Ein Garten, der Menschen verbindet
27.09.2025 HagenbuchIn Hagenbuch wächst mehr als nur Tee: Mit Eden 21 hat Tamara Pabst einen inklusiven Garten geschaffen, in dem Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam arbeiten – und dabei Pflanzen wie Beziehungen gedeihen lassen.
«Ich wünsche mir für Rishi, dass er ...
In Hagenbuch wächst mehr als nur Tee: Mit Eden 21 hat Tamara Pabst einen inklusiven Garten geschaffen, in dem Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam arbeiten – und dabei Pflanzen wie Beziehungen gedeihen lassen.
«Ich wünsche mir für Rishi, dass er eines Tages in einem Umfeld arbeiten kann, das ihm Sinn gibt, wo er mitgestalten und dazugehören darf.» – Mit diesem Satz bringt Tamara Pabst, Gründerin von «Eden 21», auf den Punkt, was hinter ihrem inklusiven Projekt steckt. 2018 reiste sie mit ihrem Sohn Rishi in die Hügel von Quorle in der Toskana. In einer kleinen Herboristeria weckten die verschiedenen Kräuter sofort Rishis Neugier. Er griff danach, roch daran, half beim Abfüllen und lachte – erfüllt von einer Tätigkeit, die Sinn stiftete und ihm zugleich Freude machte.
Für Tamara Pabst war das ein Schlüsselmoment. «Dieses Bild hat sich bei mir eingebrannt. Da wusste ich: Ich möchte für Rishi einen Ort schaffen, wo er so arbeiten kann – auf Augenhöhe, im Kontakt mit Pflanzen und Menschen.» Zurück in Winterthur machte sie sich auf die Suche nach einem Garten. Eine Vollzeitanstellung in einer Institution kam für ihren Sohn nicht in Frage – zu starr, zu wenig individuell. Also begann sie im kleinen Stil, mit einem Schrebergarten in Töss. Dort wuchsen Melisse, Pfefferminze, Salbei und Schafgarbe. «Die Pflanzen schienen mir zuzuflüstern: Mach weiter!», erinnert sie sich.
Wachstum und Rückschläge
2020 brachte eine entscheidende Begegnung: Markus Ettlin und Claudia Lazzarini stiessen dazu, mit landwirtschaftlichem Wissen und der Möglichkeit, den Garten zu vergrössern. «Eden 21» nahm Gestalt an. Doch kurz darauf kam der Rückschlag – das Land in Winterthur ging wegen Eigenbedarfs verloren. Viele hätten an diesem Punkt aufgegeben. Tamara Pabst nicht. 2022 begann sie mit Rishi und einem wachsenden Kreis von Unterstützerinnen und Unterstützern in Hagenbuch von vorne.
Auf über 500 Quadratmetern, angesiedelt auf dem Areal des Yamagishi-Hofs, entstand ein neuer eigenständiger Kräutergarten. 23 Beete mit rund 200 Pflanzen pro Reihe, die alle ohne Pestizide heranwachsen. Hier blühen heute nicht nur Teekräuter, sondern auch Blumen, die «dä Tee» von «Eden 21» unverwechselbar machen. Claudia Lazzarini stellte Tamara Pabst zudem einen kleinen Garten in Graubünden zur Verfügung. Dort wachsen weitere Kräuter, die das Sortiment bereichern und die Abhängigkeit vom Hauptgarten etwas verringern. «Das ist für uns ein schönes Zeichen von Vertrauen und Unterstützung», so Pabst.
Inklusion im Alltag
«Es gelingt nur im Miteinander – jede und jeder bringt das ein, was er oder sie kann», betont die Projektgründerin. Das ist der Kern von «Eden 21»: Inklusion nicht als Schlagwort, sondern als tägliche Praxis. Menschen mit Beeinträchtigung übernehmen hier konkrete Aufgaben. Wer gerne draussen ist, hilft beim Pflanzen, Jäten oder Ernten. Wer lieber in Ruhe arbeitet, zupft Blütenblätter im Atelier in Winterthur oder klebt Etiketten auf die Teedosen. Andere wiederum haben Freude am Kontakt mit Menschen und verkaufen die Tees an Märkten. Ein Teil der Mitarbeitenden kommt über Institutionen wie die Winterthurer Brühlgut Stiftung zu «Eden 21». «Das ist echte Arbeit auf Augenhöhe – nicht Beschäftigungstherapie, sondern ein Beitrag, auf den alle stolz sein können», sagt Tamara Pabst. «Manchmal braucht es Geduld und Flexibilität, aber am Ende zählt, dass jeder Mensch Teil dieses Prozesses ist.»
