Drei Persönlichkeiten, drei Wege – ein leidenschaftlicher Abend
25.11.2025 AadorfWas treibt Menschen an, die für ihre Sache brennen? Beim WSP-Anlass in Aadorf diskutierte Moderator Lukas Studer mit Jeroen van Rooijen, Mike Egger und Selina Gasparin über Leidenschaft, Mut und Kompromisse. Geboten wurde ein Podium, das ebenso inspirierte wie amüsierte.
...Was treibt Menschen an, die für ihre Sache brennen? Beim WSP-Anlass in Aadorf diskutierte Moderator Lukas Studer mit Jeroen van Rooijen, Mike Egger und Selina Gasparin über Leidenschaft, Mut und Kompromisse. Geboten wurde ein Podium, das ebenso inspirierte wie amüsierte.
Der WSP-Anlass gehört in Aadorf zum November wie der Nebel selbst. Zur 14. Durchführung empfing Moderator Lukas Studer wie gewohnt drei Gäste: den Stil- und Modeexperten Jeroen van Rooijen (Wirtschaft), Nationalrat Mike Egger (Politik) und Selina Gasparin aus der Sparte Sport. Bevor der erste Gast die Bühne betrat, erklärte Studer, dass die Einnahmen des Abends zwei Sportlern aus der Ostschweiz zugutekommen: zum einen Simon Oehler, der an den Special Olympics im Skifahren in Turin zwei Medaillen gewann, und zum andern dem Wittenwiler Radrennfahrer Alex Vogel, (u. a. Schweizermeister und Silbermedaillengewinner in der Mannschaftsverfolgung an der Europameisterschaft). Oehler wurde per Videobotschaft vorgestellt, Vogel war anwesend und sprach mit dem Moderator über seine Pläne für die kommenden Weltmeisterschaften und die Olympischen Spiele.
Wiederum drei spannende Podiumsgäste
Van Rooijen dürfte vielen im Saal ein Begriff gewesen sein: Er prägte bei der «Neuen Zürcher Zeitung» das Stil-Ressort und war regelmässig mit seinen Tipps auf «Radio SRF 3» präsent. Auf eine Krawatte oder ein Outfit wie ein bunter Paradiesvogel verzichtete er bewusst, wie er sagte. Seine Leidenschaft habe er bereits mit etwa sieben Jahren entdeckt. Sein Grossvater war Modeschneider in Holland – die Besuche in dessen Atelier waren für den kleinen Jeroen jeweils ein Highlight. Zu Hause habe ihn seine Mutter an der Bernina-Maschine nähen lassen: «Sie hat mir das zugetraut, das hat mir einen unbeschwerten und schönen Zugang zur Materie eröffnet. Ich musste nicht, aber ich durfte.» Der gelernte Metzger und SVP-Nationalrat Mike Egger wurde vom Off-Sprecher als jemand angekündigt, der zeige, was mit Fokus und Tatendrang erreichbar sei: «Mit 19 zog er in den Kantonsrat ein – in einem Alter, in dem andere überlegen, welchen Film sie am Abend anschauen möchten.» Mit der Politik sei er im elterlichen Restaurant in Berührung gekommen, wo am Stammtisch jeweils lebhaft diskutiert wurde. Zudem habe er sich schon früh im familiären Umfeld behaupten müssen: «Ich habe drei ältere Schwestern, eine davon treibt Kampfsport. Da muss man verhandeln können.» Auf die Frage, wie es sei, dass seine Frau und seine Schwiegermutter der FDP angehören, meinte er trocken: «In jeder Familie gibt es ein gewisses Optimierungspotenzial.»
Als letzten Gast begrüsste das Publikum eine Pionierin des Schweizer Wintersports: Biathletin Selina Gasparin, die als erste Schweizerin eine Olympiamedaille gewann und mehrere Weltcupsiege feierte. Mit über 17 Jahren Spitzensport prägte sie ihre Disziplin massgeblich. Heute fördert sie als Cheftrainerin den Biathlonnachwuchs – eine echte Visionärin und Botschafterin ihres Sports. Ihre Leidenschaft für Bewegung lebte sie bereits in frühester Kindheit im Wohnzimmer aus, wo sie sich einen Parcours über und unter Möbeln hindurch ausdachte, den sie immer schneller absolvieren wollte. «Mein schönstes Geburtstagsgeschenk war eine Stoppuhr – so konnte ich fortan meine Zeit selbst stoppen.»
Wie aus blosser Leidenschaft ein Beruf wurde
Gasparin erzählte, dass sie polysportiv aufgewachsen sei. «Zuerst Ballett; das hat mir gar nicht gefallen, auch Eiskunstlauf war nichts für mich.» Langlaufen hingegen habe gepasst und sei sogar gut für ihre krumme Fussstellung gewesen. Ihre Leidenschaft habe sich allmählich entwickelt. Den Biathlon habe sie erst gegen 20 kennengelernt: «Man kannte das damals kaum. Es hat sich eher zufällig ergeben. Später hat es mich richtig gepackt.» Beim ersten Rennen schoss sie 18 von 20 Schüssen daneben: «Es konnte nur besser werden.» Eine Durststrecke von rund zehn Jahren folgte, bis sie 2024 in Sotschi eine Medaille gewann.
Van Rooijen sprach von seiner autodidaktisch erlernten Fähigkeit, digitale Schnittmuster zu erstellen. «Es war mühsam, aber jetzt bin ich stolz darauf», sagte er. So versiert sei er mittlerweile, dass er theoretisch sogar Kurse geben könne. Für ihn sei das Wichtigste, dass man Freude an dem hat, was man tut und sich stets Neues aneignen kann.
