erhalten im Tandem-Projekt erstmals die Möglichkeit, am wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Was als kleines Experiment begann, entwickelt sich zu einem Modell für gelungene Integration.
Seit rund zwei Jahren entsteht im Landstädtchen ein Projekt, das auf leise, aber wirkungsvolle Weise Brücken schlägt: das Tandem-Projekt der Gemeinde. Was zunächst als vorsichtiger Versuch begann, geflüchteten Menschen mit N-Status eine sinnvolle Alltagsstruktur zu ermöglichen, hat sich zu einem festen Bestandteil des Integrationsangebots entwickelt. Menschen, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus nur unter erschwerten Bedingungen arbeiten dürfen, erhalten damit eine Möglichkeit, sich einzubringen, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und Kontakte in der Gemeinde zu knüpfen.
Eine Chance für Alltag und Begegnung
Amal Savasci, Bereichsleiterin Soziales und Gesellschaft und für den Integrationsbereich der Gemeinde Elgg zuständig, beobachtet, dass Menschen mit Aufenthaltsbewilligung N oft in einer Warteschlaufe stecken: «Sie besuchen zwar Deutschkurse, haben aber wenig Möglichkeiten, sich aktiv einzubringen. Das Tandem-Projekt gibt ihnen diesen Rahmen», sagt Savasci. Die Einsätze sind niederschwellig und freiwillig: einfache Arbeiten im Strassendienst, Mithilfe bei Veranstaltungen, Unterstützung bei der Neophyten-Entfernung oder Einsätze im Café der rundum.müli.
Die Einsätze sind bewusst so gestaltet, dass sie nicht in Konkurrenz zu regulären Arbeitsstellen stehen. Jede Begleitung wird von der Gemeinde sorgfältig organisiert, das erste Treffen ist stets begleitet, und die Einsätze erfolgen ausschliesslich auf freiwilliger Basis. Für ihr Engagement erhalten die Teilnehmenden eine kleine Integrationszulage – symbolisch, aber wertschätzend.
Begegnung statt Anonymität
Die Wirkung des Projekts zeigt sich sowohl bei den Geflüchteten als auch in der Bevölkerung, weil dadurch der gegenseitige persönliche Kontakt möglich sei. «Über das gemeinsame Tun verändert sich das Bild sofort. Es wird spürbar, dass hinter dem Begriff ‘Geflüchtete’ Menschen stehen – mit Humor, Fähigkeiten und Geschichten», erklärt Savasci. Besonders Frauen profitieren stark vom Angebot: Wer wegen Kinderbetreuung seltener einen Deutschkurs besuchen kann, findet so eine Möglichkeit, selbstständiger zu werden, Sprache anzuwenden und eigene Netzwerke aufzubauen.
Natürliche Integration
Eine zentrale Rolle spielt die rundum. müli, die als sozialer Treffpunkt bereits eng mit der Gemeinde vernetzt ist. Betriebsleiterin Nathalie Kägi berichtet von durchwegs positiven Erfahrungen. Aktuell unterstützen zwei Frauen aus der Türkei mit kurdischem Hintergrund ihr Team: Eine hilft zweimal im Monat im Café als Gastgeberin aus, die andere übernimmt Aufgaben an Wochenenden, insbesondere in der Küche.
«Zu Beginn waren sie etwas zurückhaltend, aber das hat sich schnell gelegt», sagt Kägi. Besonders eindrücklich sei, wie die Frauen Schritt für Schritt mehr Selbstvertrauen gewinnen. Eine von ihnen bleibt immer wieder länger, als sie eigentlich muss, weil sie beim Kochen helfen möchte. «Solche Momente zeigen, dass sie Freude daran haben – sonst würden sie das nicht tun.»
Gemeinsamer Gewinn
Eine Szene bleibt Kägi besonders in Erinnerung: Der «Wulligs»-Abend im müli.bistro, bei dem eine der Frauen von sich aus teilnahm und mit langjährigen Elggerinnen gegessen und gestrickt hat. «Sie war völlig drin, hat gelacht und mitgeredet. Da sieht man, was Begegnung auslöst.» Die regelmässigen Nachrichten, die Kägi erhält – «Es war so schön, danke! Ich komme gerne wieder.» – bestätigen diese Wirkung.
Auch in den Betrieben und bei Freiwilligen sinken Hemmschwellen. Wer einmal mit einer geflüchteten Person einen Einsatz geleistet hat, begegnet dem Thema Migration anders. «Es entsteht ein ganz natürliches Miteinander», sagt Savasci. Die Teilnehmenden selbst blühen auf, wagen plötzlich Neues und trauen sich, zusätzliche Angebote in Elgg wahrzunehmen – vom Café International bis zu Freizeitaktivitäten.
Projekt mit Zukunft
Der Erfolg des Tandem-Projekts zeigt, dass Integration oft im Kleinen beginnt: beim gemeinsamen Kochen, beim Helfen an einem Anlass oder beim Arbeiten im Café. Savasci und Kägi sind überzeugt, dass das Projekt weiter wachsen könnte. Besonders Betriebe und Organisationen mit sozialem oder gemeinnützigem Charakter könnten enorm profitieren. «Man muss es einfach ausprobieren», sagt Kägi. Denn jeder Einsatz schaffe Beziehungen – und aus Beziehungen entstehe Integration.
Für die Geflüchteten bedeutet das nicht nur eine Struktur im Alltag, sondern ein Stück Zugehörigkeit. Für die Gemeinde Elgg ist es eine Chance, Menschen sichtbar zu machen, die sonst oft unbemerkt bleiben – und gemeinsam ein Stück Gesellschaft zu gestalten.
SARAH STUTTE
Mitmachen im Tandem-Projekt
Betriebe und Organisationen, die sich am Tandem-Projekt beteiligen möchten, können sich auf der Gemeinde bei Amal Savasci melden (Tel. 052 368 55 69). Abgesehen vom zeitlichen Engagement für Einführung und Begleitung entstehen für die Betriebe keine finanziellen Kosten. Die Einsätze werden von der Gemeinde koordiniert und begleitet.

