Der Raub der Flammen soll wieder auferstehen
24.10.2024 ElggErst ein halbes Jahr ist es her, dass die Brandserie Elgg erschütterte. Jetzt sind erste Baugesuche eingereicht, welche die baulichen Wunden im Städtchen schliessen sollen.
Massiv und fast vollständig eingerüstet, das teilweise offene Dach mit einer ...
Erst ein halbes Jahr ist es her, dass die Brandserie Elgg erschütterte. Jetzt sind erste Baugesuche eingereicht, welche die baulichen Wunden im Städtchen schliessen sollen.
Massiv und fast vollständig eingerüstet, das teilweise offene Dach mit einer grünen Plane abgedeckt, sichtbar unbewohnt. So präsentiert sich das Flarzgebäude an der Hintergasse 15 seit Monaten – und erinnert Flanierende an die schreckliche Nacht auf den 16. März: Das Nachbarhaus Nummer 13 stand in lohen Flammen, brannte komplett nieder. Das nun eingerüstete Haus wurde durch den Brand und die Löscharbeiten der Feuerwehr schwer beschädigt.
Keine fünfzig Meter südlich, an der äusseren Hintergasse, eine Baulücke mit Fundamentresten. Einheimische wissen: Hier stand der dreigeschossige Schopf der Liegenschaft Hintergasse 32. Er wurde exakt einen Monat nach der ersten Feuersbrunst ein Raub neuer Flammen, beide und mehr mutmasslich – es gilt die Unschuldsvermutung – gelegt von einer einheimischen Brandstifterin. «Es war furchtbar, ja», erinnert sich kurz eine Nachbarin, die gerade mit dem Hund aus der Tür tritt. Weiter möge sie nicht darüber sprechen und zeigt stattdessen auf die Brandnarbe: «Jetzt soll es ja wieder vorwärtsgehen.»
Erste Baugesuche für Wiederherstellung eingereicht
Tatsächlich wird der Brandplatz überspannt von einem Bauvisier aus rohen Dachlatten. Ein untrügerisches Zeichen dafür, dass ein Baugesuch für den Wiederausbau des Schopfes hängig ist: Auf dem digitalen Auflage-Portal des Kantons Zürich (portal.ebaugesuche.zh.ch) ist es noch bis Ende Oktober einsehbar. Auch für das Flarzhaus Hintergasse 15 war bis vor kurzem das Baugesuch für die Sanierung des Brandfalls ausgeschrieben.
Wer schon mal selber gebaut hat, zumal in denkmalpflegerisch inventarisierten Gebieten wie Elgg, wird sich wundern: Baubewilligungen innert weniger als einem halben Jahr? Da ist man offensichtlich aufs Gaspedal getreten.
«Grundsätzlich arbeiten wir immer schnell», schickt Andreas Zwicky, Bereichsleiter Planung, Bau und Energie der Gemeinde Elgg, voraus, um dann zu antworten: «Tatsächlich haben wir und alle Beteiligten die Sache schnell angepackt und zügig gearbeitet. Das ist unser Beitrag, die durch den Brand geschädigten Personen möglichst unkompliziert zu unterstützen.»
Schon wenige Wochen nach den Bränden konnte so an einem runden Tisch mit den Architekten der brandgeschädigten Eigentümer sowie Verantwortlichen des Kantons Strategien für alle Brandfälle besprochen werden. In deutlich kürzerer Zeit als die zwölf Monate, welche das Baugesetz als Frist vorsieht, wurde auch ein Denkmalschutzgutachten für die Liegenschaft Hintergasse 15 erstellt, auf dem basierend ein sogenannter Schutzvertrag für das ehemalige Bauernhaus zwischen Gemeinde und Eigentümer vereinbart wurde. Dieser klärt verbindlich ab, welche Teile eines Gebäudes erhalten werden müssen und welche nicht.
