Die Schuldenbremse gerät in Gefahr
24.12.2022 OberschneitSeit dreieinhalb Jahren politisiert Therese Schläpfer im Nationalrat. Gewisse Tendenzen bereiten nicht nur ihr Sorgen. Frisch aus der Wintersession kommend, stellt sie sich für ein Interview zur Verfügung und spricht dabei über ihre politische Arbeit, den wieder zu ...
Seit dreieinhalb Jahren politisiert Therese Schläpfer im Nationalrat. Gewisse Tendenzen bereiten nicht nur ihr Sorgen. Frisch aus der Wintersession kommend, stellt sie sich für ein Interview zur Verfügung und spricht dabei über ihre politische Arbeit, den wieder zu locker sitzenden Geldbeutel und beängstigende Entwicklungen.
Die ehemalige Hagenbucher Gemeindepräsidentin und SVP-Politikerin Therese Schläpfer empfängt den Schreibenden in den familieneigenen Geschäftsräumlichkeiten im heimischen Oberschneit. Nach dreieinhalb Jahren ist sie im Bundeshaus definitiv angekommen. Sie, die erste Frau aus dem Eulachtal im Nationalrat und einzige Bundesparlamentarierin überhaupt im Einzugsgebiet dieser Zeitung. Es passiert zurzeit viel auf politischer Ebene, auch wenn die Wintersession vorüber ist. Gewisse Tendenzen geben grossen Bevölkerungskreisen aber doch zu denken. Die «Elgger/Aadorfer Zeitung» spricht sie an, Schläpfer gibt bereitwillig und offen Auskunft:
THERESE SCHLÄPFER, FRISCH AUS DER WINTER-SESSION. WAS WAR ERFREULICH DARAN, ÄRGERLICH?
Ärgerlich ist natürlich, dass wieder so viel Geld ausgegeben wurde. Der Bundesrat wird beispielsweise 23,4 Millionen Franken in ein neues Botschaftsgebäude in Addis Abeba, Äthiopien, investieren. Wobei man bei der viel tieferen Kaufkraft dort, wohl eher von einem Palast sprechen muss. Es wird allgemein wieder viel Geld verschleudert, was man als Bürgerliche kaum mehr beanstanden darf, ohne gleich in eine Ecke gestellt zu werden, die den Nazis gleichkommt.
GELD RAUS WIE VOR DER SCHULDENBREMSE WELCHE VOM VOLK VOR 21 JAHREN IN ABSTIMMUNG ANGENOMMEN WURDE UND DIE NOTABENE IN DER BUNDESVERFASSUNG VERANKERT IST?
Genau so kommt es mir vor. Natürlich geht es jetzt auf die Wahlen zu. Mit der grosszügigen Geldverteilung wollen die Linken wohl ihre Wählerinnen und Wähler kaufen. Man sah das gut mit der 13. AHV-Rente, die zwar auch der Bundesrat ablehnt, aber ohne Gegenvorschlag. Auch das Parlament lehnt dieses Ansinnen ab, aber SP und Grüne predigen, wie viele Armutsbetroffene es gebe, die nur eine kleine AHV-Rente erhalten. Sie argumentieren, dass es nicht lustig sei, Ergänzungsleistungen zu beantragen. Da muss man halt Belege mitbringen, damit sie nur solche erhalten, die es wirklich nötig haben. Aber das sei gemäss linker Seite nicht zumutbar.
WÄRE DAS DENN NICHT EINFACH EINE UMVERTEILUNG? MEHR GELD FLIESST JA NUR IN DIE SOZIALLEISTUNGEN, WENN ARBEITGEBER UND -NEHMERINNEN MEHR EINZAHLEN ODER WIEDER UND WIEDER DIE MEHRWERTSTEUER ERHÖHT WIRD.
Es ist sicher eine Umverteilung. Eine solche gibt es dann auch für 80 Prozent AHV-Bezüger, die es gar nicht nötig haben. Deswegen hielt ich auch ein Votum im Nationalrat. Die Leidtragenden sind Arbeitnehmer und Arbeitgeberinnen: 0,8 Prozent mehr Lohnabzug, Mehrwertsteuererhöhung um 1,1 Prozent. So bekäme auch ein Millionär, also das Feindbild der Linken, eine 13. AHV-Rente. Berechnet wird das prozentual, weshalb man sich schnell ausrechnen kann, wie viel jemand mit einer Rente von 1800 Franken pro Monat erhalten würde.
