Ein Pro und ein Kontra zur Liegenschaftensteuer
10.05.2025 AadorfDie einen sehen darin eine faire Beteiligung am Gemeinwohl, die anderen eine unnötige Belastung fürs Eigenheim: Die Liegenschaftensteuer im Kanton Thurgau steht zur Abstimmung. Was spricht für die Beibehaltung, was für die Abschaffung?
Matthias ...
Die einen sehen darin eine faire Beteiligung am Gemeinwohl, die anderen eine unnötige Belastung fürs Eigenheim: Die Liegenschaftensteuer im Kanton Thurgau steht zur Abstimmung. Was spricht für die Beibehaltung, was für die Abschaffung?
Matthias Küng, Gemeindepräsident und Stefan Mühlemann als sein Stellvertreter vertreten beide die Aadorfer Behörde – aber im Fall der Liegenschaftensteuer kontroverse Meinungen. Diese Zeitung hat beiden die gleichen Fragen zugestellt – die Antworten für oder gegen die Steuer nachfolgend als Pro- und Kontra-Standpunkt.
Die «Elgger/Aadorfer Zeitung» bedankt sich bei den beiden Herren für die Beantwortung der Fragen zur anstehenden Abstimmung und ruft in diesem Zusammenhang alle Stimmberechtigten auf, von ihrem Recht zur Mitbestimmung Gebrauch zu machen.
MARIANNE BURGENER
Die Volksabstimmung über die Abschaffung der Liegenschaftensteuer im Kanton Thurgau ist für den 18. Mai angesetzt.
PRO «NEIN ZUR ABSCHAFFUNG»
Für die Beibehaltung, also für ein «Nein» auf dem Stimmzettel spricht sich Gemeindepräsident Matthias Küng aus.
Die Liegenschaftensteuer kurz erklärt in zwei Sätzen:
Die Liegenschaftensteuer wird jährlich auf den im Kanton Thurgau gelegenen Liegenschaften erhoben, die Steuer beträgt 0,5 Promille des Verkehrs- oder Ertragswerts des Grundstücks. Der Ertrag der Liegenschaften fällt zu 57 Prozent an die Politische Gemeinde und zu 43 Prozent an den Kanton.
Kritiker/Befürworter sagen, die Steuer treffe insbesondere ältere Hausbesitzer mit tiefem Einkommen – oder eben, dass sie eine gerechte Beteiligung am Gemeinwohl darstellt. Wie beurteilen Sie diese Aussage?
Liegenschaftenbesitzende gehören in der Regel zu den besser situierten Mitmenschen. Der fällige Steuerbetrag ist im Einzelnen sehr gering und deshalb gut verkraftbar.
Der Thurgau gehört zur Minderheit jener Kantone, die Liegenschaften doppelt besteuern: mit der Vermögenssteuer und der Liegenschaftsteuer.
... warum halten Sie an dieser Doppelbesteuerung fest?
Ich kann diesbezüglich die Argumente der Befürworter der Abschaffung nachvollziehen, eine Doppelbesteuerung ist grundsätzlich nicht richtig.
Welche Auswirkungen hätte die Abschaffung konkret auf die Gemeindefinanzen und wie sollen allfällige Ausfälle Ihrer Meinung nach kompensiert werden? Sie drohen in Ihrer Kampagne mit einer Anhebung des Gemeindesteuerfusses um 3 bis 4 Prozent, oder dem Verlust von Dienstleistungen. Angstmacherei?
In der Gemeinde Aadorf würde die Abschaffung der Liegenschaftensteuer eine Mindereinnahme von rund 670‘000 Franken bedeuten. Dieser Fehlbetrag muss kompensiert werden, entweder mit einer Steuererhöhung oder mit dem Abbau von Dienstleistungen – und da würde es Bereiche wie Kultur, Freizeit und Sport treffen, die für das gesellschaftliche Leben sehr wichtig sind. Gebundene Ausgaben wären weniger betroffen. Es ist also keine Angstmacherei, sondern das Aufzeigen möglicher Konsequenzen.
Kritiker/Befürworter werfen der Gegenseite oft ideologische Motive vor. Geht es hier tatsächlich ums Geld – oder um die aktuelle Diskussion von Eigentum respektive Solidarität?
