Die Freuden und Leiden zweier Strassenmusikanten
26.09.2023 AadorfZum ersten Indoor-Anlass der Saison traten im Kleinkunstsaal zwei alte Berner Hasen auf, die mit ihrem Mix aus Musik und Comedy begeisterten. Dafür, dass es ein unvergesslicher Abend wurde, sorgte nicht nur ein Wackelkontakt in der Musikanlage, sondern auch die Zugabe im Freien zu ...
Zum ersten Indoor-Anlass der Saison traten im Kleinkunstsaal zwei alte Berner Hasen auf, die mit ihrem Mix aus Musik und Comedy begeisterten. Dafür, dass es ein unvergesslicher Abend wurde, sorgte nicht nur ein Wackelkontakt in der Musikanlage, sondern auch die Zugabe im Freien zu später Stunde.
Es war einer jener Abende, an dem man keine Ahnung hatte, was einem erwartete; mit Ausnahme jener, denen das Trio, das jedoch als Duo auf der Bühne stand, bereits ein Begriff war. Gong-Leiter Pascal Mettler begrüsste das Publikum im bis auf den letzten Platz besetzten Saal und gab die Bühne frei für die zwei «Bärner Giele» Pascal Dussex und Resli Burri. Mit ihrer virtuosen Kombination aus Musik und Comedy begeistern «Les trois Suisses» seit über 25 Jahren das Kleinkunstpublikum. Mit ihrem Programm «Vagabund» nehmen sie ihre Gäste mit auf eine Reise durch die Freuden und Leiden von StrasSenmusikanten. Ihre Geburtsstunde ereignete sich tatsächlich auf der Strasse: Drei Schweizer wagten es, sich in Südfrankreich mit ihren Instrumenten und Stimmen einem Zufalls-Publikum zu stellen. Wir alle begegnen dieser Musikform lediglich als Konsumenten, bleiben vielleicht kurz stehen, hören zu, um dann wieder unserer Wege zu gehen. Vielleicht blickt man ein wenig mitleidig auf die Gestalten, die in den Gassen Musik machen; macht sich aber kaum Gedanken über das Leben, das sie führen, wo sie im Winter ihren Wohnsitz haben, wie sie über die Runden kommen, wie sie in der bargeldlosen Gesellschaft überleben sollen. «Vagabund» macht auf lustige Art auf diese Herausforderungen aufmerksam, ohne den Mahnfinger zu heben oder ein schlechtes Gewissen zu erzeugen; ganz im Gegenteil: mit viel Wortwitz und enormem Charme erzählen Dussex und Burri in Bild, viel Sprache und noch viel mehr Ton von ihren Erlebnissen rund um die Welt – oder wenigstens aus Weggis, Schafhausen (im Emmental), Bern, dem Wallis, Biel und der Westschweiz.
«Alperose» für die Romandie nur bedingt geeignet
Nach ihrem ersten Stück «Summertime Blues», stellten sie fest, dass ein Auftritt in einem Saal ähnlich sei, wie in einer Sackgasse zu spielen: ohne Laufkundschaft. Mit «Svalutation» von Adriano Celentano folgte ein erster Kracher des Abends. Ein zweiter, ungewollter einige Minuten später: Mit Getöse legte ein Wackelkontakt in der Verkabelung die Musikanlage komplett lahm, die Scheinwerfer fielen kurz aus und es kehrte Stille ein. Aber die zwei Berner wären keine echten Strassenmusiker, wenn sie das aus der Ruhe gebracht hätte. Sie erzählten die Geschichte des Wanderpredigers, der den Weltuntergang auf einen 1. Mai prophezeite. Da sich die Welt auch nach diesem Datum munter weiterdrehte, habe er einen neuen Weg eingeschlagen und sei nun Politiker bei den Grünen.
Vor Burri und Dussex ist nichts und niemand sicher. Geschickt jonglieren sie mit fremden Liedzeilen, Sprachen und Dialekten. Gerade die Dialekte und Sprachenvielfalt der Schweiz würden für herumreisende Strassenkünstler doch einige Stolpersteine bereithalten, über die sich nur allzu leicht straucheln lasse: «In der Westschweiz das Lied ‹Alperose› anzustimmen, ist ungeschickt – verstehen sie doch dann ‹e Halbe Rosé› oder habt ihr euch schon mal überlegt, wie Mani Matters ‹Zündhölzli› im St.Galler-Dialekt klingt?» fragte Burri das Publikum. Seiner letzten Frage liess er Taten folgen und sang den Refrain des «Zundhölzlis» wie ein echter St.Galler. Aus Jacques Brels «Ne me quitte pas» wurde kurzerhand «Kita-Platz» und «Iko, Iko» wurde mit Wäscheklammern auf der Nase intoniert – zu jedem ihrer Spielorte wussten sie eine ausschweifende Anekdote zu erzählen, die sie mit Musik ergänzten. Viel zu lachen gab die Geschichte vom Beamten Bissegger, der in Biel die Bewilligungen für Strassenmusikanten ausstellte oder die Tatsache, dass zunehmend Stars auf der Gasse auftreten, weil sie von den Streamingdiensten zu schlecht bezahlt würden. Wichtig hierbei sei, dass für den Auftritt die passende Location gewählt werde, so könne man auf «Göle als Penner vor dem Denner» oder auf «Hecht vor dem Fischladen» treffen oder natürlich auf «Sophie Hunger vor dem McDonald’s».
Die Zugabe der Zugabe im Freien
Wie lange sie schon gemeinsam unterwegs sind, demonstrierten die beiden Berner anhand einer Diashow. Erstmals dokumentiert wurden sie demnach auf einer Wandmalerei in der Steinzeit, später bei den alten Ägyptern, Griechen und Römern und bei Asterix im Gallischen Dorf. Dort allerdings seien sie an einen Baum gefesselt worden, weil sie sich in die inneren Angelegenheiten der Bevölkerung einmischten: «Wir hätten nicht auf den Artenschutz hinsichtlich der Wildschweine und den CO2-Ausstoss des Feuers hinweisen sollen», beurteilten sie ihre missliche Lage im Nachhinein. Der durchwegs unterhaltsame Anlass bot eine eindrückliche Reise in jeder Hinsicht.
Einziger kleiner Wermutstropfen für die Schreibende – aus ganz persönlicher Sicht: Dass die ganzen Kracher aus Rock und Blues selten ganz durchgespielt wurden, sondern nur kurze Sequenzen daraus. Wie hätte «Smoke on the Water» von Deep Purple oder «Master Blaster» von Stevie Wonder den Saal beben lassen?
Am Ende, schon in der Zugabe, als der Mischer den Stecker bereits gezogen hatte, gesellte er sich zum Duo auf die Bühne. So wurde dank «Jüre» (Jürg) also doch noch das Trio «Les trois Suisses». Zum Schluss entführten die drei für die letzten Zugaben der Zugabe alle nach draussen vor das Gebäude, wo sie ihrer Herkunft alle Ehre erwiesen und als Strassenmusiker auftraten – zur Freude oder zum Ärger der Anwohnerschaft. Das Publikum auf jeden Fall hat den Abend mit grossem Applaus verdankt.
MARIANNE BURGENER