Zufrieden mit der Departementsverteilung
DIE ALTERSVORSORGE WIRD NOCH LÄNGER BESCHÄFTIGEN. GAB ES IN DER WINTERSESSION AUCH ERFREULICHES FÜR SIE?
Wir durften praktisch einen ganzen Morgen über den Wolf debattieren. Das zeigt doch wie gut es der Schweiz eigentlich geht, was natürlich erfreulich ist (schmunzelt).
Wohltuend waren auch die Bundesratsfeiern und die entsprechende vorangegangene Wahl – obschon ich als Zürcherin lieber Hans-Ueli Vogt in der Regierung gesehen hätte. Er war sicherlich ein sehr valabler Kandidat. Albert Rösti wird es aber gut machen und erfreulicherweise erhielt er das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). DaDurch, dass Karin Keller-Sutter in die Finanzen wechselt, sind zwei eminent wichtige Departemente in bürgerlicher Hand.
Ebenfalls freut es mich, feststellen zu dürfen, dass die Bürgerlichen seit Thierry Burkart das Präsidium der FDP inne hat vermehrt miteinander reden. Dieser Austausch funktioniert wieder viel besser als vorher. Ich hoffe natürlich, dies hält nicht nur bis zu den Wahlen.
SIE GEHÖREN DER KOMMISSION FÜR SOZIALE SICHERHEIT UND GESUNDHEIT AN. WIE SIEHT ES AUS MIT DER KOSTENSENKUNG IM GESUNDHEITSBEREICH?
Da kommen wir nicht wirklich weiter. Mit den aktuell laufenden Initiativen wird auch hier nur umverteilt. Wir müssen die Kosten aber zwingend und nachhaltig senken. Schön war aber, dass ein Vorstoss abgelehnt wurde, der wollte, dass Kontrollstellen geschaffen werden, um die Vermieter schweizweit bezüglich Renditen zu überwachen. In diese Richtung gibt es immer wieder Vorstösse.
Immer mehr Staat, Kontrolle und Ausgaben
SIE SPRECHEN EIN WEITERES PROBLEM AN: DER VERWALTUNGSAPPARAT WIRD IMMER WEIT AUFGEBLÄHT. WERDEN STAATLICHE EINRICHTUNGEN BALD ZUM HAUPTARBEITGEBER IM LAND?
Es werden von linker Seite immer mehr Staat und Kontrolle angestrebt. Alle die vielen neuen Gesetze, die wir annehmen, sind eigentliche Kontrollinstrumente. Jemand muss dann schauen, ob die eingehalten werden. Alle Kontrollmechanismen brauchen Personal. So wird der Verwaltungsappart immer mehr aufgebläht, das stimmt.
SIE SIND NUN DREIEINHALB JAHRE IM NATIONALRAT. WAS HAT SICH IN DIESER ZEIT VERÄNDERT?
Geändert hat sich eigentlich nichts. SP und Grüne wollen immer noch viel mehr Geld ausgeben als hereinkommt. Sie predigen gebetsmühlenartig eine Weltuntergangsstimmung. Wir versuchen zu sparen. Ueli Maurer war dafür der richtige Bundesrat, wurde er doch auch immer als Sparonkel betitelt. Aber sorgsamer Umgang mit den Steuergeldern ist das einzig richtige – egal ob auf Gemeinde-, Kantons- oder Bundesebene. Ein umsichtiger Umgang ist wichtig, denn die Menschen zahlen alle Steuern mit hart erarbeitetem Geld. Kommt hinzu, dass die Hemmschwelle auf Bundesebene kleiner ist, weil oft der Bezug zum einfachen Volk fehlt.
WIR SIND ALSO AUF DEM BESTEN WEG DIESCHULDENBREMSE WIEDER AUSZUHEBELN, WELCHE UNSEREN FINANZHAUSHALT WELTWEIT PRAKTISCH ZUM VORZEIGEPROJEKT MACHTE?
So ist es. Und wie viele Male heisst es bei einer Abstimmung, sie hätten die Schuldenbremse gelöst? Ein Privathaushalt kann auch nicht mehr Geld ausgeben als er einnimmt. Diese Entwicklung ist beängstigend. Es bleibt nur die Hoffnung, dass uns die FDP in den Sparbemühungen verstärkt unterstützt.
Vorstösse bezüglich Atomstrom und Gendern
KOMMEN WIR ZU IHREN PERSÖNLICHEN AKTIVITÄTEN IM NATIONALRAT. WAS WAREN IM VERGANGENEN JAHR DIE WICHTIGSTEN?
