Die Österreicher überqueren im Norden den Rhein
13.08.2024 RegionDie Schweiz ist im Jahre 1799 ein von Frankreich besetztes Land. Aber in Wien fällt auf höchster Ebene der folgenreiche Entscheid, die Franzosen aus der Schweiz zu vertreiben. Österreichische Truppenteile überqueren zuerst bei Konstanz und Stein den Rhein.
Am 21. Mai ...
Die Schweiz ist im Jahre 1799 ein von Frankreich besetztes Land. Aber in Wien fällt auf höchster Ebene der folgenreiche Entscheid, die Franzosen aus der Schweiz zu vertreiben. Österreichische Truppenteile überqueren zuerst bei Konstanz und Stein den Rhein.
Am 21. Mai marschiert Generalmajor Christoph Piakzek (1749-1799) mit leichten Truppen über die Rheinbrücke bei Konstanz in den Thurgau. Der in Ungarn geborene, mehrfach ausgezeichnete Kommandant des neunten Husarenregimentes wird jedoch bereits nach wenigen Tagen im Gefecht mit Truppen Massénas in der Nähe Schaffhausens verwundet und stirbt in Rheinau am 12. Juni 1799.
Gleichzeitig setzt die Division des sächsischen Grafen Nauendorf (1749- 1801) auf zwei Schiffsbrücken in Stein am Rhein 21 Bataillone und 30 Schwadronen über den Rhein. Nauendorf bezieht vorerst Stellungen auf der Linie Nussbaumen-Steinegg-Hüttwilen, besetzt eine vorgelagerte Sicherungslinie an den Rändern der Stammheimer Senke und klärt über die Thur bis zur Töss auf. Am 22. Mai abends war Andelfingen vom österreichischen General Kienmayer erreicht und Hettlingen genommen. Er schiebt Posten von Andelfingen bis Pfyn an die Thur vor und bemächtigt sich der Tössmündung sowie der Ortschaften Buch am Irchel und Henggart.
Gleichzeitig rückt Nauendorf in Richtung Winterthur vor. Bei Hettlingen und am Irchel vertreibt er die Franzosen. Bei Freienstein hatten diese eine Brücke über die Töss geschlagen. Ihnen gegenüber liegen nun österreichische Vorausabteilungen in Buch, Flaach und Hettlingen. Die Front stabilisiert sich bis zum Abend des 22. Mai auf der Linie Seuzach-Ohringen-Neftenbach-Dättlikon-Freienstein. Effektiver Brennpunkt der sich abwechselnd erfolgreichen und fehlgeschlagenen Operationen an der Thur wird Andelfingen mit seiner schliesslich von den Österreichern abgebrannten Brücke.
Wo wird Erzherzog Karl über den Rhein setzen?
Die Österreicher verunsichern mit ihrer Hauptmacht die Franzosen an der Rheinfront mit einem Täuschungsmanöver. Sie setzen mit Booten bei Eglisau, Kaiserstuhl und Koblenz über den Strom. Die Ablenkung zwingt den französischen Oberbefehlshaber Masséna zu einem ständigen Reserveeinsatz mit drei Kavallerieregimentern. Es bleibt ihm unklar, wo der Erzherzog mit der Hauptmacht übersetzen wird. Die Ungewissheit zwingt Masséna, im rückwärtigen Raum eine Lauerstellung zu beziehen, aus der heraus er situativ seine Kräfte einsetzen will.
Ausserdem will Masséna grundsätzlich Erzherzog Karl im Norden und den im Dienste der Österreicher stehenden, aus Richterswil stammenden Schweizer Patrioten General Hotze im Osten abwehren – und vor allem die angestrebte Vereinigung ihrer Kräfte zwischen Frauenfeld und Winterthur verhindern.
Der österreichische Brückenkopf bei Büsingen
Karl hatte sich entschieden und befohlen, im Schaarenwald, zwischen Diessenhofen und Paradies, einen befestigten Brückenkopf bauen zu lassen, um hier sowohl seinen gesicherten Vormarsch über den Rhein nach Süden, gegen die Franzosen in der Schweiz, als auch seinen eigenen Rückzug nach Norden zu ermöglichen. Der Bau des Brückenkopfes benötigte Monate und wurde mithilfe aufgebotener Mannschaften aus der näheren und ferneren Umgebung erzwungen.
