Die Heimkehr aus dem Sonderbundskrieg
23.02.2023 RegionDie Themen des Sonderbundes und des Sonderbundskrieges fristen in den Ortsgeschichten allgemein und in jenen des Hinterthurgaus besonders ein Mauerblümchendasein. Elgg jedoch kann sich mit den beiden Autoren Kaspar Hauser und Karl Mietlich wahrlich nicht beklagen. Es gibt aber Autoren von ...
Die Themen des Sonderbundes und des Sonderbundskrieges fristen in den Ortsgeschichten allgemein und in jenen des Hinterthurgaus besonders ein Mauerblümchendasein. Elgg jedoch kann sich mit den beiden Autoren Kaspar Hauser und Karl Mietlich wahrlich nicht beklagen. Es gibt aber Autoren von Ortsgeschichten, die den Lesenden bei diesem Thema und zu diesem Zeitabschnitt raten, in die Werke zur Kantonsund Schweizergeschichte zu wechseln.
Warum diese Marginalisierung auf Ortsebene? Bringen doch die zwei Jahre 1847 und 1848 im Kleinstaat Schweiz den endgültigen Abschied von einer umstrittenen Form des föderalen Zusammenlebens und den Eingang in die neue zukunftsprägende Form des Bundesstaates. Zuweilen kann aber auch die Vermutung nicht ganz unterdrückt werden, im verkrampften Verschweigen und Verdrängen des Geschehenen verharrten immer noch alte Tabus.
Das Echo in den Ortsgeschichten
Freilich gibt es im Thurgau Ausnahmen: zum Beispiel das reichhaltig gebliebene Werk von Johann Naters «Geschichte von Aadorf» oder die viel jüngere, kürzere «Ortsgeschichte von Thundorf». Zum Thema äussert sich hier allerdings ein Mitautor aus dem zürcherischen Weisslingen unter der Überschrift: «Begeisterter Aufbruch». Im Thurgau brüstete man sich gerne mit dem Erfolg der Thurgauer Truppen beim entscheidenden Gefecht bei Gisikon, das zur Kapitulation des Sonderbundes führte. Über die patriotische Hochstimmung der Thundorfer findet sich in der Gemeinde ein Protokolleintrag während des Krieges: Für die Mannschaft im eidgenössischen Militärdienst wird eine freiwillige Steuer erhoben. Die in der Gemeinde vorhandenen Gewehre sollen revidiert werden, damit man sich verteidigen könne. Es werden 20 Pfund Pulver gekauft. Blei ist bei Oberrichter Bachmann zu haben, der einen Eisenwarenladen führt. Dieser organisiert gleich nach dem Krieg vor Weihnachten 1847 in der Kantonshauptstadt eine private Ehrung für Dr. Johann Kern, den Gesandten des Thurgaus bei der Tagsatzung und Freund General Dufours. In der Frauenfelder «Krone» werden ein Bankett offeriert, Lobreden und Vorträge des jungen Thundorfer Lehrers Konrad Gilg mit seinen Sängern gehalten, eine Helfergruppe aus Thundorf war aufgeboten. Der gerührte Minister Kern soll in seinen Dankesworten anerkennend von den Thurgauer Soldaten gesprochen haben, die sich in Gisikon musterhaft geschlagen hätten.
Mit grösstem Interesse verfolgen die Zuhausegebliebenen den Verlauf des Krieges und das Befinden ihrer Angehörigen im Felde. Natürlich werden im Vergleich zum heutigen nachrichtenfluss die Neuigkeiten spärlicher gewesen sein. Trotzdem fesseln die Berichte einzelner Phasen des Feldzuges und die Standorte der verschiedenen Thurgauer Einheiten. Auch für die damalige Zeit verbreiten der Depeschendienst der Presse und die Bekanntmachungen örtlicher Behörden die Neuigkeiten schnell und fortlaufend.
Kriegsende, Unterstützungen und Entschädigung
Am 29. November 1847 hatten alle Sonderbundskantone die Kampfhandlungen eingestellt. Die Thurgauer Bataillone kehren Ende 1847 und anfangs 1848 zurück. Zwei von ihnen rücken in einer Kolonne in Frauenfeld ein. In Islikon werden die Bataillone Kappeler und Labhardt durch die Sängervereine Frauenfelds und IslIkons mit einer Ansprache von Lehrer Habisreutinger und Kanonendonner begrüsst. Und in Frauenfeld auf der Wiese (!) des Regierungsrates Labhardt entlassen. Mehr als 100 Fuhrwerke holen die Soldaten in die Heimatgemeinden ab. Als die Scharfschützenkompanie Forster in Stettfurt ins Quartier einrückt, werden sie von militärisch geschmückten Knaben mit Fahnen und Gesang empfangen.