Meine Vorstösse und die Suche nach Mehrheiten für gute Lösungen. Das gelang mir doch einige Male. Ein wichtiger Vorstoss war für mich beispielsweise die Streichung des Artikels 9 im Energiegesetz, damit wir in der Schweiz wieder Atomstrom produzieren können – dies wegen der Strommangellage. Dabei geht es um den Bau moderner Atomkraftwerke neuster Generation, wo Brennstäbe wieder verwertet werden können. Dieser Vorstoss wurde aber noch nicht behandelt. Dann war noch der Gendersprache-Vorstoss. Ich bezog diesen auf die ETH, da der Bund Geld an sie bezahlt. Aber die ZHAW fühlte sich viel mehr angesprochen, weshalb von dieser Seite grösseres Aufheben gemacht wurde. Nach den Zeitungsartikeln hatte ich diesbezüglich extrem viele Rückmeldungen. Interessant war, dass ich nach Veröffentlichung beider Vorstösse auf Facebook nur etwa 20 Prozent der Reaktionen bezüglich Atomstrom erhielt, obwohl dieser eigentlich viel wichtiger wäre.
WAS KANN DENN EIN SOLCHER VORSTOSS SCHLUSSENDLICH BEWIRKEN?
Es geht dabei um eine parlamentarische Initiative, die behandelt werden muss. Bei einer Motion oder einem Postulat sieht das anders aus. Bei einem Vorstoss ist das Ziel, dass man einen Schritt weiter geht und wirklich etwas bewegt wird.
DAS GENDERN AN DER ETH ZU VERBIETEN WÄRE DAS ZIEL?
Verbieten nicht gerade, denn untereinander kann man schwatzen, wie man möchte. Aber was nicht sein darf, ist ein Notenabzug, wenn nicht gegendert wird. Langfristiges Ziel ist natürlich auch, einen Rückgang der ganzen Gendersache zu bewirken. Sie glauben gar nicht was ich für schriftliche Nachrichten mit Doppelpunkt, Sternchen und Co erhalte. Absolut nicht leserfreundlich sowas.
Woke-Bewegung: Umwälzung der Gesellschaft
ES BLEIBT ZU HOFFEN, DIE GENDERDISKUSSION FLACHT IRGENDWANN WIEDER AB.
Das wird kaum der Fall sein. Hinter dieser Woke-Bewegung stehen starke Kräfte. Die wollen nichts anderes als eine Umwälzung der Gesellschaft. Beispielsweise die jungen Menschen, die das Gefühl haben im falschen Körper geboren zu sein. So viele Jugendliche, die Probleme mit ihrer Identität haben, gab es noch nie. Viele werden durch die ganze Bewegung derart verunsichert, dass sie psychiatrische Hilfe benötigen. Das ist nichts anderes als ein marxistisches Modell: Familien abschaffen, damit sie die Kinder so erziehen können, wie sie möchten, aber auch den Kapitalismus überwinden.
IST ES NICHT ÄRGERLICH, DASS EIN KLEINER PROZENTSATZ MENSCHEN DER GROSSEN MASSE IHR LEBEN AUFZWINGEN WILL?
Natürlich. Kommt dazu, dass es ein schleichender Prozess ist und man dabei immer betont, es sei ja schliesslich eine gute Sache, alle zu inkludieren. Schwule und Lesben sind das schon lange. Wir wurden doch so erzogen, vor allen Leuten Respekt zu haben. Ich denke die ganze Tragweite dieser Bewegung ist vielen gar nicht bewusst.
EIN SCHWIERIGES UND EMOTIONALES THEMA. GEHEN WIR WIEDER INS PARLAMENT. GAB ES 2022 EINE FRAKTION ODER PARTEI, WELCHE SIE POSITIV ÜBERRASCHTE?
Wie gesagt, die FDP. Die GLP enttäuscht mich hingegen je länger je mehr. Die politisieren inzwischen mehrheitlich grünlinks und nicht grünliberal. Einzige Ausnahme ist Martin Bäumle und der bekommt das glaube ich auch zu spüren.
Wahljahr 2023
NÄCHSTEN OKTOBER STEHEN WAHLEN AN. SIND SIE ZUVERSICHTLICH FÜR DIE SVP, WAS SIND DIE ZIELE?