Die Bevölkerung in und um Hagenbuch reagiert neugierig und positiv. Viele schauen vorbei, probieren den Tee, helfen sogar beim Pflücken. «Ich spüre viel Offenheit und Interesse. Unsere Zeit ist reif für solche Projekte. Die Gesellschaft braucht Orte, wo sich Menschen mit und ohne Behinderung wirklich begegnen können», so Pabst. Bei ihnen im Garten arbeiten Kinder neben Senioren, Menschen mit und ohne Behinderung, Profis neben Laien. «Alle lernen voneinander. Das ist Inklusion, wie ich sie verstehe.»
Der Jahresrhythmus in Handarbeit
Die Herstellung des Tees ist aufwendig und verlangt Hingabe. Alle Arbeitsschritte – vom Setzen der Setzlinge über das Jäten bis hin zur Ernte, Trocknung, Zupfen der Blüten und Abfüllen – erfolgen in Handarbeit. «Nur weil ein Tee am Ende ‘klein’ wirkt, heisst das nicht, dass er weniger Arbeit bedeutet. Im Gegenteil – er geht durch so viele Hände, bis er in der Dose landet», betont Tamara Pabst. Im Frühling wird der Boden gefräst und bepflanzt, im Sommer geerntet und getrocknet, im Herbst abgefüllt und verpackt. Im Garten wachsen neben klassischen Kräutern wie Melisse, Pfefferminze, Salbei und Verveine auch farbenfrohe Blüten: Ringelblumen, Rosen, Kornblumen, Goldmelisse, Malven und sogar Edelweiss. Die Mischungen tragen poetische Namen wie Morgenrot, Rosa Wolke oder Blauer Mond – inspiriert von Farben, Düften und Stimmungen.
«Dä tee» sichtbarer machen
«Eden 21» lebt von Idealismus, aber auch von harter Arbeit. Finanziert wird das Projekt durch Teeverkäufe, Partnerschaften und den Einsatz vieler Freiwilliger. Ein wichtiges Ziel sei es, die Produkte sichtbarer zu machen und stärker in die Region zu tragen. «Wir sind jetzt an einem Punkt, wo der Garten läuft und wir wissen, was wächst und was nicht. Jetzt will ich den Fokus auf den Vertrieb legen», erklärt Pabst. So gibt es bereits eine kleine Präsenz in Winterthurer Läden wie dem Käseladen oder in Hofläden der Umgebung. Weitere Kooperationen – etwa mit dem Claro-Laden in Elgg – sind in Abklärung.
Auch Märkte spielen eine Rolle, wenn auch mehr als Ort der Begegnung denn als Verkaufskanal. «Tee verkauft man eigentlich nicht wirklich auf dem Markt», sagt Pabst. «Aber es entstehen dort die schönsten Gespräche. Die Menschen kommen auf uns zu, probieren und erzählen – das ist genau die Art von Kontakt, die wir uns wünschen.» Das Projekt nutzt Märkte daher bewusst, um Bekanntheit zu gewinnen und Nähe zur Bevölkerung aufzubauen.
Workshops und offene Tage
Parallel dazu möchte Pabst das Angebot durch Workshops und offene Tage erweitern. Der jährliche «Tag der offenen Tür» am letzten Sonntag im August hat bereits gezeigt, wie wertvoll solche Formate für den Austausch sind. Zukünftig sollen auch Pflücktage und kreative Workshops rund um die Kräuter hinzukommen. «Wir wollen noch mehr Begegnungen ermöglichen – im Garten, im Atelier, an Märkten. Es geht darum, dass unterschiedliche Menschen zusammentreffen, miteinander ins Gespräch kommen und gemeinsam etwas schaffen.»
Langfristig soll das Projekt so wachsen, dass es drei bis fünf feste Arbeitsplätze für Menschen mit Handicap bietet – immer in Verbindung mit Freiwilligen. «Grösser möchte ich es nicht machen, sonst droht man wieder eine Institution zu werden. Genau das möchte ich vermeiden», hält Pabst fest. Es geht ihr nicht um Wachstum um jeden Preis, sondern darum, gemeinsam etwas Sinnvolles zu tun. So ist «Eden 21» heute mehr als ein Kräutergarten. Es ist ein sozialer Ort, ein Experiment, ein lebendiger Beweis dafür, dass Vielfalt eine Stärke ist. Arbeit wird hier nicht als Pflicht verstanden, sondern als Möglichkeit, Teil von etwas zu sein.
«Es gibt auch ein Publikum», sagt Pabst. «Menschen haben Lust, unseren Tee zu trinken, uns zu besuchen, sich einzubringen. Und das ist das Schönste: dass wir mit diesem Projekt nicht nur Pflanzen pflegen, sondern Beziehungen wachsen lassen.»
SARAH STUTTE
«Dä tee» kann in verschiedenen Sorten via Homepage oder direkt vor Ort bestellt werden.