Der Urwald lebt, auch bei uns

  08.09.2022 Guntershausen

Im Jahr 2019 konnte die Pro Natura ein Waldstück im Burstelwald oberhalb von Guntershausen erwerben. Am letzten Samstag lud die Organisation zu einem Rundgang durch den Wald ein. Rund 30 Naturliebhaber von Gross bis Klein nahmen an der gut zweistündigen Führung teil.

Gut 19 Hektar beträgt die Gesamtfläche an Wald und einem kleinen Stück Kulturland, die von der Naturschutzorganisation vor drei Jahren erworben wurde. Über die Art der Neu- und Umgestaltung wurde unter den Mitgliedern eine Umfrage gemacht und verschiedene Projekte sind nun in Planung, um den vormals wirtschaftlich genutzten Wald wieder in einen urtümlichen, möglichst der Natur überlassenen Zustand zurückzuführen. In der nördlichen Ecke, eingerahmt durch zwei Wege, dem Waldrand und einem Bach, sind zwei Amphibientümpel geplant. Durch die stattliche, räumliche Distanz zu den ersten Häusern von Guntershausen, können sich Frösche, Kröten und Insekten dereinst ungestört ansiedeln und entwickeln. Für die Waldbesucher sind Infotafeln geplant, die Aufschluss über die vielfältigen Tier- und Pflanzenarten geben, wusste der Referent von Pro Natura, Tim Schoch, zu berichten. Noch immer hat auch der Burstelwald den Charakter eines wirtschaftlichen Nutzwaldes. Fichten stehen nah beieinander und lassen kaum Sonnenlicht zum Boden durch. Dies führt dazu, dass auf dem Waldboden fast keine zusätzlichen Pflanzen wachsen können. Der stetige Nadelabfall sorgt dafür, dass der Boden sauer wird, was das Ausbreiten weiterer Arten verhindert.

Totholz, eine wertvolle Ressource

Was auffällt, sind zahlreiche umgestürzte Bäume im Waldesinneren und auf Wegen, die nicht mehr weggeräumt werden. Zusammen mit halbhohen Baumresten und Baumstrümpfen bilden diese das sogenannte Totholz. Dieses Holz hat eine wichtige Funktion im Kreislauf der Natur. Käfer, Insekten aber auch Vögel nutzen es als Lebensraum. Auch Pilze siedeln sich an. Später zerbröselt das Holz, wird morsch und bildet wieder neuen nährstoffreichen Humus. Ein weiteres Ziel ist die Aufhebung einiger Wege und Strassen durch natürliche Zersetzung. Durch die meisten Wälder führt ein dichtes Netz von Strassen und Pfaden. Diese braucht es für die Bewirtschaftung und den Zugang zu den einzelnen abgegrenzten Parzellen. Auch der Burstelwald ist davon betroffen. Es werden zwei Wege, die den Wald von Nord nach Süd durchschneiden, aufgehoben. Tafeln weisen jeweils an den Weganfängen und -enden darauf hin. Hauptziel ist mehr Ruhe und weniger Störungen in den entsprechenden Waldabschnitten. Etwas abseits des Weges im Waldhang, eingefasst durch Moos und Steine, sprudelt eine Quelle aus dem Waldboden. Die meisten Quellen in der Schweiz werden durch Bauwerke umgestaltet, als Trinkwasser oder für die Bewässerung in der Landwirtschaft verwendet. Diese Quelle kann natürlich abfliessen. Der Abfluss ist konstant, das Wasser hat zu jeder Zeit dieselbe Temperatur, und auch die Trockenheit dieses Sommers konnte ihr nicht zusetzen. Gleich beim Austritt aus dem Waldboden bildet sich eine kleine Pfütze. In ihr können Insekten ihre Eier ablegen, die dann zu Larven heranwachsen. Bis zum Schlüpfen der neuen Arten kann es einige Zeit dauern, bei Libellen beispielsweise dauert das Larvenstadium mehrere Jahre. Immer mehr Beachtung wird auch den Walrändern gewidmet. Der Übergang vom Kulturland zum Wald ist ein wichtiger Lebensraum, der viele Pflanzen- und Tierarten beherbergt. Oft ist er sehr abrupt, hohe Bäume grenzen direkt ans Wiesland. Ökologisch wertvoll wäre ein abgestufter Übergang von hohen Bäumen zu kleineren Baumarten und Sträuchern, die dann auf natürliche Weise ans Kulturland angrenzen. Die Wandlung vom Nutz- zum natürlichen Wald ist noch im Anfangsstadium. Doch bald können Änderungen wahrgenommen werden die zeigen, dass die Natur zu einer umfassenden Regenerierung fähig ist.

ROLF HUG


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