Wichtig ist es, Positionen zu beziehen. Dies ist bereits vor ein paar Wochen geschehen. Schwierig für die SVP ist es, dass ihre Ideen überhaupt gehört werden, die nötige positive Aufmerksamkeit in den Medien erhalten. Viele der heutigen Probleme haben wir prophezeit. Migration bleibt ein Problem, jetzt aktuell mit der Ukraine, aber auch aus Afrika oder Afghanistan. Wir beissen in Bern aber auf Granit, auch wenn wir lediglich verlangen, dass das Gesetz eingehalten wird. Für uns ist es schwierig, etwas Diesbezügliches zu beanstanden, ohne gleich wieder in die bereits erwähnte Ecke gestellt zu werden. Das geht an Veranstaltungen, auf sozialen Medien, mit Leserbriefen, ansonsten ist es schwer, ohne gleich an den Pranger gestellt zu werden.
DEMNACH SCHEINT ES AUCH SCHWIERIG ZU SEIN, NICHT-SVP-WÄHLERINNEN ZU ERREICHEN?
So ist es. Ich denke unser Hauptziel muss es sein, unsere Wähler und Mitglieder an die Urne zu bringen, Leute, die unsere Ideen vertreten. Wenn wir das schaffen, ist für uns schon ziemlich viel gewonnen. Natürlich wäre es umso schöner, wenn uns auch solche wählen, die das bisher noch nicht taten.
Unterschriften sammeln ist Knochenarbeit
WAS STEHT NÄCHSTES JAHR AUSSER DEN WAHLEN NOCH WICHTIGES AN?
Ich bin neu im Vorstand von Pro Schweiz, der Nachfolgeorganisation der Auns. Insofern sind mir eine unabhängige Schweiz und die Neutralitätsinitiative sehr wichtig. Die EU spielt uns da zum Glück mit üblen Geschichten, aktuell mit dem Korruptionsskandal, immer wieder mal in die Karten.
EINE NEUTRALITÄTSINITIATIVE, OBWOHL DIE NEUTRALITÄT BEREITS IN DER VERFASSUNG VERANKERT IST? ETWAS PARADOX, ODER NICHT?
Ja, es ist verrückt. Aber auch dieser Verfassungsartikel wird halt immer wieder aufgeweicht. Wenn die politische Elite die Orientierung verliert, muss der Souverän den falsch eingeschlagenen Kurs korrigieren. Weiter im Vordergrund steht für uns zudem, genügend Unterschriften für das Referendum zur Gletscherinitiative hinzubringen.
Unterschriften sammeln ist Knochenarbeit. Man kann sagen, dass man etwa fünf Minuten für eine einzige braucht. Das ist enorm. Aber klar, die Leute wollen halt noch ein bisschen Schwatzen (schmunzelt) und es braucht viel Erklärungsarbeit.
NICHT NUR DAS BEISPIEL UNTERSCHRIFTENSAMMLUNGEN TÖNT NACH VIEL HINTERGRUND ARBEIT.
Ja, der Zeitaufwand ist enorm. Während der SeSsion ist man auch an den Wochenenden fast dauerbeschäftigt mit Parteiarbeit. Es sind schon viele Termine wahrzunehmen. Anfangs Januar geht es weiter mit der Bad-Horn-Tagung Freitag und Samstag. Dann nach Hause und einer Einladung für die Vorstellung der Neutralitätsinitiative in Frauenfeld Folge leisten. Am gleichen Sonntag in Winterthur eine Grussbotschaft mit Regierungsräten besuchen …
… JEDE MENGE EINLADUNGEN AUF ORTS-, BEZIRKS, KANTONS- UND BUNDESEBENE. SIE SIND EINE GEFRAGTE PERSON. KÖNNEN SIE SICH AUCH MAL ETWAS ABGRENZEN?
Das will ich eigentlich gar nicht. Wenn ich weiss, dass die Ortssektion oder Bezirkspartei etwas macht, dann gehe ich hin. Auch nach Andelfingen, da sie dort keinen Nationalrat haben. Ich nehme solche Einladungen gerne wahr und das wird ästimiert. Es ist auch eine Wertschätzung, den Leuten gegenüber, die etwas für die Partei unternehmen und leisten.
Es gibt und bleibt also viel zu tun für Therese Schläpfer. Die «Elgger/Aadorfer Zeitung» bedankt sich für das Interview und wünscht ihr und der Familie ein gutes neues Jahr!
TEXT UND INTERVIEW: RENÉ FISCHER