Schnelles Vorangehen, um Wunden zu schliessen
Auch Philipp von Ah vom Architekturbüro Vonah Imfeld, das beide Bauvorhaben betreut und selber Opfer der Brandserie wurde, ist voll des Lobes. «Hervorragend, speditiv, zielorientiert», sucht er nach Adjektiven, um die «grosse Unterstützung durch die Baubehörde, den Kanton und auch die Versicherungen» zu beschreiben. Dass es schnell vorangehe, so von Ah, sei «auch psychologisch ganz wichtig, um die aufgerissenen baulichen Wunden in Elgg» wieder zu heilen. Die kantonale Gebäudeversicherung gibt den Eigentümern eine Frist von zwei Jahren, Brandobjekte wieder aufzubauen.
So sehen die Pläne der beiden Architekten für die beiden Gebäude nichts Neues vor. Die Hintergasse 15, die grosse Wasserschäden von den Löscharbeiten davontrug und innert Kürze starken Pilzbefall aufwies, wird im Wesentlichen instand gestellt. Lediglich im östlichen Teil sind gegenüber dem Vorbrandzustand Umbauten an Küche und Bad sowie im Dach zusätzliche Fenster geplant. Nach dem Umbau wird es Eigentümern und Mietern weiterhin sechs Wohneinheiten bieten.
Anstelle des abgebrannten Schopfs der Hintergasse 32 soll wieder ein Gebäude entstehen. Ein Riegelbau wie zuvor, mit demselben Volumen wie die alte Baute – so wie es das Baugesetz in denkmalpflegerisch geschützten Gebieten vorsieht. Offen ist noch die Nutzung, wie Architekt von Ah festhält. In den Baugesuchsplänen ist eine Ausgestaltung als Wohngebäude mit rund 85 Quadratmetern Wohnfläche auf zwei Geschossen skizziert, aber «es wäre auch eine Nutzung als Atelier möglich, da Scheunen nicht mehr den gleichen Stellenwert haben, wie noch vor 100 Jahren».
Zeithorizont für Realisierung unbekannt
Die zügig eingereichten und bearbeiteten Baugesuche für die ersten beiden Bauopfer der Brandserie sind allerdings keine Garantie, dass es mit der Realisierung der Sanierungs- und Wiederaufbauarbeiten ebenso schnell geht. Nach Auflage der Pläne für die beiden Gebäude und des denkmalpflegerischen Schutzvertrags für die Liegenschaft Hintergasse 15 läuft die Einsprachefrist. Und bei Bauten in denkmalgeschützten Gebieten hat immer auch der Zürcher Heimatschutz (ZVH) ein Auge darauf, der sich «den Schutz unseres baukulturellen Erbes» in die Vereinsstatuten geschrieben hat.
Tatsächlich hat der ZVH bereits die Baurechtsentscheide für die Baugesuche verlangt, wie Bereichsleiter Zwicky und Architekt von Ah bestätigen. Für letzteren ist deshalb «der Zürcher Heimatschutz die grosse Unbekannte» in Bezug auf die Termine, wann die Menschen wieder in ihr brandgeschädigtes Zuhause einziehen können.
«Dass wir bei denkmalpflegerisch heiklen Bauvorhaben die Baurechtsentscheide einfordern, ist unser Standardvorgehen», erläuterte Felix Landolt, ZVH-Vorstand und Gebietsverantwortlicher Winterthur-Ost. Dies bedeute aber nicht, dass auch Rekurs eingelegt werde, versichert er. Im Gespräch attestiert er den Elgger Behörden «grosse Sensibilität für den Ortsbildschutz». Und angesichts der Hintergründe der Baugesuche beteuert er: «Ich habe mir sehr vorgenommen, nicht den Weg über die Gerichte zu gehen», sondern allfällige Anpassungen in Gesprächen einzubringen.
Entschieden werde dies allerdings letztlich vom ZVH-Vorstand, der nur einmal im Monat tagt.
Ob dieser ebenfalls auf Gespräche setzt und nicht den juristischen Weg beschreitet, bleibt also zu hoffen. Denn dass in Elgg die baulichen Brandwunden zuwachsen, ist ja auch eine Form des Heimatschutzes.
MARKUS KOCH