Der Schweizer Automarkt hat sich noch nicht erholt
01.02.2022 AadorfDer Markt für neue Personenwagen in der Schweiz und Liechtenstein hat das letzte Jahr mit einem Plus von 0,7 Prozent gegenüber 2020 abgeschlossen. Durch die Coronakrise und ihre Auswirkungen liegt die erreichte Zahl an Neuzulassungen trotzdem erneut deutlich unter Vorkrisenniveau. Eine Erfahrung, die nicht alle teilen.
Das herausfordernde Autojahr 2021 war geprägt von Lieferschwierigkeiten aufgrund des Mangels an elektronischen Bauteilen bei der Fahrzeugproduktion und internationalen Transporteinschränkungen. Trotzdem ist die Nachfrage nach neuen Personenwagen im Vergleich zum ersten Coronajahr wieder spürbar gestiegen (von gut 236- auf über 238’000). Zudem hat die konsequente Priorisierung von Modellen mit alternativen Antrieben bei Produktion und Auslieferung zu deren Rekordmarktanteil von 44,5 Prozent geführt. So erreichte der Anteil von Fahrzeugen mit elektrischen Antrieben (reine Elektroautos, Plug-in-Hybride, Brennstoffzellenfahrzeuge) im Dezember mit 32,9 Prozent ein Monats-Rekordniveau, 22,5 davon reine E-Autos. Über das ganze Jahr gesehen resultiert ein Elektroanteil von über 13 Prozent, was ein Top-Resultat unter den europäischen Ländern bedeutet. Die grossen Gewinner im letzten Jahr waren Wohnmobile. Sie konnten mit einem Zuwachs von 26,4 Prozent weiter vom Trend zu Individualreisen während Corona profitieren und erreichten mit 7588 Neuzulassungen ein Rekordniveau.
Unsichere Aussichten für 2022
Für das eben erst angefangene Jahr steht die Überwindung der Lieferschwierigkeiten auf der Wunschliste von Auto-Schweiz, der Vereinigung der offiziellen Automobil-Importeure. «Die langen Lieferfristen für Bestellfahrzeuge mit entsprechenden Unsicherheiten machen der gesamten Branche zu schaffen», hält Mediensprecher Christoph Wolnik fest. «Wir sind es uns nicht gewohnt, dass die Nachfrage nach Neufahrzeugen deutlich über dem Angebot liegt. Nach den entsprechenden Prognosen von Automobilherstellern und -zulieferern sind wir optimistisch, dass sich die Liefersituation spätestens im zweiten Halbjahr verbessern wird.» Dies würde auch eine weitere Steigerung der Immatrikulationszahlen von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben ermöglichen, was das Ziel der Mitglieder von Auto-Schweiz sei, so Wolnik abschliessend. Wie lassen sich diese gesamtschweizerischen Zahlen auf ein lokales Unternehmen adaptieren? Die Firma Auto Richner AG ist Mitglied im Verband der freien Autohändler Schweiz (VFAS) und kann diese Erfahrungen nur teilweise teilen.
Andere Situation bei Auto Richner in Aadorf
Interessanterweise hat das in Aadorf und Steinach ansässige Unternehmen zum Teil gegenteilige Erfahrungen während der Coronakrise gemacht. Begründet ist dies sicher im anderen Geschäftsmodell gegenüber den klassischen Markengaragen. So spricht Verkaufs- und Marketingleiter Mario Rohner über das vergangene Jahr verkaufsmässig gar vom besten. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Garage, in der ein Käufer im Showroom sein Modell aussucht und bestellt, sind die bei Richner ausgestellten Fahrzeuge verschiedenster Marken direkt verkaufsfertig. Der Kunde wartet höchstens ein paar Tage, bis das Anmeldeprozedere erledigt ist und er sein Auto abholen kann. Somit leidet das Unternehmen auch nicht unter chipbedingten Lieferverzögerungen. Eingekauft und ausgestellt wird nur, was tatsächlich produziert und im Markt verfügbar ist.
Die Vermutung liegt nahe, dass viele Kunden aus diesem Grund im letzten Jahr den Neu- oder jungen Occasionswagen in Aadorf oder Steinach und nicht anderswo gekauft haben, wo unter Umständen lange Wartezeiten in Kauf hätten genommen werden müssen. Eine weitere Beobachtung von Rohner ist, dass viele Kleinwagen einen neuen Besitzer gefunden hätten; er vermutet «höchstwahrscheinlich Zweitwagen als Ersatz zum öffentlichen Verkehrsmittel, das nicht mehr benutzt wurde.» Die Verkäufe seien auch trotz der generell höheren Preise für Autos gestiegen.
Trend nach alternativen Antrieben ungebremst
Die enorm gesteigerte Nachfrage nach alternativen Antrieben, die Auto-Schweiz erwähnt, kann die Auto Richner AG vollumfänglich bestätigen. So kann eine quartalsweise markante Steigerung beobachtet werden. Um der Nachfrage gerecht zu werden, hat das Team um Mario Rohner eine «grüne Ecke» eingerichtet, ein Bereich, wo nur E-Fahrzeuge präsentiert werden. Vor allem Kleinwagen sind sehr gefragt, gut also, dass immer mehr Marken verschiedene Modelle anbieten. Rohner kennt seine Kundschaft und kann gezielt Fahrzeuge einkaufen. Das Geschäft läuft nicht nur mit alternativen Antrieben gut, auch Verbrenner sind nach wie vor gefragt. Vielfahrer mit grossem Platzbedarf setzen nach wie vor auf Diesel. Weil E-Fahrzeuge immer noch teurer sind, ist der Kauf oft eine Budgetfrage und am Ende wechselt ein Benziner, dessen Beliebtheit trotz allem ungebrochen ist, den Besitzer.
MARIANNE BURGENER