Die Schweiz hört nicht nach Winterthur auf
16.08.2022 EttenhausenSeit vier Jahren ist bekannt, dass Posieux zum neuen grossen Zentrum der landwirtschaftlichen Forschungsanstalten wird. Nachdem dieser Bundesentscheid im Thurgau für Empörung sorgte, beruhigte sich die Lage wieder etwas. Nun flammt aber die Geschichte wieder auf und mittendrin steht Peter Bühler.
Die vor knapp viereinhalb Jahren erfolgte Ankündigung, die landwirtschaftlichen Forschungsanstalten der Schweiz innert zehn Jahren im freiburgischen Posieux zu zentralisieren, warf damals hohe Wellen im Kanton Thurgau. Dadurch war der Standort Tänikon in Gefahr. Mehrere Grossrätinnen und Grossräte reichten eine dringliche Interpellation im Kantonsrat ein. Zu den Erstunterzeichnenden gehörten damals drei Kantonsrätinnen aus der Gemeinde Aadorf.
Nach der Gegenwehr aus dem Thurgau zeigte sich Agroscope bereit, zusammen mit dem Kanton, die Forschungsplätze und Arbeitsstellen in Tänikon beizubehalten. Doch die Gerüchte um einen weiteren Abbau ebben nicht ab. Einem Bericht in der «Thurgauer Zeitung» war letzte Woche zu entnehmen, dass man teils jahrelangen Mitarbeitenden mit Druck zu einem Arbeitsplatzwechsel nach Zürich Reckenholz und Wädenswil zwingen wolle. Kantonsrat Peter Bühler aus Ettenhausen verurteilte im Zeitungsartikel «das unsensible Vorgehen» und will nun einen Vorstoss lancieren. Die «Elgger/Aadorfer Zeitung» sprach mit ihm.
PETER BÜHLER, GEMÄSS IHREN AUSSAGEN DER «THURGAUER ZEITUNG » SOLL AGROSCOPE IN TÄNIKON ENTGEGEN DEN VERSPRECHEN VON BUND UND BUNDESRAT STELLEN ABBAUEN. WIE KOMMEN SIE DARAUF?
Ich wohne schon jahrelang in Ettenhausen und was in der Agroscope passiert wird mir als Vertrauensperson bekannt gemacht. Wie es im Bericht der «Thurgauer Zeitung» hiess, setzte man den (teils jahrzehntelangen) Mitarbeitenden gleich die Pistole auf die Brust und sagte, dass sie künftig ins Reckenholz nach Zürich oder gar nach Wädenswil müssten. Man bat sie zwar zu einem Gespräch, dann aber sollten sie diese «Änderungen» innert vier bis fünf Tagen unterzeichnen. So geht das personalpolitisch gar nicht. Das fühlt sich doch an wie in einem Grosskonzern.
UND WAS TATEN SIE DANN?
Ich begann mich kundig zu machen und wollte als Thurgauer Kantonsrat natürlich wissen, wie das effektiv aussieht. 2018 kam der Kanton Thurgau dem Bund stark entgegen, um Tänikon als Standort zu erhalten. Man meinte danach, dass Bund und Kanton an einem Strick ziehen und miteinander reden, damit wir Tänikon, seine Bedeutung und Mitarbeitenden behalten können. Nun merke ich aber, dass da anscheinend mehr und mehr von Zürich aus gemacht, gelenkt und gemanagt werden soll. Einmal mehr scheint für den Bund die Schweiz nach Zürich und Winterthur aufzuhören. Wenn dann noch das Gefühl aufkommt, dass schleichend ein unsensibler Personalabbau betrieben wird, bei dem auch externe Unternehmen und/oder Personen involviert sind, welche die Reorganisation für den Bund durchziehen müssen, dann bin ich bestürzt – und sehr besorgt. Das sind dann halt sofort McKenzie-Stilmethoden, welche sozialpolitisch ja nicht gerade als Leuchtbeispiele bekannt sind. Aufgrund all dessen suchte ich das Gespräch mit dem Journalisten der «Thurgauer Zeitung».
Der Ettenhauser plant einen Vorstoss im Grossen Rat
UND NUN WOLLEN SIE EINEN VORSTOSS IM GROSSEN RAT LANCIEREN?