Mike Egger sorgte mit Geschichten aus seinem politischen Leben für einige Lacher. Vom Jugendparlament zum Kantonsrat – seine Kandidatur sei eher eine «Bieridee» eines Kollegen gewesen: «Nach dem fünften Bier habe ich zugesagt», gestand er schmunzelnd. Für Egger ist Politik kein trockener Papierkram, sondern Leidenschaft: «Wir müssen von links bis rechts zusammen sprechen. Viele meiner Ideen kommen direkt aus Gesprächen mit der Bevölkerung. Man muss Menschen mögen.» Jeroen van Rooijen nannte ihn den perfekten Brückenbauer – oder schlicht: «e coole Siech». Nach dem Kantonsrat brachte ihn Toni Brunner auf die Liste für den Nationalrat. Den Einzug verpasste er zunächst, doch 2018 rückte er nach, als Brunner zurücktrat.
Mut und Dranglauben sind entscheidend
Auf die Frage, wie sich ihre Leidenschaft zeigt, lieferten die drei Gäste unterschiedliche Einblicke. Der Stilexperte räumte ein, dass er nicht so viel Biss wie Selina Gasparin habe. Trotzdem habe ihn sein Ehrgeiz vorangetrieben: das Schreiben, die Arbeit an Schnittmustern, die Präsenz in Radio und Zeitungen. «Dieser rasende Output war mein Treiber», erklärte er. Er genoss es, im Rampenlicht zu stehen und für seine Arbeit bekannt zu sein.
Mike Egger sieht Leidenschaft vor allem im Dialog mit Menschen: «Ja, angesprochen zu werden auf Gutes, das man erreicht hat, ist schön. Ich gebe gerne Antwort, wenn ich gefragt werde, egal, wer fragt.» Dabei bleibt er souverän und lässt sich auch bei heiklen Themen, wie etwa Studers Frage, wie er zur SRG stehe, nicht aufs Glatteis führen. Der SVP-ler setzt auf ehrliche, klare Worte. Zum Thema, ob er sich in ferner Zukunft als Bundesrat sehe, liess er sich trotz mehrmaliger Versuche durch den Moderatoren und van Rooijen keine Aussage entlocken.
Die Sportlerin betonte, dass die Leidenschaft schon vor dem Wettkampf oder einer Medaille beginne: «Der Mut und das Dranglauben sind entscheidend.» Schon als Kind habe sie einen Zettel über dem Bett angepinnt auf dem stand «ich werde Weltmeisterin» – was von der Mutter nicht wirklich ernst genommen worden sei. Auch in der Schule sei ihr Berufswunsch «Langläuferin» eher belächelt worden.
Kompromisse und Weitergabe von Leidenschaft
Mike Egger, der Unbequeme: «Freiheit bedeutet, das zu sagen, was andere nicht hören wollen», zitierte er Orwell. Ihm sei wichtig, sich selbst treu zu bleiben, auch wenn das auf Kosten seiner Karriere gehe. Gleichzeitig respektiere er Mehrheitsentscheide und setze den Volkswillen durch. Er empfindet seinen Job im Nationalrat als etwas Besonderes, das ihn mit grosser Freude erfüllt.
Ebenfalls nicht kompromissbereit zeigte sich van Rooijen in Sachen Nachhaltigkeit: «Mode wird immer billiger – Zalando, Temu und weiter – alles Billigmode. Ich sehe mich als Wanderprediger für nachhaltigem Konsum: langfristig kaufen, weniger wegwerfen, Qualität und Ethik beachten, lokal einkaufen.» Billig kaufen sei nur für den Käufer verlockend, für die, die es herstellen, nicht. Teures könne man zudem wieder verkaufen.
Studer fragte seine Gäste zum Schluss, wie sie ihre Leidenschaft an Dritte weitergeben würden. Selina Gasparin versucht, beim Nachwuchs Motivation zu wecken: «Es geht nicht um Leistung, sondern um das richtige Mindset. Es frustriert mich, wenn der richtige Standort für das perfekte Insta-Selfie wichtiger ist, als sich zu verbessern.»
Jeroen van Rooijen lobt spontan und ungefragt Menschen und schätzt den freien Umgang mit Kreativität und Grenzen. «Was ich aber nicht verstehe, ist ‹Ugly Chic› – extra hässliche Kleidung», sagte er lachend; mit dieser Meinung dürfte er nicht allein sein.
Mike Egger berichtete, dass ihm die Leidenschaft als Metzger von Grossvater und Vater weitergegeben wurde. Die Freude der zufriedenen Kunden sei sein grösster Ansporn. Leidenschaft trage jede und jeder in sich; wichtig sei, den Raum zu bekommen, sie auszuleben.
Spontane Zusammenfassung in Liedform
Die traditionelle humoristische Zusammenfassung des Abends wurde diesmal in musikalischer Form vom Improvisateur und Autor Christian Johannes Käser präsentiert. Der studierte Philosoph fasste das Podiumsgespräch in Liedform zusammen – begleitet von seiner Gitarre – und sorgte für Staunen und viel Applaus. Besonders sein zweites Stück, in dem die Worte «Schwiegermutter», «Fusspilz» und «Zusatzrunde» vorkommen mussten, verlangte ihm einiges an Kreativität ab. Abgerundet wurde das Stelldichein von Wirtschaft, Sport und Politik durch einen Apéro riche, Livemusik und gute Gespräche. Das Datum für den nächsten WSP-Anlass steht ebenfalls bereits fest: der 12. November 2026 – in vielen Agenden wohl seit gestern fix eingetragen.
MARIANNE BURGENER