Solidarität ist ein gutes Stichwort. Die Befürworter der Abschaffung prophezeien, dass der Mittelstand und die Mieterschaft ebenfalls von einer Abschaffung profitieren. Das ist Augenwischerei und am Volk vorbei. Über die Hälfte der Thurgauer Bevölkerung lebt in Mietwohnungen, diese Menschen repräsentieren den Mittelstand. Nicht die Liegenschaftenbesitzenden, diese gehören zu den Gutsituierten und damit den etwas «Bessergestellten».
KONTRA «JA ZUR ABSCHAFFUNG»
Für die Abschaffung, also für ein «Ja» auf dem Stimmzettel spricht sich Vizegemeindepräsident und Präsident des Thurgauer Hauseigentümerverbands (HEV) Stefan Mühlemann aus.
Die Liegenschaftensteuer kurz erklärt in zwei Sätzen:
Die Thurgauer Liegenschaftensteuer wurde 1971 eingeführt, um Infrastrukturaufwendungen abzugelten und eine neue Ertragsquelle zu erschliessen. Heute fliesst das Geld aus der Liegenschaftensteuer, die 0,5 Promille des Steuerwerts eines Grundstücks beträgt, in den allgemeinen Staatshaushalt – kommt also allen zugute.
Kritiker/Befürworter sagen, die Steuer treffe insbesondere ältere Hausbesitzer mit tiefem Einkommen – oder eben, dass sie eine gerechte Beteiligung am Gemeinwohl darstellt. Wie beurteilen Sie diese Aussage?
Menschen im Pensionsalter haben kein direktes Einkommen mehr, müssen jedoch das Haus genau gleich versteuern, wie alle anderen. Entsprechend kann es sein, dass der Betrag das Haushaltsbudget stark belastet. Ein Wegfall der Liegenschaftensteuer würde wieder Geld freigeben, das der Wirtschaft zugutekommt.
Der Thurgau gehört zur Minderheit jener Kantone, die Liegenschaften doppelt besteuern: mit der Vermögenssteuer und der Liegenschaftensteuer. Ist das der Grund, warum Sie für die Abschaffung der Steuer sind?
Ja, das ist einer der Hauptgründe. Diese Tatsache zeigt klar auf, dass die Liegenschaftensteuer nicht mehr gerechtfertigt ist. Für die Wohneigentümerinnen und -eigentümer kommen neben dieser Doppelbesteuerung mit dem Eigenmietwert, der Grundstückgewinnsteuer, der Handänderungssteuer sowie hohen Grundbuchgebühren zudem viele weitere finanzielle Belastungen hinzu.
Welche Auswirkungen hätte die Abschaffung konkret auf die Gemeindefinanzen und wie sollen allfällige Ausfälle Ihrer Meinung nach kompensiert werden? Die Gegner der Abschaffung drohen in ihrer Kampagne mit einer Anhebung des Gemeindesteuerfusses um 3 bis 4 Prozent, oder dem Verlust von Dienstleistungen. Angstmacherei?
Für mich ist das eindeutig Angstmacherei. Korrekt ist, dass mit der Abschaffung der Liegenschaftensteuer rund ein Prozent der Staatseinnahmen wegfallen würde. Wer jedoch die aktuellen Abschlüsse der Gemeinden anschaut, stellt fest, dass sehr viele Kommunen teils massive Gewinne vermelden. Durch eine weitere Zunahme der Bevölkerung werden auch die Steuereinnahmen weiter steigen. Wir haben also kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Das heisst: Der Kanton und die Gemeinden müssen über die Bücher gehen, damit die Ausgaben nicht weiter ins Unermessliche steigen. Zudem soll die Liegenschaftensteuer erst 2029 wegfallen: Gemeinden und Kanton hätten also genügend Zeit, sich vorzubereiten.
Kritiker/Befürworter werfen der Gegenseite oft ideologische Motive vor. Geht es hier tatsächlich ums Geld – oder um die aktuelle Diskussion von Eigentum respektive Solidarität?
Es geht letztlich um ein faires Steuersystem: Sehr viele Gegnerinnen und Gegner stimmen zu, dass es sich bei der Liegenschaftensteuer um eine ungerechte Steuer handelt. Leider höre ich aber auch oft die Aussage, dass Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer per se vermögend und privilegiert seien. Dass sie jedoch eisern gespart haben, weniger in die Ferien gefahren sind und vielleicht auch Geld aus der Pensionskasse genommen – und versteuert – haben, um sich ein Haus oder eine Wohnung leisten zu können, erwähnt niemand. Für mich bedeutet Solidarität, dass das Steuersystem für alle Steuerpflichtigen fair ausgestaltet ist.