Ich will auf keinen Fall, dass der Standort Tänikon vom Bund im Hintergrund leergeräumt wird. Auf nationaler Ebene kann ich nichts ausrichten, aber im Thurgau schon, weshalb ich mich für einen Vorstoss im Grossen Rat entschloss. Ich – und sicher auch die Gemeinde Aadorf – möchte, dass der Standort in einer möglichst ausgeprägten Einheit bleibt und nicht zur Miniatur verkommt. Eines Tages hat man dann vielleicht zu spät bemerkt, dass es ihn gar nicht mehr gibt.
WAS ERHOFFEN SIE SICH MIT DEM VORSTOSS, WAS SOLL ER AUSLÖSEN?
Der Thurgauer Regierungsrat soll gestärkt werden, mutig und selbstbewusst beim Bund unsere Interessen einzufordern. Dass ich mich für diese Institution in unserer Gemeinde und die Mitarbeitenden einsetze, ist doch logisch. Dann möchte ich aber ebenso bekannt machen, wie man hier momentan mit dem Personal umgeht. Das ist einfach «unterirdisch». Gerade für mich als bürgerlichen Politiker ist es beschämend, wie hier mit Menschen, welche sich jahrzehntelang für die Agroscope verdient machten, umgegangen wird.
Selbst Ständerätin Brigitte Häberli äusserte sich positiv zu meiner Intervention und von verschiedenen Personen bekam ich aufmunternde Worte, «am Ball zu bleiben». Der Thurgau soll sich zum Standort bekennen, sich offiziell dazu äussern und positionieren. Es ist wichtig, dass sich alle für Tänikon stark machen. Die Angestellten, welche nach Zürich gehen sollen, stellen heute die betriebliche Infrastruktur in Tänikon sicher. Wer macht das zukünftig, wenn es diese Mitarbeitenden nicht mehr gibt? Externe Anbieter ohne Bezug zur Agroscope? Ist das die gewollte Zukunft unseres Standortes? Deshalb möchte ich auch wissen, ob sich die Thurgauer Regierung vorstellen könnte, dieses Personal vom Arenenberg zu übernehmen, damit sie wieder in Tänikon zum Einsatz kommen – im Prinzip ein Transfer von Bundes- zu Kantonsangestellten. Für die Betroffenen wäre das sicherlich wichtig zu wissen. Man muss sich vorstellen: Da hat es Leute drunter, die zweieinhalb bis drei Jahrzehnte beim Bund angestellt sind und waren. Denen sagt man nun von einem Tag auf den anderen: Wenn Sie nicht innerhalb fünf Tagen ein Papier unterzeichnen, dann müssen wir ihnen vielleicht sogar kündigen, ohne eine Abgangsentschädigung zu berappen. Sowas regt doch nicht nur mich auf, oder?
Es geht um Arbeitsplätze und Imageverlust
WIE ZEIGT SICH IHRER MEINUNG NACH WICHTIGKEIT DES STANDORTS TÄNIKON FÜR DIE GEMEINDE AADORF?
Das absolut Wichtigste sind die bestehenden Arbeitsplätze. Dann ist es aber auch eine Frage des Images. Wenn man ein Bundestandort für Forschung ist, und das im Landwirtschaftskanton Thurgau, dann ist das definitiv eine Imagefrage. Aadorf erhält Ansehen durch die Agroscope. Das gilt natürlich auch für den Kanton.
WIE WICHTIG IST ES, DASS SICH THURGAUER POLITIKER UND POLITIKERINNEN, WIE EBEN BRIGITTE HÄBERLI, IM EIDGENÖSSISCHEN PARLAMENT EINBRINGEN?
Sehr wichtig. Und das tun sie ja bereits. Sie können aber in operativen politischen Prozessen auch nur mit Fragen intervenieren. Der Entscheid, das freiburgische Posieux zum neuen grossen Zentrum zu machen, ist gefällt. Dass also Tänikon nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher hat, ist bereits passiert und da kommen wir nicht mehr davon weg. Aber die Thurgauer Parlamentarier in Bern können immer wieder aufzeigen, dass die Schweiz nach Winterthur nicht aufhört.
TEXT UND INTERVIEW:RENÉ FISCHER