Während der Thurgau zwei Tote und mehrere Verwundete zu beklagen hat, kehren schliesslich alle 50 Wehrmänner aus Elgg vom nicht ungefährlichen Kriegsdienst unverletzt und schadlos in ihre heimatlichen Gefilde zurück. Auf Ortsrechnung wurden am 9. Dezember 1847 die Soldaten des ersten und zweiten Auszuges mit Extrafuhrwerk in Zürich abgeholt.
Die Gemeindevorsteherschaft beschliesst, den Zurückkehrenden auf dem Rathause einen Trunk aus dem Gemeindekeller zu spendieren. Und jedem Soldaten eine tägliche Soldzulage von einem Batzen aus dem Gemeindegut zu geben. Aber man bedachte nicht nur die Heimkehrenden. Denn manche Familie zu Hause war durch die Abwesenheit ihres Vaters oder Sohnes in Not geraten. Für sie wurden ebenfalls Kollekten erhoben. Auch verschiedene Gemeinden im Thurgau lassen nicht nur ihren aufgebotenen Truppen Soldzulagen zukommen. Sie sammeln ebenfalls für die notleidenden Angehörigen. Aber man belohnt nicht nur die Heimkehrenden. Manche Familie zu Hause war durch die Abwesenheit von Mannesarbeitskräften in Not geraten.
Die Ortsgemeinde Thundorf schickt ihren Mitbürgern 150 Gulden, Anetswil 79 Gulden, 20 Kreuzer (für seine 17 Bürger und Ansassen im Felde), Stettfurt 118 Gulden mit der Anordnung, dass jeder Auszüger 4, jeder Landwehrmann 2 Gulden, 20 Kreuzer davon erhalten solle. Der Pater Statthalter auf Sonnenberg schenkt «aus freien Stücken» 20 Gulden und unterstützt zudem die Armen der Umgegend. Die Gemeinde Wittenwil gibt ihren Angehörigen im Felde 81 Gulden.
Im «Centralhülfskomite» gehen für die Familien der Gefallenen und verwundeten Wehrmännern ein: von Frauenfeld 663 Gulden, Aadorf 50 Gulden, 50 Kreuzer, Matzingen 19 Gulden, 45 Kreuzer, Stettfurt 32 Gulden, 12 Kreuzer, Wittenwil 27 Gulden, 37 Kreuzer, Thundorf 40 Gulden et cetera.
Am Ende sollen die Sonderbundskantone als Kriegsentschädigung sechs Millionen Franken zahlen. Um den besiegten Kantonen die Zahlung zu erleichtern, bilden sich aber in der ganzen Schweiz Komitees zur Einsammlung freiwilliger Beiträge. Bis Ende Juli 1852 waren demselben eingegangen: von Frauenfeld 907 Franken, Aadorf 99 Franken, 37 Rappen, Matzingen 9 Franken, 54 Rappen, Wängi 56 Franken. Der ganze Kanton steuerte 8346 Franken und 71 Rappen bei.
Im Sammelkomitee des Bezirks Frauenfeld zugunsten besiegter Kantone sitzt auch der 1846 zum Friedensrichter gewählte Gemeindeammann und spätere Bürgerpräsident Michael Kesselring von Aadorf. Der nebenbei mit detailreichsten Kirchenorganisations- und Kirchenbaufragen belastete Gemeindepolitiker weicht nach dem Sonderbundskrieg auch nicht vor dieser subsidiären Dringlichkeit.
MARKUS SCHÄR
Zum Bild
Die 14 im Jahre 1898 Überlebenden und geehrten Elgger Sonderbundsveteranen:
1. REIHE: Schenkel Ulrich von Elsau in Elgg Kappeler Jakob von Hagenstall in Elgg Hofmann Ulrich von Zünikon in Dickbuch Meier Jakob, Sappeur im Oberhof Peter Heinrich von Dickbuch in Elgg Ott Jakob, Weber von und in Elgg Nüssli Konrad von Dickbuch in Elgg
2. REIHE: Mantel Heinrich, Wagner («Wagnerheiri») Stadelmann Andreas von und in Elgg Büchi Heinrich von Wenzikon in Wenzikon Hofmann Felix von Zünikon in Elgg («Presidentli») Spiller Eduard von und in Elgg («Schmid Galli») Müller Rudolf von und in Schneitberg Wegmann Ulrich von und in Schneit
Die Vorbenannten wurden im Jahre 1898 zur 50-jährigen Erinnerung an den Sonderbundskrieg durch Verabreichung eines guten «Zabig» und Wein von der Zivilgemeinde geehrt.