Nicht nur die benachbarten, auch weiter entfernte Dörfer der Kantone Thurgau und Zürich, des Bistums Konstanz und des Hegaus hatten mehrere Hundert Hilfskräfte und Fuhren zu stellen. Es sollen drei Monate lang täglich 1200 bis 1500 Mann daran gearbeitet haben, viele kamen zehn bis zwölf Stunden weit her. Oberstammheim gab beispielsweise dafür 3948 Taglöhne zu einem Franken sechs Batzen, total 6316 Franken acht Batzen, Unterstammheim 3304 Taglöhne, macht 5286 Franken vier Batzen. Waltalingen und Guntalingen mussten im April zusammen 70 Mann auf die «Richlinger Schanzen» werfen. Es ist ausgerechnet worden, dass der Thurgau im Lauf des Jahres für Fuhren und Schanzarbeiten über 870’000 Gulden aufgewendet hat. Im Sommer 1799 mussten sich sieben Mann Adlikons bei den Befestigungsarbeiten am Brückenkopf beteiligen; die Gemeinde gab jedem zweieinhalb Gulden. 49 Gulden gab das Gemeindegut Humlikon für Arbeitslöhne an Bürger aus, die im Schaaren am Rhein arbeiten mussten.
Mit der Fertigstellung des Festungswerkes, bestehend aus Wällen, Gräben und Verhauen, verbinden zwei über den Rhein geschlagene Pontonbrücken den schweizerischen mit dem süddeutschen Kriegsschauplatz. Die beiden Brücken mit je 28 Pontons liegen nur wenig auseinander. Der Brückenkopf selbst bietet Platz für mindestens 1500 Mann Infanterie und 16 Kanonen.
Am 22. Mai 1799 entschliesst sich Erzherzog Karl, mit Heeresmacht durch den befestigten Brückenkopf vorzustossen und im Schaarenwald den Rhein zu überqueren. Die Zahl der beteiligten Soldaten wird auf 18- bis 30’000 Mann Infanterie, Kavallerie und Artillerie geschätzt. Sie alle passieren den Rhein bis zum Abend des 23. Mai. Der Flussübergang kann ohne Feindeinwirkung vollzogen werden. Der Vorstoss der österreichischen Hauptmacht geht sogleich nach Süden und findet seinen ersten feindlichen Widerstand an der Thur. Am 25. Mai kämpfen Franzosen und Österreicher um den wichtigsten Thurübergang. Die Franzosen feuern mit ihren Kanonen von der HöHe des Schlosses auf die nördlich der Thur aufgestellten kaiserlichen Batterien. Beide Dörfer leiden durch die kriegerischen Auseinandersetzungen schwer. Die umkämpfte Brücke wird von den Österreichern in Brand gesteckt. Als Ersatz wird 1814/15 die heutige gedeckte Brücke erbaut.
Der österreichische Plan misslingt
Der österreichische Plan sah vor, dass gleichzeitig mit der Überquerung des Rheins durch Erzherzog Karls Truppen, General Hotzes österreichische Streitkräfte von Osten her die französischen und helvetischen Truppen attackieren und aus der Ostschweiz vertreiben sollen. Hotze soll aus dem Raum Graubünden und Rheintal über St. Gallen und das Toggenburg Frauenfeld erreichen und in Richtung Winterthur-Zürich vorstossen. Dabei soll er sich in der Region Winterthur mit Erzherzog Karl vereinen und mit ihm die Franzosen in einer Zangenbewegung besiegen.
Aber der Plan geht nicht auf: Hotzes Vorstoss aus dem Osten verzögert sich und Masséna pariert den österreichischen Angriffen. Er verlegt sein Hauptquartier nach Winterthur, lässt Vorposten auf der Linie Frauenfeld-Elgg aufstellen, macht am 25. Mai 1799 gleichzeitig mit drei Divisionen auf die anrückenden Österreicher mobil und unternimmt einen Gegenangriff bei Frauenfeld.
Masséna, der die Linie Seuzach-Ohringen-Neftenbach-Dättlikon-Freienstein hält, lässt am 25. Mai drei gleichzeitige Angriffe auf die anrückenden Österreicher im Norden und Osten vortragen:
Die Division Oudinot fasst Hotzes später eingetroffene Vorhut bei Frauenfeld, jagt sie nach Wil zurück und nimmt die Pfynerbrücke. Die Division Ney fasst Piakzek bei Thalheim, schneidet ihm den Rückzug über die Thurbrücke Andelfingen ab. Der Franzose Paillard stösst von Bülach her über Rorbas nach Andelfingen, um die Brücke zu besetzen. In Andelfingen entbrennt ein wilder Strassenkampf, in den auch die zwei helvetischen Kompanien Rovéréa eingreifen und bei dem ein Teil der Ortschaft in Flammen aufgeht. Im Abschnitt Ney weichen die Österreicher unter zäher Abwehr allmählich – da die Fährschiffe bei Gütighausen, Niederneunforn, Uesslingen und Rohr bereit liegen – aufs nördliche Ufer der Thur und entrinnen nach Andelfingen oder Pfyn. Sobald die geschlagenen Österreicher die Andelfingerbrücke hinter sich in Brand stecken, verebbt das Gefecht. Aber kein Franzose überschreitet die Thur!
MARKUS SCHÄR